Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


krasna:h-06-01-00

6.1 Katastrophen, Seuchen, Mißernten, tierische Schädlinge. Erdbeben

Sicher ist jeder Landstrich von der einen oder anderen Plage bedroht, und Katastrophen kommen überall vor. Aber in Bessarabien häuften sich solche Katastrophen und dies besonders in der Aufbauphase der Kolonien. Von diesen Plagen war auch Krasna nicht verschont.

Epidemien

Generell waren in den ersten Jahren das ungewohnte Klima und die schlechten Wohn- und Ernährungsverhältnisse Ursache für einen hohen Krankenstand und eine hohe Sterberate in den Kolonien. Katastrophal wirkten sich Epidemien aus. Im Jahre 1829 brach die Pest aus, verbreitet durch den Durchmarsch heimkehrender russischer Truppen aus dem Türkenkrieg. Die Pest raffte in Krasna sowie in den Nachbarorten Klöstitz und Alt-Arzis ganze Familien weg. Die Cholera, die im Jahre 1831 in Krasna wütete, forderte viele Menschenleben. Auch Pocken und Diphtherie traten in späteren Jahren auf, Typhus stellte sich oft ein. Weiß1) sagt, Cholera und Typhus hörten in den ersten Jahren fast gar nicht auf.

Viehseuchen

Für den Bauern war sein Vieh lebensnotwendig. Er brauchte es ebenso dringend wie das Land. Trat eine Seuche auf, stand der Bauer machtlos vor seinen verendenden Tieren. Eine tierärztliche Hilfe gab es nicht. Eduard Ruscheinsky berichtet2), daß in Krasna Viehseuchen sehr stark in den Jahren 1827, 1834, 1839, 1844 und 1899 auftraten. Es waren unterschiedliche Seuchen. Mal war es die Maul- und Klauenseuche, dann die Maulfäule oder die Krätze. Es wird auch von einer „sibirischen Pest“ berichtet.

Erdbeben

Bessarabien ist ein erdbebengefährdetes Gebiet. In den Jahren 1828, 1830 und 1838 wurden in Krasna und Umgebung stärkere Beben registriert; das von 1838 richtete Schäden an Häusern an. Auch später gab es immer wieder Beben. Meistens richteten sie aber keine größeren Schäden an.

Laut Chronik von Tarutino3) war wohl am 29.03.1934 das stärkste Beben, das die Kolonien bis dahin erlebt hatten. Und als wollte die Natur ein Ausrufezeichen setzen: nach dem Auszug der Deutschen aus Bessarabien gab es noch ein Beben. Am 10. November 1940 ereignete sich ein verheerendes Erdbeben. Es hatte eine Stärke von 7,3 auf der Richterskala und führte in ganz Bessarabien zu massiven Zerstörungen. E. Ruscheinsky berichtet: „In der Nacht …wurde unser Heimatländchen Bessarabien, sowie fast ganz Rumänien, von einem sehr starken Erdbeben heimgesucht. Unsere Geschichte in Krasna endete mit einem Erdbeben von solch einem Ausmaß, wie es in unserer 126-jährigen Geschichte nicht vorkam.“

⇒ Zu den in Krasna entstandenen Schäden s. Ziff. 9 Der Ort Krasna nach Auszug der Deutschen bis heute

Überschwemmungen

Normalerweise war der Kogälnik ein harmloses Gewässer. Zur Zeit der Schneeschmelze und bei starken Regengüssen stieg er aber schon mal über seine Ufer. Die dadurch verursachten Schäden hielten sich normalerweise in Grenzen. Von einer katastrophalen Überschwemmung wird allerdings auch berichtet. Sie ereignete sich in der Nacht vom 2. auf den 3. September 1927. Krasna gehörte zu den am schlimmsten betroffenen Orten. Eduard Ruscheinsky hat darüber einen ausführlichen Bericht veröffentlicht4). Er gibt einen Schaden von 475.000 Lei an. Ein Bewohner Krasnas kam ums Leben. In Krasna wird es so ähnlich ausgesehen haben, wie auf nachstehenden Bildern, die in Beresina aufgenommen wurden.

Abb. 90: Kienzle, Robert: Wolkenbruch über dem nördlichen Bessarabien. Überschwemmung im Kogälniktal; in HK 1985, S. 108-118

Wilde Tiere und Schädlinge

Als die Kolonisten nach Krasna kamen, fanden sie dort eine Menge wilder Tiere vor, die ihnen bedrohlich werden konnten, bzw. die eine Plage für ihre Landwirtschaft bildeten.

  • Schlangen, z. T. giftige, drangen in ihre Behausungen und Stallungen ein. Später nahm ihre Zahl erheblich ab, aber ausgemerzt wurden sie nie.
  • Wölfe suchten besonders in der Winterszeit die Ställe der Bauern auf. Durch häufige Jagden wurden sie später nahezu ausgerottet.
  • Getreidekäfer und Reblaus machten den Kolonisten schwer zu schaffen.
  • Heuschrecken wüteten in der südrussischen Steppe in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Sie kamen „in Wolken“, wie es in einem alten Bericht heißt, und wo sie einfielen, blieb kein Halm stehen. Heuschrecken waren in Krasna in den Jahren 1825, 1826, 1827, 1836 und 1847. Sie vernichteten einen großen Teil der Ernte. Die Heuschreckenplage von 1824/1825 nahm im Schwarzmeergebiet solche Ausmaße an, daß die russische Regierung eine weitere Stundung des den Kolonisten gewährten Vorschusses vornehmen mußte.
  • Von Heuschreckeneinfällen ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht mehr die Rede. Nach übereinstimmenden Berichten mehrerer Dorfchroniken waren sie gegen 1875 ganz verschwunden.
Abb. 91: Die Zieselmaus, auch Sandhase genannt
  • Ein ständig wiederkehrendes Problem in der Landwirtschaft waren die Zieselmäuse, die im Frühjahr und im Frühsommer erhebliche Schäden an der jungen Saat anrichteten. E. Ruscheinsky bestätigt diese Plage für Krasna: „Der große Feind des Bauern im Budschak, die Zieselmaus (Erdhase, Sandhase), richtete in den Jahren 1822, 1823. 1824 und 1848 großen Schaden an.“

Die Schädlingsbekämpfung erschöpfte sich in manuellen Maßnahmen (Absammeln von Käfern von den Pflanzen, Fangen bzw. Ertränken oder Ausräuchern der Zieselmäuse in ihren Höhlen, Erschlagen und Verscheuchen der Heuschrecken). Die Bekämpfung war äußerst mühsam, aber wenig wirksam. Chemische Abwehr gab es noch nicht.

Max Riehl erinnert sich: „Zur Gemeinschaftsarbeit gehörte auch die Bekämpfung der sehr verbreiteten Zieselmaus (Sandhase) und des Hamsters (Kormaus). Nach der jährlich vorgenommenen Abschätzung des Befalls der Gemarkung mit Schädlingen wurde festgelegt, wie viele Schädlinge jeder Eigentümer zu fangen hatte pro Hektar. Als sichtbaren Nachweis der gefangenen Nagetiere mußte der Schwanz in der Kanzlei abgeliefert werden. Bei einer Nichterfüllung der vorgegebenen Fangzahlen mußte ein Strafgeld entrichtet werden. Das Geld wurde an Leute ausgezahlt, die ihr Fangsoll übererfüllt hatten oder an Landlose, die sich auf diese Weise etwas Geld verdienen konnten.
Die Jagd ging wie folgt vor sich. Nach Ende des Winterschlafs der Tiere begaben sich die Bauern mit einem Sandhasenhaken, einem Faß Wasser auf dem Wagen, Eimern und Spaten auf das Feld. Man suchte die Plätze, wo sich die Tiere in der Frühjahrssonne aufwärmten. Hatte man ein Tier entdeckt, das in seine senkrecht nach unten führende Höhle schlüpfen wollte, stieß man mit dem etwa 1,5 m langen Sandhasenhaken, der vorn eine Spitze mit einem Widerhaken hatte, in die Höhle und hatte oft den Schädling schon am Haken. Hatte er die Möglichkeit, unterirdisch doch dem Haken auszuweichen, goß man Wasser in das Loch, damit die Zieselmaus aus der Deckung kam. Kam das Tier heraus, erschlug man es mit dem Spaten und trennte den Schwanz als Beweis für den Fang ab. Dann ging’s an das nächste Loch.
Hamster wurden mit dem Spaten aus ihren Löchern ausgegraben, denn das Hamsterfell war wertvoller als der Schwanz. Wenn es nicht beschädigt und sauber war, brachte es mehr ein als 10 Sandhasenschwänze, und der Hamsterschwanz wurde obendrein bezahlt. Weil es für Hamsterfelle eine starke Nachfrage gab, wurde der Hamster fast ausgerottet.“

Dürre/Mißernten

Weder durch Fortschritte in der Landwirtschaft noch durch allergrößten Fleiß ließen sich klimatisch bedingte Mißernten verhindern. Ursache waren stets lange Dürreperioden. Schon schlechte Ernten, die es immer wieder gab, waren schlimm. Aber Mißernten hatten verheerende Folgen. Bedeuteten sie doch, daß selbst dann, wenn die Menschen aus Vorräten des Getreidemagazins noch einigermaßen ernährt werden konnten (s. in Ziff. 3.1 unter Vorratsmagazin), der Mangel an Futter den Verkauf an Zug – und Nutzvieh zu Spottpreisen erzwang. Die Folge war, daß in den darauffolgenden Jahren diese Tiere für die Arbeit oder Ernährung fehlten.

Im Jahre 1833 gab es praktisch in ganz Südrußland eine Mißernte; auch in den Folgejahren waren die Erträge sehr schlecht. Rinder und Schafe mußten notgeschlachtet, Pferde verkauft oder auf entlegene Weideplätze gebracht werden.
In Krasna gab es völlige Mißernten durch Dürre in den Jahren 1830, 1832 bis 1834, 1839. Der durch die Ernteausfälle bedingte Futtermangel vernichtete fast vollständig den Krasnaer Viehbestand.

Die Folgen einer Dürre beschreibt eindrucksvoll Probst K. Faltin, dessen Bericht die „Odessaer Zeitung“ am 11. Februar 1899 veröffentlichte:

„Es ist alles am Halm verdorrt; ja auch dieser selbst ist verdorrt… Die Felder waren grau. Leer und öde wie die Wüste, Staubwolken, die sich mehrere Faden hoch erhoben und das Sonnenlicht trübten, jagten über die Flächen, und das Geschmeiß der Käfer, Fliegen und Würmer summte durch die trockene, heiße Luft, so daß auch beherzten Männern angst und bange wurde…Das Gras war verdorrt, die Blumen abgefallen, die Vieherden liefen brüllend über die Felder, suchten Futter und fanden keins. Sie magerten dermaßen ab, daß ein Teil rasch geschlachtet und gegessen, ein anderer nicht weniger hastig verkauft wurde, schwächere Tiere fielen vor Erschöpfung um.“

Auch später gab es viele schlechte Ernten, hier einige Beispiele:

  • 1918 schlechte Ernte, 1920 Dürre,
  • 1924 und 1925 gab es Mißernten, wodurch es in mehreren Teilen Bessarabiens zur Hungersnot kam. Auch in Krasna war die Lage kritisch. Man mußte ein Darlehen von 500.000 Lei aufnehmen, um Samen für die nächste Saat kaufen zu können.
  • 1926 fiel die Weizenernte total aus.
  • 1928 fiel wieder die gesamte Ernte aus. Viele Krasnaer gerieten durch die hohen Preise für Saatgetreide und Futter in Schulden. Die Gemeinde nahm wegen der allgemeinen Not eine Anleihe von 2,6 Mio. Lei auf.
  • 1939 sehr schwache Gersteernte, fast keine Maisernte.

Hagelschlag

Auch Hagelschlag verschonte die Bauern nicht. Im Jahre 1843 vernichtete er die gesamte Ernte in Krasna. Dieses Naturereignis kam auch später vor, wohl aber nicht ganz so schlimm. Im Sommer 1938 hat es noch einmal beträchtliche Schäden durch Hagelschlag gegeben.

Stürme/Orkane

Das bessarabische Wetter neigte auch zu orkanartigen Stürmen. Von einem im Jahre 1928 wird berichtet, daß er große Schäden an Gebäuden anrichtete. Ein Sturm vom 02. und 03. März 1931 richtete ebenfalls viel Schaden an. Das Pastorat von Krasna wurde halb abgedeckt.

1)
Weiß, Rudolf, Unsere bessarabische Vergangenheit S. 5
2)
Eduard Ruscheinsky, Chronik der Gemeinde Krasna, erschienen im Bauernlaender 1939
3)
Mutschall, Wilhelm, Geschichte der Gemeinde Tarutino von 1814 bis 1934, S. 81
4)
Eduard Ruscheinsky; Überschwemmung in Bessarabien im Jahre 1927 (Heimatbuch der Bessarabiendeutschen 1960, S. 16; nachgedruckt in Erinnerungen an Bessarabien 60 Jahre nach der Umsiedlung
krasna/h-06-01-00.txt · Zuletzt geändert: 2019/05/23 11:46 von Otto Riehl Herausgeber