7.6 Aus- und Abwanderung aus Krasna

Da die Bessarabiendeutschen sehr kinderreich waren, wurde das Ackerland der 24 Mutterkolonien infolge von Bevölkerungszuwachs bald knapp. So war es auch in Krasna.

Wie in Ziff. 4.3 Landbesitzer und Landlose in Krasna ausgeführt, nahm die Zahl der Landlosen ständig zu. 1870 hatte Krasna 352 Männer mit Landbesitz und 285 Männer ohne Landbesitz. Ohne Land war die wirtschaftliche Lage schwierig. Leute sahen sich deshalb zunehmend gezwungen, wegzuziehen. Die Wegzüge hatten zwei große Zielrichtungen

• Nach der Donau/Schwarzmeer-Region und nach Sibirien/Kaukasus (Abwanderung) sowie
• nach Orten in Übersee (Auswanderung).

Eduard Ruscheinsky schreibt¹⁾: „Aus Krasna sind im Verlaufe von 125 Jahren sehr viele Familien nach allen Himmelsrichtungen ausgewandert.“ Wenn man die verschiedenen Zahlen von Eduard Ruscheinsky addiert, kommt man auf 209 Familien, die aus Krasna auswanderten. Mit fünf Personen je Haushalt gerechnet, ergibt das eine Gesamtzahl von etwa 1050 Leuten (s. Liste ausgewanderter Familien am Ende dieses Abschnittes). Ursache für die Auswanderung war stets Landknappheit. 1925 und 1929 kam als akuter Anlaß die schlechte Ernte hinzu. Viele von den Ausgewanderten haben in der neuen Heimat ihr Glück gefunden, manche sind enttäuscht nach Krasna zurückgekehrt.
Man kann davon ausgehen, daß fast alle Krasnaer Familien Verwandte in einer oder mehreren der genannten Regionen hatten bzw. noch haben.
Um diese Wanderungsbewegungen im einzelnen zu beleuchten und die neuen Heimatorte der Emigranten zu beschreiben, wäre eine intensive Forschung erforderlich. Hier kann nur zusammenfassend einiges mitgeteilt werden

Die Abwanderung aus Krasna hatte drei Zielrichtungen:

1. In die Dobrutscha (Gebiet rechts der unteren Donau).
   Man hatte in Krasna gehört, daß über der Donau in der damals noch türkischen Dobrutscha genügend Land zu bekommen war. Daraufhin fuhren im Februar 1876 vier Krasnaer Bauern über die zugefrorene Donau nach Malcoci, um beim Pascha Soleiman Bey in Tulcea vorzusprechen. Es waren Karl Müller (Christians Karl), Karl Ternes, August Söhn und Sebastian Kreis. Durch Vermittlung des Malkotscher Bürgermeisters wurden die vier Krasnaer Bauern vom Pascha empfangen und konnten ihr Anliegen vorbringen. Das Paschalik genehmigte die Einwanderung der deutschen Kolonisten, doch unter der Bedingung, daß sie sich nicht im Norden der Dobrutscha niederließen (aus Angst, Siedler könnten Russen in die Hände arbeiten). Ansonsten durften sie in jedem Dorf der mittleren Dobrutscha siedeln. Land wurde ihnen zugesagt, soviel wie sie bebauen konnten. Mit dieser Botschaft kehrten die vier Bauern nach Krasna zurück. Aufgrund ihrer positiven Berichte verließen im Mai 1876²⁾ 30 Krasnaer Familien Krasna und zogen mit ihrer ganzen Habe in das Tatarendorf Kara-Murat³⁾. Sieben Familien blieben in Karamurat, die anderen ließen sich in bereits bestehenden deutschen Siedlungen in der Dobrutscha nieder. Als sich in Krasna verbreitete, daß die Abwanderer günstige Ansiedlungsverhältnisse angetroffen hatten, zogen 1878 -1880 einige weitere Familien nach. Ihre Geschichte kann bei Florian Müller⁴⁾ nachgelesen werden.
2. Gründung der Tochterkolonie Emmental.
   Da das landwirtschaftlich nutzbare Land in Krasna und Umgebung immer knapper wurde, suchten Krasnaer Siedler nach Auswegen auch in weiter entfernt gelegenen Gegenden Bessarabiens. Nach den Aufzeichnungen von Adam Seifert aus Emmental zogen „nach einigen Jahrzehnten“ 36 Familien aus Krasna gen Osten auf der Suche nach geeignetem Land. Sie ließen sich nahe Wolontirowka auf der Steppe Patrukas oder Patrakas (auch Schalier genannt) im Kontemirer oder Kantemirer Tal als Pächter nieder. Sie nannten ihre Siedlung „Marienfeld“, ihre Gründung könnte um 1866 erfolgt sein⁵⁾. Da dieser Ort für sie aus mehreren Gründen ungeeignet erschien, lösten sie ihre Pachtverträge. Einige kehrten enttäuscht nach Krasna zurück. 25 Familien zogen weiter nach Norden in ein Tal auf der linken Seite des Flüßchens Botna bei Kainari (Kreis Bender). Das war die Geburtsstunde der von der katholischen Kolonie Krasna gegründeten Tochterkolonie Emmental⁶⁾. Über Jahre hin zogen weitere landsuchende Familien von Krasna nach Emmental.
3. Abwanderung nach Sibirien und dem Kaukasus.
   1907 zogen einige Krasnaer Familien nach Sibirien. In einem Artikel von Karl Stumpp „Die deutschen Russen in Nord-Sibirien und Mittelasien“ werden die Familien Maas und Riehl aus Krasna erwähnt. 1908 wanderten einige Krasnaer Familien in den Kaukasus.

Etwa zur gleichen Zeit (1871) als die russische Regierung die Privilegien der Kolonisten aufhob (s. Ziff. 2.3 Die Veränderungen ab der zweiten Hälfte des 19 . Jh. (etwa 1860-1918)), suchten Kanada und die USA mit interessanten Angeboten Siedler für neu erschlossene Provinzen des Westens.
Infolge der Landknappheit und vor allem wegen der Einführung des Militärdienstes in Rußland im Jahre 1874 wanderten viele Kolonisten aus Bessarabien nach Nord- und Südamerika aus (mit Schwerpunkten in Nord- und Süd-Dakota, Kanada, Argentinien, Brasilien). In den 80er und 90er Jahren gab es weitere Auswanderungsschübe nach Amerika. Unter all diesen Gruppen waren auch Krasnaer Bürger, jedoch sind wir über sie nicht im einzelnen informiert. Immerhin tauchen in Schiffslisten und anderen Unterlagen einzelne Krasnaer Namen auf⁷⁾.

Dagegen liegen ziemlich konkrete Angaben über die Emigranten aus Krasna nach 1900 vor.

• 1909-1914 wanderten insgesamt 567 Personen aus Krasna nach Amerika (USA und Kanada) aus, die dort zwei Dörfer (Krasna und Straßburg) gründeten.
• In rumänischer Zeit gaben dann nochmals die schwachen Ernteerträge der Jahre 1924/25 den Anstoß für eine neue Auswanderungswelle. Da nach Aufteilung der großen Güter östlich von Krasna im Zuge der rumänischen Landreform die Möglichkeit neuen Bodenerwerbs stark eingeschränkt war, sahen sich zahlreiche Krasnaer zur Auswanderung getrieben.
  

Die deutschsprachigen Zeitungen in den USA (Dakota-Rundschau, Der Staats-Anzeiger) berichteten zwischen 1925 und 1930 mehrfach über Auswanderungen aus Krasna. In den Artikeln werden viele Familien mit Namen aufgezählt, wird über Schwierigkeiten vor der Ausreise berichtet, werden Abreisedaten genannt und andere Informationen gegeben.
Im Jahr 1925 zog eine Partie von 25 Familien nach Brasilien. Im Jahre 1929 folgte eine zweite Gruppe dorthin. In demselben Jahr wanderten auch Familien nach Kanada aus.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es weitere Auswanderungen ehemaliger Krasnaer Bürger nach USA, Kanada.

Zusammengestellt von Ted Becker und Rosemary Ternes-Mack in den USA nach vorhandenen Unterlagen.
(Eine Garantie für Vollständigkeit oder Korrektheit im Einzelfall kann nicht gegeben werden. Auch nach der Umsiedlung im Jahre 1940 sind ehemalige Krasnaer nach Süd- und Nordamerika ausgewandert; diese Personen sind hier nicht erfasst)

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