Im Rahmen der sich überstürzenden Ereignisse, die zum Ersten Weltkrieg führten, erklärte Deutschland am 01. August 1914 Rußland den Krieg. Waren die Deutschen in Rußland schon vorher Diskriminierungen ausgesetzt, so begannen jetzt russische Politiker und die russische Presse offen Haß gegen alles Deutsche zu predigen. Die Rußlanddeutschen waren Belästigungen und Beschränkungen, Ungerechtigkeiten und auch in vielen Fällen Gewalt ausgesetzt. Die nationalistische Verhetzung ließ die Situation der Deutschen in Rußland zum ersten Mal als wirklich gefährlich erscheinen. Die Worte des russischen Ministerpräsidenten Goremykin1) sprechen für sich: „Wir führen Krieg nicht nur gegen das Deutsche Reich, sondern gegen das Deutschtum überhaupt.“
Die Deutschen wurden vom ersten Tag des Krieges an in die russische Armee eingezogen. Sie standen loyal zum russischen Reich und erfüllten trotz aller Anfeindungen ihre Pflicht. Nach den ersten Niederlagen im Jahr 1914 wurden Verdächtigungen laut, daß daran die Rußlanddeutschen (auch die in Bessarabien) schuld seien. Die meisten der Rußlanddeutschen in der Zarenarmee wurden deshalb von der Westfront gegen Deutschland/Österreich abgezogen und an die türkische Front im Kaukasus verlegt. Hier fielen rund 40.000 Rußlanddeutsche, darunter auch viele Krasnaer (s. Ziff. 4.11 Militärdienst und Kriegszeiten).
Auch in den deutschen Dörfern Bessarabiens und damit auch in Krasna verschlechterte sich die Lage mit Beginn des 1. Weltkrieges schlagartig, Repressalien setzten ein:
Aus einem Brief aus Krasna vom 11.12.1914 an den Staatsanzeiger in North Dakota können wir etwas zur damaligen Situation in Krasna entnehmen (s. auch Ziff. 4.11. Militärdienst und Kriegszeiten).
Liebe Kinder! Eueren Brief haben wir erhalten und gesehen, daß ihr gesund seid… Ja, liebe Kinder, danket dem lieben Gott, daß ihr aus Rußland, dem Elend, fort seid. Ja, alle sind schon fort in den Krieg…Wo man hinschaut sieht man tiefbetrübte Frauen mit ihren Kindern. …..Liebe Kinder, mit einem Wort gesagt, es ist traurig…Ich darf nicht mehr darüber schreiben. Auch wir sind nicht sicher, ob wir sitzen bleiben dürfen oder nicht. Alles ist in Aufruhr. Liebe Kinder, wir Deutsche dürfen kein Wort deutsch mehr sprechen, weder im Dorfe noch auf dem Markt. Wenn 3 oder 4 Mann beieinander stehen und sprechen deutsch, werden sie streng
bestraft. ….“
Es soll aber der Hinweis nicht fehlen, daß nicht alle Russen von Haß gegen die Deutschen erfüllt waren. Es gab auch Leute, die sich den drakonischen Maßnahmen gegen die Deutschen widersetzten und ihnen freundlich gesonnen waren.
Den Höhepunkt der Diskriminierung bildeten ohne Zweifel die Liquidationsgesetze vom 15. Februar und 2. Dezember 19152). Sie beinhalteten faktisch die Enteignung aller deutschen Ansiedler in Südrußland, auch in Bessarabien. Die Kolonisten sollten innerhalb von zehn beziehungsweise 16 Monaten ihren Grundbesitz verkaufen/versteigern. Das Land erhielt die staatliche Bauernbank in Odessa. Herbert Gäckle schreibt3): „Am 14. Dezember 1915 ließ der russische Gouverneur unsere Gemarkung (Alt-Posttal) versteigern, die von der Bauernländerbank erworben wurde. Erst nach dem Revolutionsausbruch im März 1917 sind die weiteren Vollstreckungen eingestellt worden.“ Wir können wohl davon ausgehen, daß die Situation in Krasna ähnlich war.
Zusätzlich drohte den Deutschen die Umsiedlung nach Sibirien. Dafür waren die Vorbereitungen im Jahre 1916 bereits getroffen4). Nur weil die Versorgung der Front Vorrang hatte, erlaubte die Regierung den deutschen Bauern, auf dem enteigneten Land die Ernte einzubringen. Als Zeitpunkt für die Zwangsumsiedlung war der Winter 1916/1917 vorgesehen.
Am 08.11.1916 wurde den Deutschen in Bessarabien ihre vorgesehene Deportation bekanntgegeben. Albert Rüb schreibt dazu5): „Vorgesehen war der 17. Januar 1917. Die Vorbereitungen liefen schon im November 1916 an. Unter der deutschen Bevölkerung lösten die Anordnungen, alle dazu notwendigen Vorkehrungen zu treffen, einen Schock aus. Der Auszug mitten im Winter ohne die einberufenen Männer wäre zu einer Katastrophe geworden. Der starke Schneefall, der in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember 1916 einsetzte und auch an den folgenden Tagen anhielt, ließ die Bessarabiendeutschen hoffen. Mitte Januar erreichte sie die erlösende Nachricht, daß die Deportation auf unbestimmte Zeit verschoben sei. Durch den Zusammenbruch der russischen Front auf der Linie Tschernowitz-Ismail bemächtigten sich zurückflutende Truppen der Eisenbahnwagen, die für die Deportation der Bessarabiendeutschen bereitgestellt worden waren. Der Ausbruch der russischen Revolution im März 1917 begrub endgültig das menschenunwürdige Ansinnen der zaristischen Führung Rußlands.“
Es war nicht zu ermitteln, wie weit die entsprechenden Planungen für Krasna gediehen waren. Man darf aber annehmen, daß sie analog zu dem Stand der anderen Orte einzuschätzen sind. Es ist einigermaßen erstaunlich, daß aus schriftlichen Aufzeichnungen über Krasna zu diesem für die dortigen Menschen doch sehr bedeutsamen Aspekt nichts überliefert ist. Es gibt eine kleine Andeutung in einer deutschsprachigen US-Zeitung6): „…Gegenwärtig arbeitet man, wie wir vernehmen, im Ministerium daran, uns Deutsche in Bessarabien gewissermaßen zu enterben. Hoffen wir, dass es nicht so weit kommen möge…“
Daß es nicht zur Deportation der Bessarabiendeutschen kam, ist allein den sich überstürzenden Ereignissen am Ende des Ersten Weltkrieges zu danken. Am 16. 03. 1917 (nach russischem Kalender am 03.03.7) ) mußte Nikolaus II. im Rahmen der Februar-(März) Revolution abdanken. Die provisorische Regierung Kerenski, obwohl selbst gegen die Deutschen eingestellt, setzte die Gesetze außer Kraft, hob sie aber nicht auf. Dies tat später der rumänische König. Mit den Folgen der Enteignung hatten die Deutschen noch jahrelang zu kämpfen.
⇒ s. Ziff. 2.4.1. Rumänisches Bessarabien, die Zwischenkriegszeit (1918-1940)
Am 14. Mai 1917 wurde die Öffnung der deutschen Schulen ab dem neuen Schuljahr wieder bewilligt, Deutsch als Unterrichtssprache erlaubt.
Am 25. 10. Oktober 1917 eroberten dann die Bolschewisten die Macht (Oktoberrevolution). Die Bolschewisten begannen in deutschen Dörfern (aber nicht nur dort) zu plündern, zu requirieren und Eigentum zu konfiszieren. In der bessarabischen Hauptstadt Kischinew bildete sich nach Ausbruch der russischen Revolutionswirren ein Landesrat (Sfatul Ţărei), eine nationale Volksversammlung. Der Landesrat übernahm im November 1917 die Regierung; am 2. Dezember 1917 erklärte er Bessarabien zur autonomen Moldauischen Republik. Die Verhältnisse im Lande waren chaotisch, denn die russische Front des Ersten Weltkrieges hatte sich aufgelöst und Armeeeinheiten zogen auf dem Heimweg plündernd durch Bessarabien. Des Weiteren hatten Bolschewiken am 5. Januar 1918 Kischinew besetzt. Der Landesrat rief Rumänien um militärischen Beistand an, und die einmarschierten rumänischen Truppen (Januar 1918) stellten die Ordnung wieder her. Nachdem rumänische Truppen Kischinew und die Kreisstadt Akkerman eingenommen hatten (März 1918), konnte die Bevölkerung in Bessarabien erst einmal aufatmen.
Schon am 07. 02. 1918 hatte der Landesrat angesichts der bestehenden Situation eine Loslösung von Rußland beschlossen und eine Unabhängige Moldowanische Republik ausgerufen. Am 9. April 1918 (russischer Kalender: 27. März) erklärte Bessarabien den Anschluß an Rumänien.
⇒ s. Ziff. 2.4.1. Rumänisches Bessarabien, die Zwischenkriegszeit (1918-1940)
Wenn man sich die Situation der Bessarabiendeutschen und der Krasnaer vor Augen führt, so zeigt sich ein sehr trauriges Bild am Ende des Krieges. Die Deutschen standen vor dem wirtschaftlichen Ruin: unbebaute Felder, in vielen Ställen kein Vieh mehr, die Ernährer und Versorger im Krieg gefallen oder noch in Gefangenschaft.