Die Kolonisation Bessarabiens war sozusagen das letzte Glied in der Ansiedlung von Deutschen in Südrußland:
Zusammenfassend kann man folgende Siedlungsbewegungen nach Südrußland (Südkaukasus, Schwarzmeergebiet, Bessarabien) feststellen:
Man kann folgern: Die Kolonisten Bessarabiens stammen aus allen diesen vier Einwanderungswellen, wobei die dritte Welle das größte Kontingent stellte.
Auswanderer nach Bessarabien/Südrußland nahmen üblicherweise folgende Routen:
1. Die Warschauer Kolonisten kamen von Warschau/anderen Orten in Polen über Radziwil und Tiraspol nach Bessarabien.
2. Bessarabien-Kolonisten aus Württemberg, die sich zu sogenannten Auswanderer-Harmonien zusammenschlossen, zogen entweder
3. Weiterwanderer aus südrussischen Kolonien im Raum Odessa, wohin deutsche Siedler aus Südwestdeutschland aufgrund des Manifests vom 20. Februar 1804 auf den in Ziffer 2 beschriebenen Routen eingewandert waren, gründeten 1842 Hoffnungstal und gelangten auch in bereits bestehende bessarabische Kolonien, so auch nach Krasna.
⇒ (s. Ziff. 7.5. Fluktuation bei den Kolonisten Krasnas).
Wir kennen die Einwandererfamilien von Krasna einigermaßen gut (s. Ziff. 7.3. Krasnaer Einwandererfamilien). Für die Suche nach ihrer Herkunft unterteilt man sie zweckmäßigerweise in vier Gruppen:
Sie selbst oder ihre Vorfahren kamen meist aus dem Südwesten und Süden Deutschlands und waren gegen Ende des 18. Jahrhunderts und im ersten Jahrzehnt des 19.Jahrhunderts in Gebiete
des späteren Herzogtums Warschau eingewandert (1807 von Napoleon geschaffen).
⇒ s. Karte in Ziff. 1.2. Die russische Kolonisierung Bessarabiens
Zur Einwanderungszeit befanden sich diese Gebiete in preußischem bzw. österreichischem Besitz, denn gegen Ende des 18. Jahrhunderts war Polen wegen seiner schwachen Monarchie
in drei Teilungen (1772, 1793, 1795) zwischen Rußland, Österreich und Preußen aufgeteilt worden. Es hatte aufgehört, als selbständiger Staat zu existieren 1)
Es gab Auswanderer nach
Wenn man von der Liste der Krasnaer Einwandererfamilien ausgeht, stößt man in der Literatur auf eine Reihe von Emigranten mit in Krasna vorkommenden Namen, die zwischen 1783 und 1785 nach Galizien ausgewandert sind. Viele von ihnen kamen aus der Gegend von Saarbrücken - der damaligen Grafschaft Nassau-Saarbrücken - und waren katholisch.
Der überwiegende Teil Galiziens blieb bis zum Ende des ersten Weltkriegs bei Österreich. Einige Krasnaer Familiennamen tauchen als Ansiedler in dortigen Dörfern auf, z.B. Arnold, Brandt, Brückner, Damm, Fischbach, Haag, Hartmann, Heidrich, Krams, Riehl, Ritz, Rückert, Weis. Von hier aus erfolgte aber unmittelbar keine Auswanderung in größerem Umfang nach Bessarabien. Es ist nicht auszuschließen, daß sie über Zwischenstationen dennoch nach Krasna gelangt sind. Belege wurden bisher nicht gefunden.
Zum Herzogtum Warschau wechselte der Raum um Zamosc in Ostpolen. Hier haben die Österreicher einen Großteil der sogenannten Privatansiedlungen in Galizien vorgenommen. Die josephinische Privatansiedlung umfaßte hier zwei räumlich voneinander getrennte Siedlungsgruppen:
Bei Sitaniec handelt es sich mit an Gewißheit grenzender Wahrscheinlichkeit um das von den Krasnaern benannte Schitonitz. Es wird auf Polnisch wie Schitanitz ausgesprochen. Sitaniec liegt ca. 5 km nördlich der Stadt Zamosc.
Im Hofkammerarchiv in Wien existiert eine amtliche Ansiedlerliste josephinischer Privatkolonien. Diese Liste („Ausweis“ genannt) zählt die Dominien und Ortschaften auf, in denen Leute angesetzt wurden.
In dem „Ausweis“ finden wir eine Reihe Krasnaer Familiennamen: Albrecht, Albinger/Alwinger, Balten/Baldus, Baker/Becker, Dokendorf/Tokendorf, Dressler, Groß, Frank, Harth, Haupt, Henz, Hermann, Kus/Kuß, Leib/Leeb/Löw, Maas, Mathieu/Mathi, Müller, Oberlin/Oberle/Oberlyn, Paul, Petsch/Pietsch/Pitz/Petz, Schäfer, Schmid, Schreiner, Schulz, Sehn/Söhn, Speicher, Thernes/Ternes, Türk/Dirk, Wagner, Weber.
Mehr oder weniger alle Namen dieser Privatansiedler tauchen in Kirchenbüchern im Raum Zamosc auf. Bedauerlicherweise sind die Kirchenbücher nicht mehr vollständig erhalten, teilweise bestehen große zeitliche Lücken. Für Sitaniec zum Beispiel fehlen die Jahrgänge von 1786 -1809 vollständig, so daß wir erst wieder Einträge von 1810 - 1815 vorfinden. In diesem Zeitraum haben wir einige Krasnaer Namen gefunden (Geburten, Heiraten, Sterbefälle), da oft auch Altersangaben der Eltern und die Taufpaten aufgenommen sind, können wir bei einigen Personen die Daten gut rekonstruieren. Kirchenbücher für andere Kolonien sind z. T. für den ganzen oder doch den größten Teil des für uns relevanten Zeitraums (1784-1814) erhalten.
Bisher scheint lediglich eine einzige Quelle bekannt zu sein, die konkrete Anhaltspunkte über den Weiterzug von späteren Krasnaer Familien aus dem Herzogtum Warschau nach Bessarabien enthält: die sogenannte Hopf-Liste3). Sie listet insgesamt über 2600 deutschstämmige Familien auf, die zwischen 1813 und 1866 aus Polen nach Rußland ausgewandert sind. Die in der Hopf-Liste unter Zamosc und Hrubieszow gefundenen Auswanderer weisen in ihren Familienzusammensetzungen erhebliche Ähnlichkeiten mit Krasnaer Familien auf, in manchen Fällen sind sie deckungsgleich. Es sind Familien, die auf der Ansiedlerliste stehen: Albinger, Kuss, Leb/Löw, Matys, Mueller, Oberle, Paul, Peker/Becker. Schaeffer /Schäfer, Schayner /Schreiner, Schep, Schmidt, Schpeicher /Speicher, Sehn/Söhn, Ternes, Togendorf/Tokendorf, Tuerk/Dirk.
Hopf sagt nicht, wohin in Rußland die Auswanderer zogen. Aber in einer Reihe von Fällen stimmen seine Personendaten mit uns vorliegenden Angaben über Krasnaer Familien überein.
Bei einigen Familien können so die Wanderungen von der Pfalz/der Saar bis nach Krasna lükkenlos belegt werden. Bei anderen gelingt das weniger vollständig oder nur ansatzweise.
In mindestens einem Fall haben wir eine Rückkopplung: Wir können die Familie Paul von Obersalbach/Saarbrücken über Wien und Huszcka /Zamosc4) bis nach Krasna verfolgen. Ted Becker5) verfügt über ein Dokument von Kolonisten aus Krasna, das auf Zamosc hinweist. Die Kolonisten Nikolaus Oberling/ Oberlyn/Oberle (und seine Frau Juliana) sowie Johann Paul (und seine Frau Elisabetha und ihre beiden Töchter Margaretha und Gertruda) haben ein Gesuch an die Kolonistenbehörde gerichtet (Zeitraum 1820 / 1822) mit dem Ziel, wieder nach Polen zurückziehen zu dürfen, in den Ort, aus dem sie kommen. Es dürfte sich mit großer Wahrscheinlichkeit um das Dorf Husczka im Kreis Zamosc handeln.
In den „Quellen zur deutschen Siedlungsgeschichte in Südosteuropa“ erscheinen für die sog. „franziszeische Kolonisation“ - (etwa 1801-1805) einige südwestdeutsche Namen, die denen Krasnaer Siedler entsprechen (z. B. Both, Fleckenstein, Habrich, Hittel, Mers). Aber eine konkrete Spur der Galizienauswanderer von Anfang 1800 war bisher nicht zu entdecken. Vielleicht ist dies nicht verwunderlich, da die Zeitspanne ihres Aufenthalts in Polen extrem kurz war (um 10 Jahre). Die Datenlage ist dürftig.
Unter den Krasnaer Familiennamen der Ersteinwanderer gibt es mehrere, die in der Literatur als Banatauswanderer (1750-1780) aufgeführt sind (z.B. Arnold, Buchart, Grünwald, Lauterbach, Marte, Neumann, Novak, Oberle/Oberlin, Ressler, Riehl, Schlick, Seifert, Ternes, Winter). Es war bisher nicht herauszufinden, ob es sich um „unsere“ Leute handelt.
Gesichert ist, daß manche der zunächst im Banat Angesiedelten sehr bald in andere Gebiete des Habsburger-Reiches weitergezogen sind oder auch nach Rußland. Es ist nicht auszuschließen, daß Leute aus dem Banat nach Galizien weitergezogen sind und von dort später nach Krasna. Zumindest haben wir zwei Fälle, bei denen die Namen nur als Banatauswanderer in den Transportlisten (Konsignationslisten) stehen: Oberle/Oberling und Ternes. Andererseits tauchen Familien mit diesen Namen als Privatansiedler in der Region Zamosc auf.
Es hat aus dem Banat auch direkte Auswanderungen nach Bessarabien gegeben. Inwieweit das auch auf Krasnaer Kolonisten zutrifft, war bisher nicht zu ermitteln. Karl Stumpp führt in einer Namensliste bessarabische Einwanderungsorte von Banat-Weiterwanderern auf. Krasna kommt darin jedoch nicht vor.
Anders als nach Galizien ließen sich bisher in der Literatur kaum verwertbare Spuren über ein Auswandern späterer Krasnaer Familien nach Preußisch Polen finden. Einzig in dem Krasnaer Gemeindebericht von 1848 gibt es dazu eine entsprechende Aussage: „In den Jahren 1800-1803 verließen viele Deutsche ihr Vaterland… Ein Aufruf des Königs von Preußen lud die Kolonisten nach Preußisch-Polen ein. Auf diese Einladung kamen die jetzigen Krasnaer in das Herzogtum Warschau, wo sie bis 1814 unweit von Warschau in einer Kolonie6) angesiedelt waren.“
Man wird vermuten können, daß die Autoren des Textes diese Informationen von Leuten der Einwanderergeneration erhalten haben. Da wir einen der beiden Herkunftsorte der Krasnaer in Polen (Schitonitz) bei Zamosc lokalisiert haben, könnte sich diese Textpassage möglicherweise auf den zweiten Herkunftsort (Orschokowin) beziehen.
Für eine Suche nach späteren Krasnaern in Preußisch Polen kommen insbesondere Kolonien bei Warschau und in den Räumen um Lodz und Plock in Betracht.
In Südpreußen erfüllen die sechs Kolonien vor den Toren Warschaus die im Krasnaer Gemeindebericht von 1848 genannten Kriterien am besten (Alt- und Neu-Ilvesheim, Ludwigsburg, Schwenningen, Kanstadt (Katy) und Szopy.
Die Kriterien des Gemeindeberichts treffen wohl auch auf die zwischen 1801 und 1805 gegründeten Kolonien des Domänenamtes Zakroczym zu. Eine davon heißt Orzechowo, was ein bißchen nach Orschekowin klingt; sie liegt ca. 30 km nördlich von Warschau.
In Neuostpreußen (Raum Plock) kam die Mehrzahl der Ansiedler aus Württemberg; darunter waren aber nachweislich 13 Pfälzer Familien. Sie wurden 1799 in der Kolonie Günthersruhm bei Plonsk, zum kleineren Teil in den Kolonien Luisenau und Wilhelmsdorf angesetzt.
Fazit der Recherchen:
In süd- und neuostpreußischen Kolonien kommen einzelne der in Krasna geläufigen Familiennamen vor, z.B. Arnold, Brandt, Damm, Deichert, Fendrich, Haag, Hartmann, Hüttel, Kahl, Ritz, Riehl, Rückert, Sept, Seifert, Weis. Ist es Zufall, daß viele dieser Namen auch als Galizienauswanderer auftauchen oder kann man hier eine Verbindung vermuten?
Nur in Einzelfällen konnten Krasna-relevante Namen nach Südwestdeutschland zurückverfolgt werden (Damm, Deichert, Seifert). Eine eindeutige Verbindung nach Krasna war nicht auszumachen. Allerdings gibt es in einigen Fällen einige Parallelen.
Bei einigen Familiennamen in der Hopf-Liste (s. oben) aus ehemals preußischen Teilen des Herzogtums Warschau, insbesondere aus den Kolonien Luisenau, Koenigshuld, Wilhelmsdorf im Departement Plock sind gewisse Ähnlichkeiten mit Krasnaer Familien erkennbar: Braun, Brandt, Tajchert/Deichert, Chinz/Hinz?), Martin, Merz, Ryhl, Rytz, Rykiert, Sept, Wagner, Weis. Bisher ließ sich aber nicht erhärten, ob sie tatsächlich nach Krasna gegangen sind. Nach den gefundenen Informationen kann man eine Identität mit Krasnaer Familien jedoch nicht ganz ausschließen.
Unter den Krasnaer Erstansiedlern gab es einige Familien mit polnisch klingenden Namen: Bogolowski (Bogatowskisz/Bogztowskisz/Bokalowski/Bogolowskich), Bonjakowski (Bonakowski), Bruschinski (Brzesinski), Ciosek, Ganski (Gancki), Gedak (Gdak), Kagovski, Kletki, Plotzki (Plocki/Plotcki), Ruscheinski (Ruscheinsky, Rosanzki/Rosanzkisz/Rozynzki), Schulkowski (Szulkowskich/ Ziolkowski), Tschischmak (Czyzmak/Czyzmic), Wuitschik (Wyucik/Woycick/Woycik).
Wir wissen nicht in jedem Einzelfall, ob sie polnische Wurzeln haben, z.B. ist es denkbar, dass die Namen Ganski als Ganzke und Kletki als Kletke norddeutschen Ursprungs sind7). Zumindest das Gros scheint aber polnischer Herkunft zu sein. Man wird wohl davon ausgehen können, dass sie aus den gleichen Regionen stammen, aus denen die deutschen Warschauer Kolonisten nach Krasna ausgewandert sind, weil beide Gruppen nach unseren bisherigen Informationen zusammen nach Krasna kamen.
In den ersten 20 – 30 Jahren des Bestehens der bessarabischen Kolonien hat es eine gewisse Fluktuation bei den Kolonisten gegeben. Siedler wechselten aus verschiedenen Gründen in andere Kolonien, oft aus religiösen Gründen. Nach Krasna sind Kolonisten aus Nachbarkolonien zugewandert. Definitiv wissen wir das von Leinz aus Borodino, Steinke aus Alt-Elft, Taschner aus Arzis.
Im Raum von Odessa wurden ab etwa 1804 Kolonien mit deutschen Siedlern angelegt. Diese Siedler sind aufgrund des Manifests des Zaren von 1804 eingewandert. Infolge des Kinderreichtums der Kolonisten kam es in diesen Kolonien schon bald zu Landmangel. Meist aus diesem Grunde wanderten Kolonisten in andere Gebiete Rußlands weiter. In den 1840iger Jahren sind über 25 Familien aus dem Raum Odessa nach Krasna zugezogen, insbesondere aus dem Kutschurgangebiet und aus dem Gebiet Großliebental.
⇒ s. Ziff 7.3. Krasnaer Einwandererfamilien
Es waren Not und Mißstände, die die Menschen veranlaßten, ihre Heimat zu verlassen, kurz gesagt, im wesentlichen ökonomische Gründe, abgesehen von den Lindl-Anhängern und vielleicht einigen anderen Württembergern, bei denen religiöse Gründe im Vordergrund standen. Lassen wir einige Stimmen zu Wort kommen, die mit der Materie vertraut sind.