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krasna:g-05-04-02

5.4.2 Deutscher Wirtschaftsverband

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat es Versuche der Deutschen in Südrußland gegeben, den Zwischenhandel für landwirtschaftliche Produkte, der fast ausschließlich in nichtdeutscher Hand war, auszuschalten. Der „Allrussische Kongreß der Deutschen“ im Jahre 1917 hatte Denkanstöße in dieser Richtung gegeben, die sich bei den Bessarabiendeutschen schließlich in der Gründung einer entsprechenden Organisation niederschlugen. Zur Ausschaltung des Zwischenhandels wurde 1921 der Deutsche Wirtschaftsverband mit Sitz in Tarutino als Zusammenschluß deutscher Genossenschaften gegründet.

Christian Necker, der eine Vorreiterrolle bei der Einrichtung von Gemeinschaftsläden spielte, schreibt zu den Anfängen des Wirtschaftsverbandes1): „Wir tauschten unsere Erfahrungen aus und kamen zu der Überzeugung, daß es unser höchstes Ziel sein müsse, alle deutschen Genossenschaften zu einer Dachorganisation zusammenzuschließen. Der Gedanke wurde dem damaligen Präsidenten des deutschen Komitees für Bessarabien, Daniel Erdmann vorgetragen. Auch er war für unser Vorhaben und versprach Unterstützung. Am 7. und 8. Mai 1921 kam es dann zur Gründerversammlung des Wirtschaftsverbandes.

Die Aufgaben des Verbandes waren:

  • Direkter Absatz sämtlicher landwirtschaftlicher Produkte an Großhandelsfirmen,
  • Beschaffung der für die Landwirtschaft nötigen Maschinen und Geräte sowie
  • auch sonstiger Bedarfsartikel für die Bevölkerung direkt vom Großhandel und womöglich direkt von den Fabriken.

…Während ursprünglich eine große Begeisterung für den Zusammenschluß aller Genossenschaften vorhanden war, setzte bald eine Enttäuschung und Mißtrauen der guten Sache gegenüber ein. ….Als dann im Jahre 1926 die Genossenschaftsmitglieder zur Deckung der Verluste herangezogen wurden, trat eine Vertrauenskrise ein, die nur nach jahrelanger mühsamer Aufklärungs- und Geschäftstätigkeit überwunden werden konnte.“

Die weitere Entwicklung des Wirtschaftsverbandes bis zur Umsiedlung beschreibt Konstantin Mayer2). Die Jahre 1927 bis 1935 galten der Aufbauarbeit und dem Wiedererwecken des Vertrauens der Mitgliedsgenossenschaften. Der Sitz des Wirtschaftsverbandes war bis zum Jahre 1925 Tarutino. Jedoch war Tarutino vom Bahnverkehr abgelegen, deshalb mußte die wirtschaftliche Organisation unmittelbar an das Verkehrsnetz verlegt werden. Zu dieser Überzeugung kam Dr. Broneske, der seit 1927 die Geschicke des Wirtschaftsverbandes in die Hände nahm. Mit der Verlegung der Zentrale nach Arzis (1927) wurde eine neue Grundlage für das Unternehmen geschaffen. Im Jahre 1935 hatte der Wirtschaftsverband seine Misere hinter sich. Man gewann wieder Vertrauen, was die Jahresumsätze in den folgenden Jahren belegten.

Der Wirtschaftsverband hatte sich zum Ziel gesetzt, die Produkte der Landwirtschaft zu günstigen Preisen abzusetzen. Allein die Tatsache, daß er auf dem Markt erschienen war, brachte eine Hebung der Preise mit sich. Der Nutzen, den die Bauern davon hatten, kann kaum ermessen werden. Auch die Krasnaer Bauern zogen daraus direkt und indirekt Vorteile.

Die Getreidegeschäfte wurden über die angeschlossenen Genossenschaften getätigt. Der Verband hatte an sämtlichen Bahnhöfen des deutschen Siedlungsgebietes Filialen eingerichtet. Der Verband organisierte Aufkauf und Transport von Getreide in den Donauhafen Braila. Von großer Bedeutung war neben dem Getreidehandel der Bezug landwirtschaftlicher Maschinen. Die Bauern lieferten Getreide und nahmen im Gegenwert die benötigten Maschinen ab.
Über die Zweigstellen des Wirtschaftsverbandes in Galatz und Kischinew organisierte er den Verkauf von Butter und Käse in Städten, auch außerhalb Bessarabiens. Später kam der Ankauf von Wolle und Gänsefedern hinzu. In den Dreißiger Jahren wurden Eier und pasteurisierte Milch nach Bukarest geliefert.

1)
Necker, Christian/Mayer, Konstantin, Das deutsche Genossenschaftswesen in Bessarabien, Heimatkalender der Bessarabiendeutschen 1967, S. 116
2)
Konstantin Mayer: Der Weg aus der Steppe 1940, S. 74 ff.
krasna/g-05-04-02.txt · Zuletzt geändert: 2019/04/02 16:48 von Otto Riehl Herausgeber