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krasna:f-04-03-00

4.3 Landbesitzer und Landlose in Krasna

Landbesitz war für die Kolonisten von Krasna von der Gründung der Kolonie angefangen bis zu ihrer Umsiedlung im Jahre 1940 der entscheidende wirtschaftliche Faktor. Wer kein Land besaß, war, von wenigen Ausnahmen abgesehen, mehr oder weniger zwangsläufig zu einer bescheidenen Lebensführung verdammt, in vielen Fällen zu Armut.

Landmangel zwang denn auch schon ab etwa 1850 zur Abwanderung aus den Mutterkolonien. Die starke Vermehrung der Kolonisten und das Bestreben, allen Söhnen Land zu vererben, führte zu einem regelrechten „Landhunger“. Auch das Streben nach Besitzvergrößerung beherrschte eine breite Schicht der Kolonisten. Man kaufte oder pachtete „soviel wie nur möglich war“. Diese Haltung war für Krasnaer Bauern geradezu charakteristisch.
Bereits 1852 beantragte Krasna in einer Petition an den Präsidenten des Fürsorgekomitees zusätzliches Land1). Dem wurde wohl nicht stattgegeben, denn die Landmenge (Gemarkung) des Dorfes hat sich nach den verfügbaren Quellen nach diesem Zeitpunkt nicht erhöht. Es gibt auch keine Hinweise, daß Krasna woanders Land erhalten hätte.

Der seit etwa 1860 bestehende akute Landmangel erforderte die Suche nach Auswegen. Es sind dabei zwei Wege zu unterscheiden: zum einen der Wegzug aus Krasna, zum anderen das Verbleiben in Krasna. Viele der landsuchenden Krasnaer wählten wohl den ersten Weg, das heißt, sie kauften oder pachteten an anderen Orten Land.
⇒ weiteres siehe unter Ziff. 7.6 Aus- und Abwanderung aus Krasna

Für die Leute, die in Krasna blieben, beschränkten sich die Möglichkeiten darauf,

  • freiwerdende Stellen in Krasna zu erwerben oder Land außerhalb der Krasnaer Gemarkung zu kaufen bzw. zu pachten, um so eine eigene bäuerliche Wirtschaft betreiben zu können,
  • als „Anwohner“ auf einer Kleinwirtschaft zu wohnen und sich den Lebensunterhalt als Landarbeiter mehr schlecht als recht zu sichern oder
  • ein Handwerk zu erlernen.

Landerwerb

Für den Erwerb von Kronsland galten strenge Regeln (s. Ziff. 4.2 Landeigentums- und Erbrecht in Bessarabien). Darüber hinaus war es den Kolonisten freigestellt zur Vergrößerung ihrer Wirtschaft Land zu kaufen und überhaupt von Privatleuten Eigentum zu erwerben, hierfür galten die allgemeinen russischen Rechtsvorschriften, keine Sonderstellung der Kolonisten.
Da sich Tüchtigkeit und gute Zahlungsfähigkeit deutscher Siedler in Südrußland herumgesprochen hatten, wurden sie bei Grundstücksgeschäften oft bevorzugt oder gar als einzige Pächter und Käufer zugelassen. Allerdings wurde in späteren Jahren der Landerwerb für Deutsche zunehmend erschwert (s. russische Gesetze von 1887 und 1892; später rumänische Rechtsvorschriften).

Nach den vorliegenden Quellen haben Krasnaer Bauern erst spät angefangen, Privatland zu kaufen, eigentlich erst, nachdem ab 1871 das Kronsland in Privateigentum der einzelnen Bauern umgewandelt worden war (s. Ziff. 4.2 Landeigentums- und Erbrecht in Bessarabien). Zu diesem Zeitpunkt gab es vier Leute, die Land außerhalb der Krasnaer Gemarkung erworben hatten.

Ein Dokument vom 29. Mai 1885 hält fest, welchen Landbesitz die ehemalige Kolonie Krasna am 01. 07.1871 (Zeitpunkt der Umwandlung des Landes in Privateigentum) gehabt hat2).

  • „Siedler-Eigentümer auf einem Hof mit Feldern (Kronsland) 114 Höfe 395 Männer
  • Siedler ohne Land 238 Männer
  • Siedler ohne Kronsland, die Land außerhalb der Gemarkung gekauft haben 4 Männer

Die Siedlung besitzt 6641,3 Desjatinen kultivierten Landes und 268,9 Desjatinen nicht kultivierten Landes; insgesamt 6910,2 Desjatinen
P.S. Das Kirchenland ist 120 Desjatinen und liegt unabhängig vom zugewiesenen Land im südwestlichen Teil der Krasnaer Gemarkung.
Das beschriebene Land ist von Bauernwirtschaften belegt und durch Erbschaft an verschiedene Eigentümer der Siedlung gelangt; es wird mit Ausnahme des Landes für öffentliche Gebäude und Weideland, was 29,3 Desjatinen ausmacht, von den Siedlern benutzt.
Für das Recht, das zugewiesene Land dauerhaft zu benutzen, muß die Siedlung zum festgesetzten Termin die Staatssteuer von 2689 Rubeln und 73 Kopeken bezahlen.“

Im übrigen war die Folge des Bevölkerungswachstums von Krasna eine stetige Verkleinerung der dem einzelnen Bauern zur Verfügung stehenden Ackerfläche. Waren es am Anfang rund 58 Desjatinen (Ohne Hoffläche), so waren es 1871 in vielen Fällen nur noch 11,6 (ein Fünftel) oder 9,7 (ein Sechstel). Dieser Trend setzte sich bis 1940 fort. 1940 besaßen nur noch knapp 5% der Bauernstellen annähernd soviel Land wie jedem Ansiedler 1814 zugeteilt worden war.

Wie oben erwähnt, begannen die Krasnaer nach 1871 zusätzliches Land zu kaufen. Wir wissen nicht im einzelnen, wann weitere Ländereien erworben wurden. Aber es gibt einzelne Anhaltspunkte.

So kann man in der ‚Beschreibung der deutschen Kolonien des Akkermaner Kreises3)’ lesen:
„Bei der Ansiedlung wurde der Gemeinde ein Gesamtbestand von 6910 Desjatinen Land geschenkt. Im Jahre 1903 haben einige Kolonisten beim Erbgut Krasna 625 Desjatinen Land zu 300 Rubel pro Desjatine erworben. Heute (1913) befinden sich insgesamt 7535 Desjatinen Land in privatem Eigentum….“

Wo sich dieses Erbgut Krasna befunden hat, war (noch) nicht zu ermitteln. Belegt ist, daß Krasnaer Bauern Land östlich der eigenen Gemarkung kauften. Zwischen den Kolonien Klöstitz-Paris-Friedenstal-Lichtental war bei der Ansiedlung 1815 zunächst eine Landfläche von mehreren Tausend Desjatinen zum Zwecke späterer Aufteilung leergeblieben. Diese Ländereien und dazu noch einige gräflich-fürstliche Besitzungen wurden um 1850 und später von den Familien Hoffmann, Bodamer, Gerstenberger, Renz und Schimke aufgekauft und als große Güter bewirtschaftet. Ob Krasnaer Land aus der Masse dieser Güter pachteten und kauften (Entfernung nach Krasna etwa 10-25 km) ist nicht belegt, aber wahrscheinlich. Es gibt Unterlagen über den Erwerb von Land durch Krasnaer Bauern in den Gemarkungen Klöstitz und Paris. Krasnaer Bauern besaßen auch Kaufland in Neu-Paris und Friedenstal.

Im Zuge der rumänischen Landreform 1920/1921 mußten die oben genannten Großgrundbesitzer viele 1000 ha. für die Verteilung an sogenannte 6 ha.-Bauern zur Verfügung stellen. Ob daraus Krasnaer Landlose oder später durch Aufkauf von solchen Hektarbauern Krasnaer Großbauern Parzellen erhielten, war nicht zu ermitteln (s. Landreform weiter unten).

Fest steht aber, daß Krasnaer Landwirte schon vor 1906 Grundstücke in Rozinowka Scharg (Schag?) besaßen, was östlich von Krasna wohl im Tal des Flüßchen Schag lag und zu den Ländereien der oben genannten Güter gehörte. Ebenso belegt ist Krasnaer Besitz auf der sogenannten „Schreibersteppe“, was wohl zur Gemeinde Friedenstal gehörte. Wenn Krasnaer Bauern „auf der Stepp“ arbeiteten, blieben sie über Nacht dort, um sich die stundenlange Hin- und Rückfahrt zu ersparen. Dort gab es wohl bescheidene Unterkunfts- und Kochmöglichkeiten. Zur Erntezeit blieb man mehrere Tage auf der Steppe. Alois Leinz4) berichtet hierzu: „Als das Land in Krasna schon knapp geworden war, kauften mein Großvater Gottlieb Leinz und andere Bauern aus Krasna Land ‚auf der Stepp’, auch Schag genannt. Da diese Landfläche etwa 12 km von Krasna entfernt war, baute sich jeder der Bauern dort ein Wirtschaftsgebäude, das meist aus zwei oder drei Räumen, einem Stall und Schuppen bestand. Lediglich Martin Ternes hatte dort einen verhältnismäßig großen Hof erbaut, den sein Sohn Julius etwa zehn Jahre lang intensiv bewirtschaftete und auch dort wohnhaft war. Alle anderen benutzten ihre Wirtschaftsgebäude nur für die Zeit, in der sie ihr Land bearbeiteten. Sonst standen diese Gebäude leer. Weil sich dort mehrere Krasnaer breitmachten, nannte man diese Hofstellen auf der Steppe ‚Neu Krasna’. Amtlich dürfte es zu Neu Paris gehört haben.“

Nachdem die Krasnaer in den letzten Jahrzehnten unter russischer Herrschaft zusätzliche landwirtschaftliche Flächen erworben hatten, sahen sie sich in rumänischer Zeit zunehmend mit der Sorge konfrontiert, daß sie ihre Söhne nicht mehr durch Landkauf mit einem eigenen Hof ausstatten konnten. Zwar hatte die rumänische Regierung die Enteignung der Deutschen durch die russischen Liquidationsgesetze für nicht rechtskräftig erklärt. Aber mit den Folgen hatten viele Bauern noch jahrelang zu kämpfen, und bis zur Agrarreform nach 1920 konnten die Deutschen nicht frei über das Land verfügen.

Mit der Durchführung der Agrarreform 1920/1921 wurde ihnen dann zusätzlich ein schwerer wirtschaftlicher Schlag versetzt, von dem sich viele bis zuletzt nicht mehr erholten. Insgesamt wurden von deutschen Bauern in Bessarabien 64.177 ha enteignet, davon 8200 ha an deutsche Landlose vergeben. Diese neuen Landbesitzer wurden Hektarbauern genannt, zum Teil in sogenannten Hektargemeinden5) angesiedelt.

Von Krasnaer Landbesitzern wurden insgesamt 201 ha Land enteignet. Ob darin das enteignete Kirchenland enthalten ist, kann nicht gesagt werden. Vom Kirchenland, in russischer Zeit 123 Desjatinen, behielt die Gemeinde nach der Agrarreform 18 ha. Von dem Agrargesetz profitierten auch deutsche Landlose aus Krasna. Sie erhielten, wie im Staatsanzeiger vom 10. Mai 1921 nachzulesen ist, je 6 ha. Land in etwa 8,5 km Entfernung vom Dorf.

Häufig kauften die Geschädigten (die großen Bauern) Land auf ihre Frau oder ihre Kinder von Hektarbauern zurück, die sich außerstande sahen, die meist am Rande der Gemarkung und damit sehr weit entfernt liegenden Parzellen ohne eigenes Fuhrwerk zu bewirtschaften oder weil sie, das Steuernzahlen nicht gewohnt, sich schnell dieser Last entledigen wollten.

Man kann feststellen, daß die Maßnahme nicht sonderlich erfolgreich war. Für selbständige landwirtschaftliche Betriebe waren die Flächen zu klein, um eine Existenz zu sichern. Das Landlosenproblem konnte damit nicht zufriedenstellend gelöst werden.

Die Landreform beeinträchtigte überdies die wirtschaftlichen Wachstumschancen der deutschen Gemeinden. Da die Möglichkeit neuen Bodenerwerbs für die Folgezeit stark einschränkt blieb, sahen sich auch in Krasna zahlreiche Bauern zur Auswanderung getrieben.

Die verbleibenden Landwirte waren zunehmend gezwungen, nach neuen Wegen zu suchen, um vor allem die kleineren Familienbetriebe über Wasser zu halten; mit anderen Worten es wurde eine intensivere Bewirtschaftung der vorhandenen Flächen erforderlich. Ansätze dazu gab es seit etwa Mitte der Zwanziger Jahre.
⇒ weiteres hierzu s. unter Ziff. 4.1 Die Landwirtschaft in Krasna

Während der von 1927-1937 durchgeführten Landvermessung war es sogar gänzlich verboten, Land zu kaufen. In einem Vermerk des Auswärtigen Amtes in Berlin heißt es aufgrund von Berichten der Deutschen Botschaft aus Rumänien: „Die deutschen Bauern erhalten nur in den seltensten Fällen die behördliche Genehmigung zum Landkauf.“

Dennoch kauften die Krasnaer irgendwie weiter Land, vielleicht in manchen Fällen durch gewisse finanzielle Nachhilfen gegenüber rumänischen Beamten. Geltende Gesetze waren das eine, die Realität das andere; die Korruption war groß. Mit Geld ließ sich vieles erreichen, was rein rechtlich eigentlich nicht zulässig war. Insbesondere kaufte man in Krasna und in Nachbargemeinden Land

  • von Landwirten mit 100 ha., die nur einen Teil, vielleicht 50-60 ha., für sich selbst benötigten,
  • von 6 ha-Bauern, die ihr Land schon sehr bald wieder verkauften und als Tagelöhner arbeiteten,
  • von auswandernden Gemeindemitgliedern (s. Ziff 7.6 Aus- und Abwanderung aus Krasna).

Offensichtlich war es sogar möglich, die gesetzliche Vorschrift der Begrenzung auf 100 ha. zu umgehen, denn aus Berichten geht hervor, daß einzelne Bauern Krasnas um 1930 mehr als 100 ha Land besaßen.

Die Landmenge der Krasnaer Bauern betrug um 1940 insgesamt 9512 ha6), davon

  • um die Gemeinde Krasna (Gemarkung Krasna) 7532 ha,
  • in Rozinowka Scharg (Schag?) 436 ha,
  • auf der Schreibersteppe (Gemeinde Friedenstal) 327 ha,
  • in der Gemarkung Paris 554 ha,
  • in der Gemarkung Klöstitz 663 ha.

Der Grundbesitz von Krasnaern verteilte sich auf Bauernstellen wie folgt7):

  • 157 Bauernstellen (37,8%) besaßen unter 10 ha,
  • 141 34,0% 10-25 ha,
  • 96 23,1% 25-50 ha,
  • 15 3,6% 50-100 ha,
  • 6 1,5% über 100 ha.

Dies war die bedenkliche Folge der Realteilungen, die in rumänischer Zeit bedrohlich zunahmen. So verschoben sich die Betriebsgrößen weg von den ertragreichen Groß- und Mittelbetrieben hin zu weniger rentablen Mittel- und Kleinbetrieben, bzw. Nebenerwerbsbetrieben. Man sieht aus dieser Tabelle, daß nur knapp 5 % der Betriebe noch eine Größe hatten, die zum Zeitpunkt der Ansiedlung im Jahre 1814 alle Landwirtschaften besaßen.

Es zeichnete sich zunehmend die Tendenz ab, daß Leute aus der Landwirtschaft in andere Wirtschaftsbereiche überwechseln mußten. Wie ernst die Situation war, läßt sich an einem Schreiben des deutschen Gesandten Fabricius aus Bukarest vom 03.02.1939 an das Auswärtige Amt in Berlin ableiten, der berichtete, daß in Bessarabien unter den Volksdeutschen teilweise ein derartiger Mangel an Grundbesitz bestehe, daß die meist kinderreichen Familien sich z. Z. in schwerster wirtschaftlicher Not befänden und bereits von sich aus anfingen, ihre Siedlungsgebiete zu verlassen.

Nach einer Aussage im Zusammenhang mit der Kolonie Wittenberg konnte in Bessarabien Ende der 30er Jahre ein Bauer mit 15 ha. einigermaßen existieren und ab ca. 37 ha Land und mehr ein angemessenes Einkommen erwirtschaften. Diese Größenordnungen dürften auch für Krasna gegolten haben. Wir sehen aber aus obiger Tabelle, daß mehr als zwei Drittel aller Krasnaer Bauern diesen Wert nicht erreichten.

Untergliederung der Bauernfamilien von Krasna nach dem Besitzstatus, Stand 19408).

Kategorien von Bauernfamilien Zahl der Familien Zahl der Seelen
Bauernfamilien mit eigenem Land 446 2148
Bauernfamilien mit gepachtetem Land 56 300
Abhängig beschäftigte Familien 67 277
Insgesamt 569 2725

Landpacht

Neben den Landkauf trat noch die Pacht landwirtschaftlicher Nutzflächen. Nach Aufhebung der Leibeigenschaft russischer Bauern (1860) kamen zahlreiche Großgrundbesitzer nicht mit der neuen Wirtschaftsweise – ohne Leibeigene – zurecht und verpachteten große Teile ihres Grundbesitzes. Dies wurde eine zusätzliche beachtliche Quelle, aus der bäuerliche Wirtschaften, auch solche von Kolonisten, schöpfen konnten.

Auch Bauern aus Krasna pachteten Land, aus welchen Gründen auch immer, manche, weil sie ihre Anbaufläche vergrößern wollten, manche weil sie kein eigenes Land besaßen. 1940 gab es in Krasna 56 Bauernfamilien mit gepachtetem Land.

Das Land wurde sowohl in der eigenen Gemarkung als auch in Nachbardörfern gepachtet. Üblich war bei der Pacht das „Um die Hälfte säen“, was bedeutete, daß die Landwirte von dem Ertrag die Hälfte an den Eigentümer der Parzelle als Pachtzins abgeben mußten. Diese für den Bearbeiter ungünstige Regelung war in Bessarabien allgemein üblich, auch bei den Krasnaer Bauern.

Landlose und abhängig Beschäftigte

Unter unseren Voreltern befanden sich bei der Ansiedlung 1814-1815 auch unverheiratete Männer und Frauen, die mit ihren Verwandten hierher gekommen waren. Sie erhielten kein Land, nur einen Hof, meist am Ende des Dorfes, auf dem sie ihre kleinen Häuschen erbauten, deshalb der Name Kleinhäusler, auch „ Anwohner “ genannt. Es waren meist arme Leute: Handwerker, Tagelöhner, Hirten. Ergänzt wurde die Hierarchie durch „Einwohner“, Landlose, die nicht einmal einen eigenen Hof hatten.

Außer diesen eingewanderten Landlosen gab es bald nach der Ansiedlung aufgrund der geltenden Erbregelung (Minorat) solche aus der Reihe der Landbesitzer. Zu diesen kamen jene, die durch Unglück, schlechte Wirtschaft oder aus anderen Gründen ihre Wirtschaft wieder verloren hatten. So entstand in den Kolonien allmählich eine Klasse von Landlosen, die sich schnell vermehrte.

Schon 1827 sollen in deutschen Dörfern Bessarabiens 266 Kolonisten Handwerker gewesen sein, die keinen Bauernhof besaßen9). Die gleiche Statistik weist für Krasna 22 Familien mehr aus, als Höfe vorhanden waren. Da eine Aufteilung des Landanteils unter den Erben durch Gesetz ausgeschlossen war, wuchs die Zahl der Kolonisten die kein eigenes Land erbten. 1857 gab es in Südrußland und Bessarabien 9273 Familien mit Land und 6281 landlose Familien. In den Bezirken Malojaroslawetz und Klöstitz übertraf schon damals die Zahl der Landlosen jene der Landbesitzer. In Krasna haben wir Zahlen für 1871: 395 männliche Personen mit Land, 238 ohne Land10).
1912 lebten laut Conrad Keller11) in Krasna 54 landlose Familien. Diese Gruppe ist bis 1940 auf 67 Familien gestiegen (s. Tabelle oben ‚Untergliederung der Bauernfamilien’).

Es war kaum möglich, ein gutes Auskommen zu erzielen, wenn man nicht über Landbesitz verfügte, abgesehen von wenigen Ausnahmen wie Pfarrer, Lehrer, Kaufmann, Mühlenbesitzer.

Ein Teil der Landlosen behalf sich damit, bei den Eltern oder glücklicheren Brüdern ein Stück Land zu pachten und bei der Ernte mitzuhelfen. Andere erlernten ein Handwerk und übten es entweder im Heimatdorf oder in einer südrussischen Stadt aus, ohne auf den Kolonistenstatus zu verzichten. Der Rest mußte sich als Knecht, Tagelöhner oder Magd bei wohlhabenden Bauern verdingen oder versuchen, auswärts an Land zu kommen.

Für den, der in den Kreis der Kleinbauern, Landlosen, Schwachen, Kranken und Behinderten abgerutscht war, gab es kaum eine Möglichkeit, sich wieder herauszuarbeiten. Arbeit außerhalb der Landwirtschaft gab es so gut wie gar nicht. Ledige hatten die Möglichkeit als Knecht oder Magd bei größeren Bauern einen Arbeitsplatz zu finden. Ein verheirateter Mann konnte sein Brot nur als Tagelöhner in den Sommermonaten verdienen. Verheiratete Frauen hatten es noch schwerer; ihnen blieb nur der Ausweg als Aushilfe beim Waschen und Maishacken. Daneben konnten sie allenfalls durch Näharbeit, Stricken und Spinnen ihr Haushaltsgeld etwas aufbessern.

Bauern, die keine erwachsenen Söhne oder Töchter hatten, mußten sich Dienstboten halten, um ihre landwirtschaftlichen Arbeiten bewältigen zu können. Es war üblich, Knechte und Mägde auf ein Jahr einzustellen („zu dingen“). Schon einige Zeit vor Beginn des neuen Jahres sahen sich die Bauern nach ihnen geeignet erscheinenden Dienstkräften um, wenn man nicht den oder die derzeit beschäftigten behalten wollte oder konnte. Am liebsten nahmen sie Leute aus Krasna. War man sich mit einem Bewerber einig (mündliche Absprache), so erhielt er üblicherweise ein Handgeld, und damit war in russischer Zeit der Vertrag besiegelt. In rumänischer Zeit ging es bürokratischer zu. Es mußte ein schriftlicher Vertrag geschlossen werden über das Arbeitsverhältnis. Es bestehen allerdings Zweifel, ob in Krasna sich alle an diese Vorschrift gehalten haben.

Dienstboten und Tagelöhner erhielten neben der Geldentschädigung freie Kost. Sie aßen üblicherweise mit der Familie des Hauswirts an einem Tisch.
Tagelöhner und Tagelöhnerinnen wurden hauptsächlich zu Saisonarbeiten eingesetzt (Maishacken, Weinberghacken etc.). Dazu kamen vor allem Bulgaren und Moldauer aus den Nachbardörfern.

Aber auch deutsche Landlose oder Handwerker mußten sich ganzjährig oder zeitweise verdingen, um den Lebensunterhalt zu verdienen.

Hier zwei Beispiele zur Situation auf dem Arbeitsmarkt für Tagelöhner

  • Im Herbst 1910: Tagelöhner waren rar und teuer in diesem Jahr. Ein Tagelöhner erhielt pro Tag 1 Rubel 50 Kopeken. Saisonarbeiter für die Ernte und das Dreschen bekamen 90-115 Rubel12).
  • Der Lohn für Helfer in der Ernte- und Dreschzeit war (1929) zwischen 2.000 und 4.000 Lei, abhängig von der Hofgröße (größere Höfe zahlten im allgemeinen etwas besser). „Wenn nicht so viele Fremde gekommen wären, hätten die Löhne wahrscheinlich bei 4.000 bis 8.000 Lei gelegen. Der Andrang russischer Arbeiter von entfernt liegenden Orten war so groß, daß sie einfach alles überrannten“13).

Höher lagen die Löhne 10 Jahre später auch nicht (um 30 Lei pro Tag). Es war ein Hungerlohn, wenn man bedenkt, daß 1939 zehn Hühnereier 5 - 10 Lei kosteten.

Während abhängig Beschäftigte in normalen Jahren wenigstens noch etwas zu ihrem Lebensunterhalt verdienen konnten, gab es auch Gruppen, die gänzlich auf andere angewiesen waren. Hierzu zählten arme Waisen und Alte bzw. Kranke, die keine Verwandten hatten, die sie unterstützten. Waisen, die über kein Vermögen verfügten, kamen zu Verwandten oder Bekannten und blieben dort bis sie etwa 15 Jahre alt waren. Dann, zum Teil auch schon früher, mußten sie harte Arbeit leisten.

In der Katzbach-Chronik14) kann man dazu lesen: „Wir haben im Dorf viele Landlose. Es sind arme Leute, die ein Handwerk betreiben oder/und als Tagelöhner ihr Leben fristen. Zwar haben viele von ihnen in rumänischer Zeit etwa 3 ha. Land erhalten, aber meist liegt es zu weit weg, um es bearbeiten zu können. Bisher leben aber Arme und Reiche noch friedlich beieinander.“

Es gab auch in Krasna viele arme, sehr arme Leute, die in schlechten Erntejahren und in Jahren, in denen das Handwerk nichts abwarf, hungerten. Hier wird beispielhaft beschrieben, wie sie sich selbst behalfen und wie andere ihnen halfen:

  • Es wird berichtet, daß Arme um Battelschannebrie (Brühe von eingelegten Tomaten) bettelten oder um Fleischbrühe nach dem Schlachten.
  • Manche kamen mit kleinen Tellern und bettelten um Mehl, das sie dann aus den Gefäßen der Bauern mit ihren kleinen Tellern in einen um die Schultern vor die Brust gehängten Sack füllten.
  • Kaspar Ternes15): „Obwohl die Höfe durch Erbteilung stetig kleiner wurden, hatten doch fast alle Bewohner ein gutes Auskommen. Aber – es soll nicht verschwiegen werden – es gab auch arme Leute in Krasna, um die sich weder Staat noch Kirche kümmerten. Mir klingt der Satz der armen Frau … noch in den Ohren, als sie kurz vor Weihnachten meine Mutter aufsuchte: ‚Applan, wir haben nichts mehr zu essen, wir müssen verhungern’. Die Familie durfte mit Mutters Hilfe ein sattes Weihnachtsfest feiern; man schrieb das Jahr 1927/28.“
  • Der Staats-Anzeiger (North-Dakota) vom 14. 12. 1928 druckte einen Brief aus Krasna ab „Trotz wiederholtem Schreiben an meine Freunde in Amerika habe ich keine Antwort erhalten. Jetzt will ich es über den Staats-Anzeiger versuchen, der in Nah und Fern gelesen wird…. Wir möchten sie wissen lassen, daß wir in großer Not sind. An manchen Tagen sind wir ohne Brot und wir leiden Hunger. Besonders die Kinder sind zu bedauern. Sie schreien nach Brot, aber da ist nichts, was wir ihnen geben können. Die Not wird noch größer werden, wenn erst der Winter beginnt, besonders, wenn er kalt wird. Wir sind sieben Leute in meiner Familie, und wir haben nichts zu essen. Vielleicht, liebe Freunde, könntet ihr unsere Not mit ein paar Dollar etwas lindern. Gott wird euch belohnen.“
  • Die Dakota Rundschau berichtet am 28. 08. 1931 aus Krasna: „Wir sind hier in ein solches Fahrwasser geraten, daraus schlecht herauszukommen ist. Die Getreidepreise sind schrecklich niedrig und daher die Geldknappheit schrecklich groß. Auch hier in den Dörfern machen sich Arbeitslose bemerkbar, die sich nicht mal zur Erntezeit was verdienen können. …Manche gehen aufs Feld Ähren sammeln.“

Abschließend muß festgestellt werden, daß die örtliche Wirtschaft nicht mehr lange in dem bisherigen Umfang auf Grundbesitz hätte gegründet werden können. Es waren dringend neue Ansätze notwendig, um den Menschen ein Auskommen zu sichern. Landbesitz allein reichte nicht mehr aus.

1)
Odessa State Archive, Fond 6, Inventory 3, File 15387
2) , 10)
State Archive of Odessa Region, Odessa; Fond etc. not identified
3)
Beschreibung der deutschen Kolonien des Akkermaner Kreises. Die Akte firmiert unter „Akkermaner Isprawnik [Kreispolizeichef] Nr. 930 27. Januar 1913“ Eine Kopie dieser Akte –in russischer Sprache- aus dem Staatsarchiv der Republik Moldau in Kischinew befindet sich im Archiv des Heimatmuseums der Deutschen aus Bessarabien
4)
Leinz, Alois, Mein Vater erzählte, in Heimatbuch, 25 Jahre nach der Umsiedlung, 1965, S. 308
5)
Als Hektargemeinden oder Hektardörfer werden, die ab 1920 durch die Agrarreform entstanden Orte genannt, in denen sich Landlose Deutsche, aber auch Leute anderer Nationalität ansiedeln konnten. Der Ausdruck kommt von der Zuteilungsquote von Land für die Hektarbauern
6)
Eduard Ruscheinsky: Die katholische Diasporagemeinde Krasna/Bessarabien. Vor dem herannahenden Gewitter des Zweiten Weltkrieges (1939-1940), Heimatbuch der Bessarabiendeutschen 1960, S. 7
7)
Quelle Kräenbring. A. , Vor 150 Jahren, Heimatkalender der Deutschen aus Bessarabien 1964, S. 20
8)
Aufstellung des Bessarabischen Büros für Statistik und Familienberichte, Abteilung Landwirte Misc DAI - T81 598 [frame 5386042-604]
9)
Statistische Beschreibung Bessarabiens und des sogenannten Budschaks” aufgestellt in dem Jahren 1822-1828. Stuttgart, Mühlacker: Heimatmuseum der Deutschen aus Bessarabien, 1969
11)
Keller, Konrad, Die Kolonie Krasna in Bessarabien; abgedruckt in Heimatbuch der deutschen Umsiedler aus Bessarabien, Leutesdorf 1958
12)
Der Staats-Anzeiger, 8 Dezember 1910
13)
Der Staats-Anzeiger, 29 Dezember 1929
14)
Winger, Arnold, Chronik der Gemeinde Katzbach, Kreis Akkerman, Bessarabien, in Deutscher Volkskalender für Bessarabien 1929, S. 9
15)
Ternes, Kaspar und Hein, Alex, Überlieferungen aus der Zeit der Umsiedlungen und der Zeit danach. In: Jahrbuch der Deutschen aus Bessarabien. Heimatkalender 2002. 53.Jg.S.127-129
krasna/f-04-03-00.txt · Zuletzt geändert: 2019/05/22 13:17 von Otto Riehl Herausgeber