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krasna:h-06-02-00

6.2 Unfälle, Gewalttätigkeiten, Raub und Überfälle

Wie überall auf der Welt kamen in Krasna Unfälle, Gewalttätigkeiten, Diebstähle, Raub und Überfälle vor. Wir sind nicht über alle diese Ereignisse informiert, Polizeiberichte sind nicht überliefert, wenn es denn welche gab. Ab 1914 wurde über solche Ereignisse in den deutschsprachigen Zeitungen aus North-Dakota berichtet, an die Krasnaer Bürger regelmäßig Beiträge einsandten.

Unfälle

Es ereigneten sich verhältnismäßig viele Unfälle in Krasna. Dies war einerseits bedingt durch die benutzen Geräte, andererseits durch ungenügende Vorkehrungen. Ausgeklügelte Maßnahmen zum Schutz gegen Unfälle gab es ebensowenig, wie Unfallverhütungsvorschriften. Die meisten Unfälle ereigneten sich im Zusammenhang mit der Nutzung von Pferden (beim Reiten, im Stall, mit Wagen oder Landmaschinen). Pferde scheuten und warfen dabei den Reiter ab, sie gingen durch, dabei verlor der Lenker die Kontrolle, wurde vom Wagen geschleudert und kam unter die Räder, Pferde schlugen mit den Hinterbeinen aus und trafen mit ihren Hufen den Körper eines Menschen.

Hier zwei Beispiele; über diese Unfälle berichteten nordamerikanische Zeitungen

  • Der Staatsanzeiger vom 1. November 1920: „Vor ein paar Tagen lenkte ein junges Mädchen einen Wagen. Kinder spielten auf der Straße und eines von ihnen lief unter den Wagen, wurde überfahren und starb sofort. Die Eltern suchten noch die Hilfe eines Arztes, aber es war vergebens.“
  • Dakota Rundschau vom 27. Dezember 1929: „Neulich ereignete sich ein Unfall als Erasmus Mathias Ruscheinsky eine Ladung Gerste nach Beresina bringen wollte. Als er an den Graben kam, scheuten seine Pferde, rannten los und warfen ihn vom Wagen. Das Hinterrad ging über seinen Brustkorb… Die folgenden Wagenlenker hoben ihn auf und brachten ihn nach Hause. Dann wurde der Arzt gerufen. Unglücklicherweise starb der arme Mann am 06. Oktober 1929.”

Natürlich geschahen auch andere Unfälle, wie nachfolgende Zeitungsmeldungen beispielhaft zeigen.

  • Dakota Rundschau, 25. Oktober 1929: „Gottlieb Haag hatte am 14. September einen Unfall, als er dabei war, seine alte Scheune abzureißen. Als die Wände weitgehend gefallen waren, versuchte er mit der Axt einen Teil des noch stehenden Dachstuhls einzureißen. Das herunterfallende Dach schlug auf seine Beine. Er verlor seinen linken Fuß bis zum Knöchel, und es ist möglich, daß er das ganze Bein verlieren wird….“
  • Der Staats-Anzeiger vom 15. November 1929 berichtet: „Der Witwer Mathias Volk, 87 Jahre alt, starb eines fürchterlichen Todes in der Nacht vom 29. auf den 30. September. Der alte Mann verbrannte in seinem Haus. Es nicht klar, wodurch das Feuer entstand.“
  • Dakota Rundschau, 1. Juli 1932: „Am 27. Mai ereignete sich ein Unglück. Der 18 Jahre alte Sohn von Albertus Riehl und seine 13-jährige Schwester fuhren in die Lehmgrube, um Lehm zu holen. Mit auf dem Wagen war das 18 Monate alte Kind von Reinhold Koch. Als der junge Riehl Lehm aufzuladen begann, stürzte eine Grubenwand ein und begrub den Wagen. Der Wagen wurde durch den herabstürzenden Lehm zertrümmert, der junge Mann unter den Lehmmassen begraben. Die verängstigten Pferde zerrissen ihr Geschirr und kamen ohne Schaden davon. Das Baby wurde verschüttet, aber die 13-jährige, die nur leichte Verletzungen erlitten hatte, schaffte es, das Kind zu befreien. Sie konnte aber ihren Bruder nicht freibekommen und schrie um Hilfe. Andere Leute, die sich zur gleichen Zeit in der Grube aufhielten, eilten zur Hilfe. Sie konnten den jungen Riehl freischaufeln, aber er verlor das Bewußtsein. Auch das Baby war bewußtlos. … Der Arzt von Tarutino kam so schnell er konnte, und kümmerte sich um die Verletzten. Das Ergebnis seiner Bemühungen ist noch nicht bekannt.“
  • Von alten Krasnaern wird erzählt, daß im Jahre 1936 oder 1937 bei einem Gewitter ein Blitz die Frau und ein Kind von Jakob Ihli traf. Man grub die beiden bis zum Hals in die Erde ein, „um die Energie abzuleiten“. Und es klingt wie ein Wunder, als man sie wieder ausgegraben hatte, stellte man fest, daß sie unverletzt waren.

Gewalttätigkeiten

Natürlich kamen unter den Krasnaer Einwohnern Streitereien vor, die manchmal auch zu Gewalttätigkeiten eskalierten. Raufereien zwischen Jugendlichen endeten gelegentlich auch tragisch. Ein willkommener Anlaß zum Streit war immer die Rekrutenvereidigung.
Aber auch Erwachsene waren gelegentlich an solchen Händeln beteiligt. Es gab schon mal Schlägereien zwischen Nachbarn und manchmal zwischen Verwandten. Auch darüber geben Berichte in den amerikanischen Zeitungen Auskunft.
⇒ Dörfliches Zusammenleben unter Ziff. 7.1 Die Krasnaer Kolonisten und ihr Verhältnis zu anderen

Raub, Überfälle, Diebstahl

In den ersten Jahren nach der Gründung von Krasna waren die Siedler ständig der Gefahr von Raubüberfällen aus den umliegenden russischen, moldauischen und bulgarischen Dörfern ausgesetzt.
Die in den ersten Jahrzehnten erforderlichen häufigen Fahrten mit Getreide nach Odessa (später nach Akkerman (Cetatea-Alba) und Kilia) waren höchst gefährlich, da die Kolonisten auf dem Rückwege oft von umherziehenden Zigeunern beraubt wurden. Man schloß sich deshalb zu Karawanen zusammen, um sich besser zu schützen.
Die Fahrten durch die Steppe blieben auch später problematisch, noch im 20. Jahrhundert. Es kam vor, daß die Fuhrwerke unterwegs überfallen wurden. Dann waren meist neben der Fracht auch Pferde und Wagen weg. Hierzu zwei Beispiele:

  • Der Staats-Anzeiger meldete am 28. September 1920: „Heute muß ich über einen schweren Raub berichten, der sich am 31. Juli zugetragen hat. Simon Engel und Oswald Wagner von Krasna hatten für 10.700 Rubel Tuch gekauft um es mit Gewinn wieder zu verkaufen. Sie fuhren um ungefähr 9.00 Uhr morgens am Dnjestr entlang, nicht weit von der Kolonie Roskejezi. Plötzlich lauerten ihnen Räuber auf. Die Räuber brachten den Kutscher und die Ware in ihre Gewalt. Simon und Oswald schafften es in die Uferbüsche, obwohl mehrere Kugeln ihnen um die Ohren pfiffen. Sie blieben unverletzt und versteckten sich bis um 8.00 Uhr am Abend. Dann suchten sie Schutz im Dorf Roskejezi. Nach drei Tagen kamen sie mit leeren Händen zu Hause an. Verbleib von Kutscher und Ware blieben unbekannt.”
  • Über einen ähnlichen Fall berichtet Alois Leinz: „Nicht selten haben Räuber auf Wegen an unübersichtlichen Stellen, in Schluchten oder in den weiten Maisfeldern auf vorbeifahrende Menschen gelauert und sie überfallen. So geschah es am 26. August 1924 Philipp Hinz, Valentin Kopp, Zachäus und Valentin Herrmann als sie Weizen nach Lichtental zur Mühle fahren wollten.“ Leinz beschreibt den Ablauf im einzelnen einschließlich der Verfolgungsjagd sehr spannend und beendet seinen Bericht wie folgt: „Durch diese gegenseitige Hilfe der deutschen Kolonisten in Not kamen die Bauern aus Krasna wieder zu ihrem gestohlenen Gut und fuhren frohen Mutes nach Hause. Erzählt wurde nachher über diese Begebenheit in den deutschen Kolonien nichts und sie verblieb deren Geheimnis. Und wenn jemand davon reden wollte, so winkte der andere ab: ’Die stehlen nie wieder’, womit das Thema beendet war.“ 1)

Wenn man die Zeitungsberichte als Maßstab nimmt, wurde in Krasna recht oft gestohlen. Es fällt auf, daß sehr viel an Eßbarem gestohlen wurde, sei es im Haus, auf dem Feld oder im Garten. (Wein, Wurst, Schinken, Schafe von der Weide oder aus dem Stall). Auch Viehfutter war ein begehrtes Diebesgut und sogar Wäsche von der Leine.
Josef Braun meinte in einem Beitrag für die Eureka-Rundschau vom 12. 09.1928, daß die große Not manchen Menschen zu kleinen Diebstählen veranlassen würde.

Geld wurde natürlich auch gestohlen, wie der Der Staats-Anzeiger am 10. Mai 1921 vermeldet: „Kürzlich waren Räuber im Dorf. Sie banden den Polizisten und stahlen 50.000 Lei von einer Person und 5.000 Lei von einer zweiten. Auch von einem weiteren Krasnaer stahlen sie Geld und flohen dann mit der ganzen Beute. Die Polizei hat ihre Spuren verfolgt, aber nichts gefunden.“
Um sich gegen solche Diebereien zu wappnen, trugen manche Krasnaer ihre Barschaft am Leibe, wenn sie ihr Haus verließen.

Es gab auch Einbrüche, z.B. im Genossenschaftsladen 07.12.1929. Um nicht durch Hundegebell gestört zu werden, schreckten Diebe auch nicht davor zurück, alle Hunde in der Nachbarschaft zu vergiften, wie es am 24.12.1929 in der Nähe von Nikolaus und Valentin Plotzki geschah (Meldung in der Dakota-Rundschau vom 24.01.1930).

Pferdediebstahl war eine schlimme Plage, vielleicht vergleichbar dem heutigen Autodiebstahl. Fast jedes Jahr wurden in Krasna Pferde gestohlen. Meist waren die Pferdediebe „Fremdstämmige“. Wurden Diebe oder Hehler erwischt, mußten sie nicht nur mit richterlichen, sondern auch mit drakonischen Strafen in Form von Prügel durch aufgebrachte Krasnaer rechnen. Die Gendarmerie war hart, die bestohlenen Bauern gnadenlos. Es ist immer wieder vorgekommen, daß eine Gerichtsverhandlung nicht stattzufinden brauchte, weil die Angeklagten die Verhaftung nicht überlebten. Es gibt Erzählungen und Gerüchte, daß manch einer gelyncht wurde.
Otto Engel berichtet über einen Pferdediebstahl2): „Wer gute Pferde hatte, mußte aufpassen. Spitzbuben hat es bei uns auch gegeben. Einem Krasnaer haben Diebe einmal zwei Stuten gestohlen: einen Fuchs und eine Schwarze. Pferd’ waren das, wunderschöne Pferd’, das kann ich Ihnen sagen! Am hellichten Tag haben drei Spitzbuben dem Bauern vor der Schenke auf dem Tarutinoer Markt die Pferde gestohlen. Die Fohlen waren zu Hause im Stall geblieben. Der Bauer hatte die Pferde vor dem Wagen angeschirrt stehen lassen. Da waren die Diebe auf den Wagen gesprungen, haben auf die Pferd’ eingeschlagen und sind durch den Ort gejagt. Auf und davon. Von Tarutino hat man in die Dörfer telefoniert, wo die Diebe hätten durchkommen müssen. Der Mann hat seine Pferde auch zurückbekommen. Aber seine schwarze Stute ist ihm danach verreckt. Die Diebe hatten die Pferde einfach „übertrieben“.
Was das für Pferde waren! ‚Schön wie die Blumen’, haben unsere Leut’ gesagt. Der Mann hat noch oft nach Akkerman zum Gericht fahren müssen, wegen dieser Sach’. Sie hatten nur zwei Diebe erwischt, der dritte war vorher abgesprungen.“

Um sich vor kriminellen Machenschaften wenigstens etwas zu schützen, wurden seit Beginn der Besiedlung von Krasna Wachen eingesetzt (s. unter Ziff. 4.9 Gerichtsbarkeit, öffentliche Ordnung und Sicherheit).

1)
Die ganze Geschichte kann man lesen in Alois Leinz, Eine Räubergeschichte, Heimatbuch 25 Jahre nach der Umsiedlung, 1965, S. 299
2)
Der Markt in Tarutino, Otto Engel erinnert sich In: Bisle-Fandrich, Elvire ; Bisle, Hellmuth H.; Tarutino : Zentrum der Deutschen in Bessarabien 1918-1940, S. 163
krasna/h-06-02-00.txt · Zuletzt geändert: 2019/04/03 11:21 von Otto Riehl Herausgeber