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krasna:d-02-03-02

2.3.2 Russifizierungspolitik und Fremdenfeindlichkeit (1881-1914)

1) Nach der Ermordung Alexanders II. im Jahre 1881 und der Thronbesteigung Alexanders III. (1881-1894) wurde die Russifizierung verstärkt fortgesetzt; Nationalismus wurde zur Staatsdoktrin.
Zwar kamen die Deutschen in Bessarabien mit den anderen dort lebenden Nationalitäten gut zurecht (s. Ziff. 7.1 Die Krasnaer Kolonisten und ihr Verhältnis zu anderen), aber um den Thron fiel der Deutschenhaß der Panslawisten auf fruchtbaren Boden, er wurde systematisch geschürt. Die Deutschen wurden als Eindringlinge und Schädlinge verschrien. Die „Slawophilen“ (Denkrichtung, die sich auf die russische Tradition berief – im Gegensatz zu den „Westlern“, die für die Übernahme westlicher Ideen eintraten) sahen die Gefahr einer Germanisierung der Grenzgebiete Rußlands (wo die meisten Deutschen wohnten) und forderten eine Verdrängung der deutschen Bauern.

1887 erschien das Manifest Alexanders III. „Russland muß den Russen gehören“. Das Fremdengesetz von 1887 hat dieser Forderung entsprochen. Es schränkte den Erwerb von Immobilien durch Ausländer zeitweilig ein. Es traf zunächst nur die Wolyniendeutschen, wurde dann 1892 auf alle Deutschen ausgedehnt, aber aus wirtschaftlichen Gründen bald wieder gelockert.
Die deutschfeindliche Stimmung hielt jedoch an und führte zur Russifizierung des deutschen Schulwesens (1891). Russisch wurde als Unterrichtssprache an deutschen Schulen in Rußland eingeführt, auch in Krasna (s. Ziff. 5.2 Die Schule in Krasna).
Eine weitere Welle des „Russismus“ setzte 1893 ein. Die Namen der deutschen Siedlungsgebiete (Dörfer) wurden teilweise russifiziert. Natürlich benutzten die Deutschen weiterhin die bisherigen Namen.

Nikolaus II. (1894-1917) setzte in seiner Regierungszeit die fremdenfeindliche Politik fort. Doch trotz aller geschilderten Maßnahmen läßt sich die Lage der Bessarabiendeutschen bis zum 1. Weltkrieg insgesamt als befriedigend beschreiben. Die verstärkte Aus- und Abwanderung aus Krasna zwischen 1880 und 1914 zeigt aber auch, daß Probleme bestanden.

Die Niederlage Rußlands im Russisch-japanischen Krieg 1904-1905 führte zu einer gewissen innenpolitischen Liberalisierung2). Die Stolypinsche Landreform3) machte die Bauern endgültig zu vollgültigen Eigentümern ihrer Parzellen (s. Ziff. 4.2. Landeigentums- und Erbrecht in Bessarabien). Vereine und Genossenschaften durften gegründet werden. Dadurch kam es zu einem wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung in den deutschen Dörfern, der bis zum ersten Weltkrieg andauerte.

Man kann das in Krasna bestätigt finden. Eduard Ruscheinsky schreibt4): „Vom Jahre 1906 begann für Krasna der Aufstieg in der Landwirtschaft. …Von dieser Zeit an begann auch der Landpreis stark zu steigen. Man bezahlte von da an bis 1914 für eine Desjatina 200 bis 300 Rubel…. Im Jahre 1910 fühlten sich die Bauern aus Krasna so gut auf den Füßen, daß vier Wirte sich Dampfdreschmaschinen kauften. Einen großen Teil des Wohlstandes verschlang nachher der Weltkrieg durch seine verschiedenen Einquartierungen, Requirierungen und Mobilisierungen der besten Arbeitskräfte und die allgemeine Geldentwertung.“

Aktuelle Ereignisse in Krasna zwischen 1885 und 1914

  • 1884 eine Gruppe von 25 Krasnaer Familien siedelte infolge Mangel an Nutzland nach Patrukas (auch Schalier genannt) im Kontemirer Tal um. Die Gruppe zog 1886 wegen ungünstiger Pachtverhältnisse weiter in das Gebiet, das dann die Tochterkolonie Emmental wurde.
  • 1904-1905 Krasnaer nahmen am Russisch-japanischen Krieg teil, einige fielen.
  • 1907 einige Krasnaer Familien zogen nach Sibirien.
  • 1908 einige Krasnaer Familien zogen in den Kaukasus.
  • 1909-1914 wanderten 567 Personen aus Krasna nach Amerika (USA und Kanada) aus.
  • 1910 kauften vier Landwirte Dampfdreschmaschinen (eine bedeutsame Innovation).
  • 1911 wurde das letzte Haus aus der Gründerzeit Krasnas abgetragen.
  • 1912-1913 wurde eine Genossenschaftsbank als Kleinkreditgesellschaft gegründet.
  • 1914, kurz vor Beginn des 1. Weltkrieges, wurde die neue Knabenschule fertiggestellt.
  • 1914 wurde ein Konsum-Laden in Krasna eröffnet.

1)
Während uns aus der Zeit des Fürsorgekomitees eine Reihe von Akten über Angelegenheiten der Gemeinde Krasna erhalten geblieben sind, fehlen solche für die Zeit danach bisher fast vollständig. Insofern ist es schwieriger für diesen Zeitabschnitt authentische Aussagen über Einzelheiten von Krasna zu machen.
2)
durch das Manifest des Zaren vom 17./30. Oktober 1905 wurde den Russen bürgerliche Freiheit auf Grund der Gewissens-, Presse-, Vereins- und Versammlungsfreiheit verheißen. Diesem Manifeste folgte am 23. April 1906 die Veröffentlichung der „Staatsgrundgesetze“, die die Verfassungsurkunde des Russischen Reiches darstellten. Ein allmählicher Übergang in einen modernen Rechtsstaat war das Ziel. Die Duma (Parlament) wurde geschaffen
3)
Pjotr Arkadjewitsch Stolypin * 2. April 1862 in Dresden; † 5. September 1911 in Kiew) war ein russischer Staatsmann, der als Premierminister von 1906 bis 1911 tiefgreifende Reformen durchsetzte
4)
Eduard Ruscheinsky, Chronik der Gemeinde Krasna, erschienen im Bauernkalender , Jahrbuch der Deutschen in Bessarabien / Kultur- und Presseamt des Deutschen Volksrates für Bessarabien 1939, S. 164-172
krasna/d-02-03-02.txt · Zuletzt geändert: 2019/06/17 16:13 von Otto Riehl Herausgeber