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krasna:f-04-11-00

4.11 Militärdienst und Kriegszeiten

Russische Zeit

Laut Aufruf des Zaren vom November 1813 waren die Kolonisten vom Militärdienst frei. Nur in Kriegszeiten mußten sie durchziehenden russischen Truppen Unterkunft gewähren, sie beköstigen und verschiedene Fronarbeiten leisten. Eine Bestimmung dieses Inhalts war auch in dem Kolonistengesetz 1854 enthalten.

Schon 14 Jahre nach der Ankunft in Krasna bekamen die Kolonisten während des russisch türkischen Krieges 1828/1829 diese Regelung empfindlich zu spüren. In einem Manifest vom 14. April 1828 erklärte Zar Nikolaus I. der Türkei den Krieg. Um dem nach Süden vorrückenden Heer von ca. 130.000 Mann die notwendige Unterstützung leisten zu können, wurden alle Kolonisten in Südrußland angewiesen, eine bestimmte Anzahl von Fuhrwerken in Bereitschaft zu halten, um Transportaufgaben übernehmen zu können. Einquartierungen, Spanndienste, Bereitstellen von großen Futtermengen belasteten die Kolonisten sehr, gerade in einer Zeit, als sie sich allmählich wirtschaftlich zu festigen begannen.

Von den den bessarabischen Kolonisten aufgebürdeten Lasten künden denn auch alte Dokumente.

  • E. Ruscheinsky berichtet für Krasna, daß der russisch-türkische Krieg den Kolonisten Einquartierungen und Sachopfer brachte.
  • Laut Katzbach-Chronik hatten die Leute viel zu leiden von russischen Truppenteilen auf dem Durchmarsch, durch Einquartierung, Lieferungen und Vorspann.
  • Der Gemeindebericht von Alt-Posttal meldet, daß die Kolonisten beim Durchmarsch der russischen Truppen manche Einbußen in Form von Lieferungen, Quartiergebung, Vorspann erlitten.

Besonders schwer waren die Kriegslasten während des Krimkrieges 1853-1856. Monatelang waren ganze Regimenter in deutschen Dörfern einquartiert. Die deutschen Kolonisten mußten Pferde, Ochsen, Wagen und Fuhrleute (sogenannte Pogonzi) stellen, auch Lebensmittel und Viehfutter. Als Anerkennung dafür wurden mehr als 50 Schulzen und Kolonisten vom Zaren ausgezeichnet. Darunter war ein Fuhrmann aus Krasna, wie wir dem Bericht E. Ruscheinskys entnehmen1): „Als der Schreiber geendet hatte, rief der Oberschulz Karl D. vor und heftete ihm eine Medaille auf die Brust. Es war eine Auszeichnung für tapfere Abwehr eines Überfalles auf die von Karl angeführte Wagenkolonne beim Nachschub im Krimer Krieg. Der ganze Hergang war in kurzen Worten in dem Verleihungsschreiben, das ebenfalls vorgelesen wurde, dargestellt. (Im Krimer Krieg brauchten die deutschen Kolonisten noch keine Soldaten zu stellen).“
In dem Zarenaufruf von 1813 war den Kolonisten ein für allemal Freiheit von der Rekrutenaushebung versprochen worden, also auf ewig. Die Ewigkeit war schon nach knapp 60 Jahren zu Ende. Am 13. 01. 1874 erließ Zar Alexander II. sein Manifest über die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht im Zuge einer Umstrukturierung des Militärwesens. Von nun an wurden die Kolonistensöhne zum russischen Heer einberufen. Dieser Wortbruch der russischen Regierung rief große Bestürzung und Entrüstung in den deutschen Gemeinden hervor. Viele zogen die Auswanderung dem Militärdienst vor.
Die Wehrpflicht traf die Bauern, die auf die Mitarbeit ihrer Söhne angewiesen waren, hart. Die Situation milderte sich etwas, als sich herausstellte, daß nicht alle Burschen eines Jahrgangs eingezogen werden konnten. Zum anderen bestand ein System des Freikaufs vom Militärdienst (s. unten).

Schon gleich 1874 erfolgten die ersten Einberufungen von Kolonisten. Der Wehrdienst dauerte je nach Waffengattung vier bis fünf Jahre, manchmal noch länger. Der Dienst in der Zarenarmee war sehr hart, besonders wenn der Rekrut kein eigenes Geld mitbrachte, mit dem er seine Kleidung und sein Essen etwas aufbessern konnte. Wenn die Kaserne im Fernen Osten lag, reichte der Urlaub fast nicht für die Heimfahrt, so daß manche Kolonistensöhne während ihrer mehrjährigen Dienstzeit kaum einmal nach Hause kamen.

Ausbildungsnachweise verkürzten die Militärzeit: Wer die Volksschule beendet hatte, diente vier Jahre. Für Soldaten mit höherem Schulabschluß reduzierte sich die Dienstzeit noch weiter. Auch durch Geld konnte die Zeit beim Militär verkürzt werden. Das nutzten die wohlhabenden Bauern, auch in Krasna.

Alljährlich fanden Musterungen statt. Da die russische Armee nicht den ganzen Rekrutenjahrgang benötigte, gab es verschiedene Arten von Freistellungen. Z.B. waren einzige Söhne und Söhne von alten, kranken Vätern freigestellt. Wer nicht freigestellt war, nahm an der sogenannten „Losung“ teil. Aus einer Trommel zog jeder ein Los. Einberufen wurden alle Musterungsteilnehmer von Nummer 1 bis zur vorgegebenen Zahl der einzuberufenden Rekruten. Wer eine höhere Nummer gezogen hatte, hatte Glück und brauchte nicht zu dienen. Später gab es allerdings keine Auslosung mehr; alle jungen Männer eines Jahrgangs mußten dienen.

Musterungsort für die Kolonien der Bessarabiendeutschen wurde Klöstitz, ein Nachbarort Krasnas. Das blieb so bis zum 1. Weltkrieg. Wie es in diesem Rekrutierungszentrum bei der jährlichen Musterung zuging, kann man in zwei Büchern nachlesen:

  • Mammel, Arnold, Das Bild der Heimat: Beiträge zur Geschichte der Kolonie Klöstitz in Bessarabien, 1964, S. 80 ff.
  • Becker, Jakob, Wie’s daheim war. Der Schicksalsweg der Bessarabiendeutschen, 1950, S. 102 ff..

Am Russisch-türkischen Krieg 1877-1878 mußten erstmals Kolonistensöhne als Wehrpflichtige teilnehmen. Es ist anzunehmen, daß darunter auch Krasnaer waren, aber Namen sind nicht bekannt.
In der Heimat mußten die Kolonisten beim Transport von Truppen und Material helfen, E. Ruscheinsky: „Der russisch-türkische Krieg im Jahre 1877 brachte den Krasnaer Kolonisten Einquartierungen und Sachopfer.“ Außerdem stellte jede Gemeinde eine Anzahl sogenannter „Barmherziger Brüder“ zur Pflege der Kranken und Verwundeten.

Am Russisch-japanischen Krieg 1904/1905 nahmen Krasnaer teil. Die Namen der Gefallenen sind uns überliefert2): Es sind: Anton Bugolowsky, Christian Löb, Klemens Müller, Zachäus Schlick, Josef Volk. Sie fielen in der Mandschurei oder sonstwo, weit weg. Einquartierungen und Frondienste in den bessarabischen Dörfern gab es nicht.

Im 1. Weltkrieg 1914-1918 wurden die Deutschen wieder zu den Waffen gerufen, und zwar wurde gleich zu Anfang (am 30. Juli bis 17.August alten Stils) die gesamte Reserve eingezogen. Ihr folgten nach und nach mehrere Jahrgänge bis zum Alter von 43 Jahren. Man kann davon ausgehen, daß in Krasna zwischen 200 und 300 Männer betroffen waren. Anfangs standen die Kolonistensöhne größtenteils an der Westfront.

Abb. 61: Magnus und Johann Steinke 1907
Abb. 62: Ed. Löb 1915 als russischer Soldat

Nach den ersten Niederlagen im Jahr 1914 wurden Verdächtigungen laut, daß daran die Rußlanddeutschen schuld seien. Viele Rußlanddeutsche wurden deshalb von der Westfront (gegen Deutschland und Österreich) in den Kaukasus an die türkische Front verlegt. Insgesamt fielen rund 900 Bessarabiendeutsche in diesem Krieg. Auch etliche Krasnaer fielen oder gerieten in Gefangenschaft.
⇒ Ziff. 7.12 In Kriegen Gefallene und Vermißte Krasnas

Es gibt einen Brief, der die Situation der Krasnaer plastisch schildert3): „Liebe Kinder! Eueren Brief haben wir erhalten und gesehen, daß ihr gesund seid. Ihr fragt nach eueren Brüdern und Schwägern und ob sie schon auf dem Kriegsschauplatze umgekommen sind… Ja, alle sind schon fort in den Krieg. Aus Kraßna sind schon viermal Männer gezogen worden und wenige sind zurückgeblieben…Dein Schwager Romanus Gedak war schon viermal im Feuer, ist aber immer glücklich davongekommen bis auf das letzte Mal. Da haben sie müssen einen Tag und eine Nacht bei grimmiger Kälte hinter Erdhaufen liegen. Dabei hat er die Füße erfroren. Er liegt im Spital und der Doktor meint, daß er die Fußzehen verlieren wird…Es ist ein Elend! Dein Schwager Raphael Volk mußte krank von zu Hause fort in den Krieg. Er war auch schon vor der Feuerlinie, liegt aber jetzt krank in Moskau im Spital. Dein Bruder ist auch Soldat und liegt in Odessa. Bis zum 22. Januar, wird gesagt müssen sie fort an die Front. Soweit man weiß bis jetzt sind noch keine aus Kraßna im Krieg umgekommen, aber verwundet sind sehr viele. Joseph Speicher von Nikolaus und Peter Söhn von Hevau sind gefangen in Österreich.“

Ungeheuer waren auch die sonstigen Lasten, die die deutschen Gemeinden während des Krieges zu tragen hatten. Fast täglich mußten Lebensmittel, Kriegsmaterial oder Militär transportiert werden. Die Bevölkerung wurde zum Bau von Wegen und anderen Arbeiten herangezogen. Die Gemeinden mußten auf eigene Rechnung eine Menge Fronarbeiter mit Fuhren und dem nötigen Arbeitsgeschirr ausrüsten. Eine Requirierung folgte der anderen.

Gegen Ende des ersten Weltkriegs, als deutsche Truppen nach Bessarabien gekommen waren, mußte für das deutsche Militär Getreide nach Kilia gestellt werden.

Rumänische Zeit

Gleich nach der Angliederung Bessarabiens an Rumänien mußten die wehrpflichtigen Kolonistensöhne zur rumänischen Armee. Die Musterung der Rekruten fand jetzt in Tarutino statt.

Es ist eine Liste der am 10. November 1920 einberufenen Krasnaer des Geburtsjahrgangs 1899 erhalten4):

  • Adam Winter, Sohn von Joseph
  • Anton Wingenbach, Sohn von Johannes
  • Lazarus Bogolofsky, Sohn von Joseph
  • Maximilian Engel, Sohn von Simon
  • Reinhold Schaefer, Sohn von Johannes
  • Peter Winter, Sohn von Kaspar
  • Isidor Ritz, Sohn von Valentin
  • Adam Bachmeier, Sohn von Georg
  • Ludwig Gross, Sohn von Johannes
  • Rochus Koch, Sohn von Sebastian
  • Rochus Mueller, Sohn von Martin
  • Zelestinus Koch, Sohn von Michael
  • Nikolaus Huletvitsch, Sohn von Peter
  • Michael Hermann, Sohn von Zachaeus
  • Peter Seifert, Sohn von Leopold
  • Anton Kuss, Sohn von Franz
  • Karl Steinert, Sohn von Georg
  • Barnabas Hartmann, Sohn von Johannes
  • Erasmus Bonjakofsky, Sohn von Klemens
  • Philipp Leinz, Sohn von Adam
  • Erasmus Becker, Sohn von Sebastian
  • Karl Ternes, Sohn von Martin
  • Anton Winter, Sohn von Dionysius
  • Bernhard Dirk, Sohn von Peter
  • Justinus Ruscheinsky, Sohn von Georg
  • Michael Wingenbach, Sohn von Albertus
  • Heinrich Hintz, Sohn von Wendelin
  • Nikolaus Harsche, Sohn von Philipp
Abb. 63: Krasnaer Rekruten vor der Einberufung

In gewisser Weise war der Dienst beim rumänischen Militär leichter als in der russischen Armee. So blieben die Leute näher bei der Heimat, sie mußten nicht nach Sibirien. Man bekam häufiger Urlaub. Andererseits mußten die deutschen jungen Männer wegen ihrer mangelnden Rumänischkenntnisse allerlei Schikanen ertragen. Die Dienstzeit betrug im allgemeinen zwei Jahre.

Ab Ende der zwanziger Jahre galten neue Regelungen, z.B. der Dienst mit eigenem Pferd und eigener Uniform. Diese Soldaten genossen größere Freiheiten. Der Soldat mußte die Kosten für sich und sein Pferd zu einem großen Teil selbst tragen. Die Krasnaer machten von dieser Form des Dienstes Gebrauch. Das war zwar kostspielig, aber die Dienstzeit war erheblich kürzer als bei regulären Diensten. Einige Monate vor Dienstantritt hatten die sogenannten „Skimbasch“ (rumänisch: schimbaş =Landwehrsoldat) ein schönes Pferd bei einer Kommission zur Genehmigung vorzuführen.

Abb. 64: Schimbaşi aus Krasna im Jahre 1938

Seit 1934 bestand eine 3-jährige vormilitärische Ausbildungspflicht für 18-jährige Jugendliche. Sie mußten am Sonntagvormittag an einer Ausbildung teilnehmen. Mit 20 Jahren wurden sie Rekruten. Die tatsächliche Einberufung zum aktiven Militärdienst erfolgte im 21. Lebensjahr. Die Dienstzeit betrug zwischen 3 Monaten und 3 Jahren, je nach Waffengattung.

Im Jahr 1939 als die Spannungen mit der Sowjetunion zunahmen, wurden mehr und mehr junge Leute einberufen. Bei den Bauern wurden zunehmend Pferde und Wagen requiriert.
Bis unmittelbar vor der Umsiedlung diente eine Reihe von Krasnaern im rumänischen Heer. Sie mußten während der Räumung Bessarabiens durch das rumänische Militär (Ende Juni 1940) mit den rumänischen Einheiten über den Pruth nach Rumänien abziehen (s. Ziff. 2.4 Zugehörigkeit zu Rumänien und zur Sowjetunion (1918-1940)). Einige stießen deshalb erst in Galatz zum Umsiedlungstransport der Bessarabiendeutschen nach Deutschland.

Deutscher Militärdienst

Nach der Umsiedlung sind die meisten wehrpflichtigen Krasnaer in die deutsche Wehrmacht eingezogen worden, die ersten schon aus dem Lager Tuschin Wald (mehr oder weniger freiwillig). Gleich nach der Ansiedlung in Danzig-Westpreußen traf dieses Los alle Wehrpflichtigen. Sie waren dann aktiv im gesamten 2. Weltkrieg an allen Fronten eingesetzt.
Schon in den Lagern in Sachsen gab es militärähnliche Übungen für junge Männer. Junge Männer wurden dort für die SS angeworben.
Die älteren Jahrgänge mußten ab 1943 zunehmend im sogenannten Volkssturm Aufgaben des Heimatschutzes übernehmen. Viele Krasnaer sind im 2. Weltkrieg gefallen, viele gerieten in Gefangenschaft.
⇒ Ziff. 7.12 In Kriegen Gefallene und Vermißte Krasnas

1)
Ruscheinsky, Eduard; Kulturbilder aus unserer alten Heimat Krasna, Bessarabien. Eine Dokumentation über die Kulturleistungen unserer Väter, abgedruckt in Heimatbuch 25 Jahre nach der Umsiedlung, Herbst 1965
2)
A. Leinz in Heimatbuch der Bessarabiendeutschen 1960, S. 92
3)
aus Krasna vom 11. Dez. 1914 an den Staatsanzeiger/North Dakota
4)
Der Staats-Anzeiger/North Dakota, 7. Dezember 1920
krasna/f-04-11-00.txt · Zuletzt geändert: 2019/05/22 17:17 von Otto Riehl Herausgeber