1) Nach der Ermordung Alexanders II. im Jahre 1881 und der Thronbesteigung Alexanders III. (1881-1894) wurde die Russifizierung verstärkt fortgesetzt; Nationalismus wurde zur Staatsdoktrin.
Zwar kamen die Deutschen in Bessarabien mit den anderen dort lebenden Nationalitäten gut zurecht (s. Ziff. 7.1 Die Krasnaer Kolonisten und ihr Verhältnis zu anderen), aber um den Thron fiel der Deutschenhaß der Panslawisten auf fruchtbaren Boden, er wurde systematisch geschürt. Die Deutschen wurden als Eindringlinge und Schädlinge verschrien. Die „Slawophilen“ (Denkrichtung, die sich auf die russische Tradition berief – im Gegensatz zu den „Westlern“, die für die Übernahme westlicher Ideen eintraten) sahen die Gefahr einer Germanisierung der Grenzgebiete Rußlands (wo die meisten Deutschen wohnten) und forderten eine Verdrängung der deutschen Bauern.
1887 erschien das Manifest Alexanders III. „Russland muß den Russen gehören“. Das Fremdengesetz von 1887 hat dieser Forderung entsprochen. Es schränkte den Erwerb von Immobilien durch Ausländer zeitweilig ein. Es traf zunächst nur die Wolyniendeutschen, wurde dann 1892 auf alle Deutschen ausgedehnt, aber aus wirtschaftlichen Gründen bald wieder gelockert.
Die deutschfeindliche Stimmung hielt jedoch an und führte zur Russifizierung des deutschen Schulwesens (1891). Russisch wurde als Unterrichtssprache an deutschen Schulen in Rußland eingeführt, auch in Krasna (s. Ziff. 5.2 Die Schule in Krasna).
Eine weitere Welle des „Russismus“ setzte 1893 ein. Die Namen der deutschen Siedlungsgebiete (Dörfer) wurden teilweise russifiziert. Natürlich benutzten die Deutschen weiterhin die bisherigen Namen.
Nikolaus II. (1894-1917) setzte in seiner Regierungszeit die fremdenfeindliche Politik fort. Doch trotz aller geschilderten Maßnahmen läßt sich die Lage der Bessarabiendeutschen bis zum 1. Weltkrieg insgesamt als befriedigend beschreiben. Die verstärkte Aus- und Abwanderung aus Krasna zwischen 1880 und 1914 zeigt aber auch, daß Probleme bestanden.
Die Niederlage Rußlands im Russisch-japanischen Krieg 1904-1905 führte zu einer gewissen innenpolitischen Liberalisierung2). Die Stolypinsche Landreform3) machte die Bauern endgültig zu vollgültigen Eigentümern ihrer Parzellen (s. Ziff. 4.2. Landeigentums- und Erbrecht in Bessarabien). Vereine und Genossenschaften durften gegründet werden. Dadurch kam es zu einem wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung in den deutschen Dörfern, der bis zum ersten Weltkrieg andauerte.
Man kann das in Krasna bestätigt finden. Eduard Ruscheinsky schreibt4): „Vom Jahre 1906 begann für Krasna der Aufstieg in der Landwirtschaft. …Von dieser Zeit an begann auch der Landpreis stark zu steigen. Man bezahlte von da an bis 1914 für eine Desjatina 200 bis 300 Rubel…. Im Jahre 1910 fühlten sich die Bauern aus Krasna so gut auf den Füßen, daß vier Wirte sich Dampfdreschmaschinen kauften. Einen großen Teil des Wohlstandes verschlang nachher der Weltkrieg durch seine verschiedenen Einquartierungen, Requirierungen und Mobilisierungen der besten Arbeitskräfte und die allgemeine Geldentwertung.“