2.2.2 Jahre des Aufschwungs; die Entwicklung zwischen 1835 und 1860

Wenn die Menschen sich nach den vielen Rückschlägen in den ersten 20 Jahren ihres Kolonistendaseins dennoch nicht unterkriegen ließen, so zeugt das von ihrem unbeugsamen Willen und einer großen Ausdauer. Nur durch eisernes Sparen und unendlichen Fleiß ließ sich allmählich ein Fortschritt gegen alle Widrigkeiten bewerkstelligen.

Nach schweren Anfangsjahren stabilisierte sich Krasna gegen Ende der 30er Jahre wirtschaftlich, wenn es auch immer wieder Einbrüche gab durch Dürre und andere Plagen. Aber durch gegenseitige Unterstützung und gemeinsame Anstrengungen gelang es den Kolonisten, diese Perioden zu überwinden
⇒ s. Ziff. 6.1 Katastrophen, Seuchen, Mißernten, tierische Schädlinge. Erdbeben
⇒ s. Ziff. 6.4. Gemeinschaftsaufgaben/Selbsthilfeeinrichtungen

In den 30er Jahren begannen sich geordnete Strukturen eines Gemeindelebens abzuzeichnen:

In den 1830er Jahren gingen die Siedler verstärkt zur Getreidewirtschaft über, nicht zuletzt ermöglicht durch inzwischen leistungsfähigere landwirtschaftliche Geräte (Pflüge, Eggen, Dreschgeräte etc.). Ebenso wichtig für den späteren Erfolg war die besondere Pflege des Bodens, den man mehrmals umpflügte, um ihn unkrautfrei zu halten. Zur wichtigsten Anbaukultur für die Kolonisten wurde der Weizen, gefolgt von Gerste, Hafer, Roggen, Mais.

Die guten Ernten der Jahre nach 1835 verhalfen den Bauern zu einem ersten wirtschaftlichen Aufschwung. Dies wurde auch begünstigt durch besseres Zugvieh und durch den inzwischen für russischen Weizen erworbenen stabilen Absatzmarkt in Westeuropa. Durch verbesserte Anbaumethoden wuchsen die Hektarerträge (s. Ziff. 4.1. Die Landwirtschaft in Krasna).

Lehrer R. Hahn aus Borodino schreibt2): „Mit dem Jahre 1842 fing alles an sich zu ändern. SeExzellenz Herr Staatsrat v. Hahn, damals Präsident im Fürsorge-Komitee über die Kolonisten in Süd-Rußland, und der damalige Inspektor Kossowsky, das Übel unter den Kolonisten wohl kennend, drangen gewaltig mit energischen Maßregeln auf Verbesserung aller Zweige der Ökonomie und Kultur unter den deutschen Kolonisten Bessarabiens und wiesen ihnen den Standpunkt an, den sie als Kolonisten haben sollten. …
In dieser Zeit fing auch in den Städten und Jahrmärkten der Handel sich mehr zu beleben an, und die Produkte bekamen einen besseren Wert. Unter den Kolonisten zeigte sich ein Trieb der Konkurrenz, und einer suchte dem anderen in allen Arten der Ökonomie zuvorzukommen.“

Das Fürsorgekomitee kümmerte sich stark um das Fortkommen der Kolonien und trug so zu ihrer positiven Entwicklung bei. Es sorgte auch dafür, daß die Kolonistenstellen alle besetzt und gut bewirtschaftet wurden.

Auch Krasna war von diesen Problemen betroffen. Im Census 1835/18503) werden über 20 Familien Krasnas genannt, die ihre Höfe aufgegeben haben. Die Gründe dafür sind nicht aufgeführt. Man kann aber annehmen, daß es Gründe waren, die eine Bewirtschaftung des Hofes erschwerten oder verhinderten (z. B. Krankheit, Todesfälle aber auch Unzulänglichkeit des Inhabers).

Gleichzeitig sind in der genannten Aufstellung über 25 nach Krasna zuziehende Familien aufgezählt. Diese Veränderungen geschahen im wesentlichen um das Jahr 1840.
⇒ s. Ziff. 7.5 Fluktuation bei den Kolonisten Krasnas

1848 hatte die Gemeinde Krasna wie alle südrussischen Kolonien auf Anordnung des Fürsorgekomitees einen Bericht vorzulegen. Der Gemeindebericht von 1848 (Wortlaut s. Ziff. 10. Dokumente, Berichte, Fakten) berichtet über die Entstehung und die ersten 34 Jahre von Krasna. Geschrieben hat ihn der damalige Lehrer in Krasna Kaspar Matery.

Die oben aufgezeigte positive Entwicklung läßt sich auch daran ablesen, daß Land knapp zu werden begann. Eine Aufteilung des Landanteils unter den Erben war zunächst durch Gesetz ausgeschlossen (s. Ziff. 4.2 Landeigentums- und Erbrecht in Bessarabien). Schon im Jahre 1852 richtete die Gemeinde Krasna eine Petition an Baron von Rosen, den Präsidenten des Fürsorgekomitees, mit der Bitte, der Kolonie zusätzliches Land zur Verfügung zu stellen4). Wir wissen nicht, wie über diesen Antrag entschieden wurde, da bisher keine entsprechenden Schriftstücke aufgetaucht sind. Nach verfügbaren Quellen hat sich die Landfläche Krasnas nach 1852 aber nicht vergrößert.
⇒ s.. Ziff. 4.3 Landbesitzer und Landlose in Krasna

In den 50er Jahren gab es nochmals Rückschläge.

Charakteristisch für die Krasnaer waren Fleiß, Gläubigkeit, Kinderreichtum und Sparsamkeit. Sie überwanden die enormen Anfangsschwierigkeiten und hatten schon nach wenigen Jahrzehnten die Steppe in fruchtbares Ackerland verwandelt. Ihr landwirtschaftliches Können in Verbindung mit günstigem Klima und guten Böden hatte Krasna nach rund 50 Jahren Mühen zu einer gewissen Blüte gebracht. Es war eine schmucke Siedlung, die Straße gesäumt von Akazienbäumen. Sorgfältig bearbeitete Felder und Weingärten, Kirche und Schule, zeugten von einer rastlosen Tätigkeit und wachsendem Wohlstand der Kolonisten.

Zu diesem Zeitpunkt hatten die deutschen Kolonisten, auch die von Krasna, die Erwartungen, die der Zar bei der Ansiedlung in sie gesetzt hatte, soweit es an ihnen lag, erfüllt. Die russische Regierung hat das im Jahre 1859 selbst bekannt5): „Diese Kolonien sind mit einem fleißigen und der Landwirtschaft kundigen Volk besiedelt, das den südlichen Teil des Bezirks belebte, der bis dahin völlig wüste war und in dem Nogai-Stämme ein Nomadendasein führten und keine Reichsangehörigkeit besaßen. Ungeachtet dessen, daß die südlichen Kreise auch heute noch den ursprünglichen Steppencharakter nicht verloren haben, ist die Gegend, die von deutschen Kolonisten bewohnt ist, heute der kultivierteste und blühendste Teil dieses Bezirkes und ist ein sichtbarer Beweis für die Fruchtbarkeit einer planmäßigen, ausdauernden Arbeit.“

In sozialer, kultureller und ökonomischer Hinsicht befanden sich die Kolonisten weit über dem Niveau der damals noch leibeigenen russischen Bauern. Diese Erfolgsstory machte die Deutschen selbstbewußt, andererseits förderte sie auch den Neid anderer, wie die Kolonisten in den Folgejahren leidvoll erfahren mußten.

1)
Ruscheinsky, Eduard; Die Gemeindeverwaltung von Krasna/Bessarabien, Heimatbuch 25 Jahre nach der Umsiedlung 1965
3)
CENSUS: 1835/1850; Krasna Bess/Russ; National Archives of Moldavia, Kischinev
4)
Odessa State Archive, Fond 6, Inventory 3, File 15387
5)
Verzeichnis bewohnter Ortschaften des Russischen Reiches, 1859, Band 111, herausgegeben vom Statistischen Zentralkomitee des Innenministeriums, St. Petersburg 1861