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6.2 Unfälle, Gewalttätigkeiten, Raub und Überfälle

Wie überall auf der Welt kamen in Krasna Unfälle, Gewalttätigkeiten, Diebstähle, Raub und Überfälle vor. Wir sind nicht über alle diese Ereignisse informiert, Polizeiberichte sind nicht überliefert, wenn es denn welche gab. Ab 1914 wurde über solche Ereignisse in den deutschsprachigen Zeitungen aus North-Dakota berichtet, an die Krasnaer Bürger regelmäßig Beiträge einsandten.

Unfälle

Es ereigneten sich verhältnismäßig viele Unfälle in Krasna. Dies war einerseits bedingt durch die benutzen Geräte, andererseits durch ungenügende Vorkehrungen. Ausgeklügelte Maßnahmen zum Schutz gegen Unfälle gab es ebensowenig, wie Unfallverhütungsvorschriften. Die meisten Unfälle ereigneten sich im Zusammenhang mit der Nutzung von Pferden (beim Reiten, im Stall, mit Wagen oder Landmaschinen). Pferde scheuten und warfen dabei den Reiter ab, sie gingen durch, dabei verlor der Lenker die Kontrolle, wurde vom Wagen geschleudert und kam unter die Räder, Pferde schlugen mit den Hinterbeinen aus und trafen mit ihren Hufen den Körper eines Menschen.

Hier zwei Beispiele; über diese Unfälle berichteten nordamerikanische Zeitungen

Natürlich geschahen auch andere Unfälle, wie nachfolgende Zeitungsmeldungen beispielhaft zeigen.

Gewalttätigkeiten

Natürlich kamen unter den Krasnaer Einwohnern Streitereien vor, die manchmal auch zu Gewalttätigkeiten eskalierten. Raufereien zwischen Jugendlichen endeten gelegentlich auch tragisch. Ein willkommener Anlaß zum Streit war immer die Rekrutenvereidigung.
Aber auch Erwachsene waren gelegentlich an solchen Händeln beteiligt. Es gab schon mal Schlägereien zwischen Nachbarn und manchmal zwischen Verwandten. Auch darüber geben Berichte in den amerikanischen Zeitungen Auskunft.
⇒ Dörfliches Zusammenleben unter Ziff. 7.1 Die Krasnaer Kolonisten und ihr Verhältnis zu anderen

Raub, Überfälle, Diebstahl

In den ersten Jahren nach der Gründung von Krasna waren die Siedler ständig der Gefahr von Raubüberfällen aus den umliegenden russischen, moldauischen und bulgarischen Dörfern ausgesetzt.
Die in den ersten Jahrzehnten erforderlichen häufigen Fahrten mit Getreide nach Odessa (später nach Akkerman (Cetatea-Alba) und Kilia) waren höchst gefährlich, da die Kolonisten auf dem Rückwege oft von umherziehenden Zigeunern beraubt wurden. Man schloß sich deshalb zu Karawanen zusammen, um sich besser zu schützen.
Die Fahrten durch die Steppe blieben auch später problematisch, noch im 20. Jahrhundert. Es kam vor, daß die Fuhrwerke unterwegs überfallen wurden. Dann waren meist neben der Fracht auch Pferde und Wagen weg. Hierzu zwei Beispiele:

Wenn man die Zeitungsberichte als Maßstab nimmt, wurde in Krasna recht oft gestohlen. Es fällt auf, daß sehr viel an Eßbarem gestohlen wurde, sei es im Haus, auf dem Feld oder im Garten. (Wein, Wurst, Schinken, Schafe von der Weide oder aus dem Stall). Auch Viehfutter war ein begehrtes Diebesgut und sogar Wäsche von der Leine.
Josef Braun meinte in einem Beitrag für die Eureka-Rundschau vom 12. 09.1928, daß die große Not manchen Menschen zu kleinen Diebstählen veranlassen würde.

Geld wurde natürlich auch gestohlen, wie der Der Staats-Anzeiger am 10. Mai 1921 vermeldet: „Kürzlich waren Räuber im Dorf. Sie banden den Polizisten und stahlen 50.000 Lei von einer Person und 5.000 Lei von einer zweiten. Auch von einem weiteren Krasnaer stahlen sie Geld und flohen dann mit der ganzen Beute. Die Polizei hat ihre Spuren verfolgt, aber nichts gefunden.“
Um sich gegen solche Diebereien zu wappnen, trugen manche Krasnaer ihre Barschaft am Leibe, wenn sie ihr Haus verließen.

Es gab auch Einbrüche, z.B. im Genossenschaftsladen 07.12.1929. Um nicht durch Hundegebell gestört zu werden, schreckten Diebe auch nicht davor zurück, alle Hunde in der Nachbarschaft zu vergiften, wie es am 24.12.1929 in der Nähe von Nikolaus und Valentin Plotzki geschah (Meldung in der Dakota-Rundschau vom 24.01.1930).

Pferdediebstahl war eine schlimme Plage, vielleicht vergleichbar dem heutigen Autodiebstahl. Fast jedes Jahr wurden in Krasna Pferde gestohlen. Meist waren die Pferdediebe „Fremdstämmige“. Wurden Diebe oder Hehler erwischt, mußten sie nicht nur mit richterlichen, sondern auch mit drakonischen Strafen in Form von Prügel durch aufgebrachte Krasnaer rechnen. Die Gendarmerie war hart, die bestohlenen Bauern gnadenlos. Es ist immer wieder vorgekommen, daß eine Gerichtsverhandlung nicht stattzufinden brauchte, weil die Angeklagten die Verhaftung nicht überlebten. Es gibt Erzählungen und Gerüchte, daß manch einer gelyncht wurde.
Otto Engel berichtet über einen Pferdediebstahl2): „Wer gute Pferde hatte, mußte aufpassen. Spitzbuben hat es bei uns auch gegeben. Einem Krasnaer haben Diebe einmal zwei Stuten gestohlen: einen Fuchs und eine Schwarze. Pferd’ waren das, wunderschöne Pferd’, das kann ich Ihnen sagen! Am hellichten Tag haben drei Spitzbuben dem Bauern vor der Schenke auf dem Tarutinoer Markt die Pferde gestohlen. Die Fohlen waren zu Hause im Stall geblieben. Der Bauer hatte die Pferde vor dem Wagen angeschirrt stehen lassen. Da waren die Diebe auf den Wagen gesprungen, haben auf die Pferd’ eingeschlagen und sind durch den Ort gejagt. Auf und davon. Von Tarutino hat man in die Dörfer telefoniert, wo die Diebe hätten durchkommen müssen. Der Mann hat seine Pferde auch zurückbekommen. Aber seine schwarze Stute ist ihm danach verreckt. Die Diebe hatten die Pferde einfach „übertrieben“.
Was das für Pferde waren! ‚Schön wie die Blumen’, haben unsere Leut’ gesagt. Der Mann hat noch oft nach Akkerman zum Gericht fahren müssen, wegen dieser Sach’. Sie hatten nur zwei Diebe erwischt, der dritte war vorher abgesprungen.“

Um sich vor kriminellen Machenschaften wenigstens etwas zu schützen, wurden seit Beginn der Besiedlung von Krasna Wachen eingesetzt (s. unter Ziff. 4.9 Gerichtsbarkeit, öffentliche Ordnung und Sicherheit).

1)
Die ganze Geschichte kann man lesen in Alois Leinz, Eine Räubergeschichte, Heimatbuch 25 Jahre nach der Umsiedlung, 1965, S. 299
2)
Der Markt in Tarutino, Otto Engel erinnert sich In: Bisle-Fandrich, Elvire ; Bisle, Hellmuth H.; Tarutino : Zentrum der Deutschen in Bessarabien 1918-1940, S. 163