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5.3.4 Wegzug von Kolonisten aus Krasna im Jahre 1843

Dieses Kapitel wurde von Eduard Volk komplett überarbeitet
und hier im Januar 2022 übernommen.

Später gab es wieder eine große Gruppe von Leuten, die Krasna verließen. Im Census von 1850 werden 16 ins Ausland weggezogene Familien genannt, ohne dass mitgeteilt wird, aus welchen Gründen und wohin sie wegzogen.

Wegzug von Kolonisten aus Krasna im Jahre 1843

(Quelle: Census 1850

Die Gründe der einzelnen Familien für ihren Wegzug mögen unterschiedlich gewesen sein. Z. B. waren es Familien, die in Krasna keine eigene Hofstätte hatten, vielleicht gab es auch familiäre Gründe. In anderen Fällen wird man annehmen können, dass es Gründe waren, die eine Bewirtschaftung des Hofes erschwerten oder verhinderten (z. B. Krankheit, Todesfälle, aber auch Unzulänglichkeit des Inhabers) oder, dass den Leuten das Kolonistendasein in Krasna zu anstrengend war.

In jener Zeit kamen selbst strebsame Wirte, die keine erwachsenen Kinder hatten und sich fremde Arbeitskräfte nicht leisten konnten, ihrer Verpflichtung nicht immer so nach, wie es das Fürsorge-Komitee verlangte.

Hinzu kam, dass schwierige Jahre vorausgegangen waren (Dürre, Missernten, Epidemien, das Erdbeben von 1838).

Daher ist nachvollziehbar, dass Menschen nach Möglichkeiten suchten, ihre Lebenssituation zu verbessern. Hans Petri schreibt dazu1) „Eine durch Landmangel verursachte Notlage, die durch wirtschaftliche Rückschläge mannigfacher Art wie Fehlernten, Viehsterben und Heuschreckenplage sich bedeutend verschärft hatte, zwang vom Jahre 1841 an zahlreiche deutsche Bauern, meist jüngeren Alters, ihre in Bessarabien und im Gouvernement Cherson gelegenen Wohnsitze zu verlassen und sich auf Wanderschaft zu begeben, um Land zu suchen, ohne allerdings zunächst zu wissen, wo solches zu finden sei.“.

Die Siedlung zu verlassen und sich in einem anderen Teil des Russischen Reiches niederzulassen (eventuell in der Stadt, wo verschiedene Handwerke ausgeübt werden konnten), hätte den Verlust des Kolonistenstatus und die obligatorische Ausübung des Militärdienstes zur Folge gehabt. Deshalb wählten viele das Umsiedeln über die Grenze. Man muss sich vergegenwärtigen, dass damals „Ausland“ aus dem Blickwinkel Bessarabiens praktisch nur Richtung Westen sein konnte, denn nach Osten gab es über tausende von Kilometern nichts als das Kaiserreich Russland.

Bessarabien
Quelle:DW Akademie

Entsprechend stellten die russischen Behörden Ausreisepapiere aus. Der Grenzübertritt wurde Aussiedlern über Sculeni bei Jassi2) zur Rückkehr nach Deutschland vorgegeben.

Russische Behörden unterstellten wohl, dass die aus deutschen Regionen stammenden Kolonisten wieder zurück in deutsche Gegenden ziehen würden. Das mag vielleicht in Einzelfällen vorgekommen sein, aber für die allermeisten galt, was Prokopowitsch schreibt3): „Da diese armen Leute aber nach so vielen Jahren nicht mehr hoffen durften, in ihrem ursprünglichen Vaterland ein Stückchen Feld zum Bebauen zu finden, beschlossen sie, an die Donau … zu ziehen, um … Wohnplätze und Land zum Feldbau angewiesen zu erhalten.“

Die Abwanderung von Bessarabien war nicht behördlich gelenkt und daher unplanmäßig. Es bildeten sich Wandergruppen in Eigeninitiative. Meist reisten einzelne Familien oder kleine Gruppen, die der „Mund – zu – Mundpropaganda“ folgten, sich hier und da umsahen und einen ansiedlungswürdigen Ort auf ihrer Wanderschaft suchten. Es gab kein festumrissenes Ziel, das auf kürzestem Weg erreicht werden sollte. Es galt Land zu suchen und zu finden, egal wo.

Ihre Suche führte die Leute

  • in die Moldau,
  • die Walachai (Muntenia),
  • auf die rechte Seite der Donau (Bulgarien, in die Dobrudscha4) ),
  • in die Steppen Ungarns und Serbiens.

Nachdem die Auswanderer in Jassi angekommen waren, zogen die, die nicht in der Moldau bleiben wollten, über Foscani und Galatz in die Walachei und z.T. von dort weiter.

Man weiß nicht, wie viele Gruppen sich auf den Weg machten. Petri5) hat sieben Gruppen näher untersuchen können, wobei im Wesentlichen evangelische Kirchenbucheinträge halfen6):

  1. Die erste Gruppe verbrachte den Winter 1841/1842 in der Nähe von Braila und ließ sich im Frühjahr 1842 Akpunar in der Dobrudscha nieder
  2. Die zweite Gruppe von katholischen Kolonisten aus Kolonien bei Odessa stammend gründete 1843 Malkotsch in der Dobrudscha.
  3. Eine dritte Gruppe lässt sich Ende 1842 bei Jassi feststellen
  4. Eine Gruppe ist zunächst bis Serbien gekommen, hat sich aber einige Jahre später in der Dobrudscha angesiedelt
  5. Eine Gruppe kam 1842 nach Bukarest und von dort ging ein Teil etwas später über Braila nach Jakobstal (s. 7.)
  6. Eine Gruppe gelangte auf ein Landgut bei Plojescht (Ploieşti), von dort begab sich ein Teil nach Jakobstal.
  7. Mehrere Familien aus den Gruppen Sechs und Sieben ließen sich zunächst in Jakobstal nieder, das schon einige Jahre früher von Kolonisten aus Russland besiedelt worden war; von dort gingen Familien später in die Dobrudscha.

In keiner der von Petri beschriebenen Gruppen werden Krasnaer Kolonisten genannt (aber aus allen evangelischen Nachbardörfern von Krasna kommen Auswanderer).

Wie man sieht, landeten aus den genannten sieben Gruppen viele Familien, oft nach langem Suchen und Herumirren in der Dobrudscha, die damals unter osmanischer Herrschaft stand.

  • Zwei der Gruppen haben sich sofort in die Dobrudscha gewandt:
    • Die erste Gruppe verbrachte den Winter 1841/1842 in der Nähe von Braila und ließ sich im Frühjahr 1842 Akpunar in der Dobrudscha nieder.
    • Die zweite Gruppe -katholischen Kolonisten aus Kolonien bei Odessa stammend- gründete 1843 Malkotsch in der Dobrudscha.
  • Aus den anderen Gruppen gingen viele etwas später ebenfalls in die Dobrudscha.

Das zeigt, die Dobrudscha war der Schwerpunkt der endgültigen Niederlassung der Übersiedler aus Bessarabien.

Wanderung der Krasnaer über Jassy
Bild zeigt: Die Fürstentümer Moldau und Walachei und das ehemalige Großfürstentum Siebenbürgen (18. Jh. Habsburgisches Kronland). Die Karte zeigt die Länder zur Zeit des Dritten Pariser Friedens 1856 und ihrer Vereinigung 1861 als Keimzelle des Staates Rumänien
Bildquelle: Anonimu at the English Wikipedia

Wir wissen nicht im Einzelnen, wo die Krasnaer Aussiedler geblieben sind.
Aber auch sie werden – wie die Aussiedler aus den anderen bessarabischen Kolonien- in der Moldau, der Walachei und am rechten Donauufer nach Land gesucht haben. Dazu gibt es für einige von ihnen Hinweise.

Wir haben oben gesehen, dass Auswanderer, die nicht in der Moldau bleiben wollten, über Foscani und Galatz weiterzogen.

Lediglich für über Galatz Gezogene gibt es bisher ein Dokument, das Auswanderer aus Bessarabien namentlich nennt.

Am 11. Mai 1843 schrieb der österreichische Konsul in Galatz nach Wien7): „Im Februar und März kamen nachträglich aus Bessarabien ausgewanderte deutsche Kolonisten in Galatz an, welche ebenfalls über die Donau zogen und sich den früheren Kolonisten anschlossen“.

Diesem Schreiben lag ein Verzeichnis bei, in dem fünf Krasnaer Auswandererfamilien genannt werden, die am 21. Februar bzw. am 07. März 1843 in Galatz eintrafen.

Hier folgt ein Auszug aus dem Verzeichnis mit den Namen der Krasnaer.

„Verzeichnis der deutschen Kolonisten, welche aus der Gegend von Akierman in Russland Gouvernement Bessarabien, ausgewandert und in Gallatz eingelangt sind“

Zahl der
Familien-
häupter
Vor- und Zuname Abstammung Gatte Weib Kinder Zu-
sammen
Am 21. Februar 1843
1 Martin Maas Aus Preussen 1 1 1 3
1 Peter Bogolowski Aus Preussen 1 1 5 7
Am 7. März 1843
1 Gottfried Brand Aus Preussen 1 1 5 7
Am 21. Februar 1843
1 Konrad Gittel Aus dem Königreich Baiern 1 1 6 8
1 Wendel Mohr Aus Galizien 1 1 4 6

Möglicherweise gingen weitere Krasnaer über Galatz. Wir wissen es nicht. Aber immerhin ist dokumentiert, dass gut 31 % der 1843 aus Krasna weggezogenen den Weg über Galatz nahmen.

Nachfolgend sind die Dokumente mit Angaben zu diesen Familien in Bezug auf ihren Wegzug nebeneinandergestellt:

Krasna
Revisionliste (Census) 1835
Wegzug von Krasna ins Ausland
um das Jahr 1843
(Quelle: Census 1850)
„Verzeichnis
Kolonisten aus Bessarabien
in Galatz eingelangt„
Konrad Hittel 38 -
Wife: Susanna 28
Sons: Jakob 16, Johann 14, Paul ½
Daughter: Elisabetha 7
Konrad Hittel (weggezogen ins Ausland in 1843) Am 21. Februar 1843
Konrad (G)Hittel
Mann, Frau, sechs Kinder
Mit seiner 2. Frau Susanna Novak
hatte er sechs Kinder
Wendelin Mohr 37 -
Wife: Maria Eva 34
Sons: Johann 16, Anton 8, Frederik 4, Klemens 2
Daughter: Magdalena 6
Wendelin Mohr (weggezogen ins Ausland in 1843) Am 21. Februar 1843
Wendel Mor
Mann, Frau, vier Kinder
Das Paar hatte vier Söhne, die beiden älteren Kinder blieben in Krasna
Peter Bogolowski 31 -
Wife: Katharina 27
Son: Martin 5
Daughters: Viktoria 2, Helena ¼
Peter Bogolowski (weggezogen ins Ausland in 1843) Am 21. Februar 1843
Peter Bogolowski
Mann, Frau, fünf Kinder
Lt. OFB Krasna stimmt Kinderzahl nicht
Martin Maas 53 -
Wife: Katharina 50
Daughter: Anna 12
Martin Maas (weggezogen ins Ausland in 1843) Am 21. Februar 1843
Martin Maas
Mann, Frau, ein Kind.
Lt. OFB Krasna alle dort bekannten Kinder in Krasna geblieben
Ferdinand Maas (Sohn von Georg Maas) kommt in Dobudscha vor
Gottfried Brandt 33 -
Wife: Sophia 31
Sons: Martin 9, Johann 7
Daughter: Elisabetha
Gottlieb Brandt (weggezogen ins Ausland in 1843) Am 07. März 1843
Gottfried Brand
Mann, Frau, fünf Kinder
Lt OFB Krasna hatte Paar fünf Kinder.

Wie sie von Galatz weiterzogen, ist nicht bekannt. Schon der österreichische Konsul in Galatz wusste nichts über ihren Verbleib; er schreibt: „Eingezogenen Nachrichten zufolge sind die mehrerwähnten Colonisten seit dem Monat April sämtlich über die Donau gegangen und haben sich in der Walachei auf eine Weise zerstreut, dass sie nicht aufzufinden sind.“

Es ist gut möglich, dass die genannten Krasnaer - oder einige von ihnen – in Galatz oder später auf die Gruppe stießen, die Malkotsch in der Dobrudsche gründete (Gruppen 2 bei Petri). Jedenfalls tauchen drei Familien dort in den ersten Kirchenbüchern auf. Wie und wann sie dort hinkamen, war noch nicht herauszufinden.

In Malkotsch trafen die ersten 20 bis 25 deutschen Familien 1843 ein. Sie kamen aus den katholischen Kolonien des Gouvernements Cherson8), aus Josephsthal, Mannheim, Elsaß, Landau, Katharinenthal, „im ganzen aus 10 verschiedenen Dörfern“9). Ihr Weg hatte sie

  • durch Bessarabien und
  • die Moldau nach Focsani und
  • von da durch die Walachei bis Calarasi geführt. In der Nähe dieser Stadt hatten sie sich in einem Dorf Dschuroi(?) niedergelassen und es dort eineinhalb Jahr ausgehalten.
  • Dann zogen sie wieder ab und gelangten über Galatz in die Dobrudscha.

Da man damals größten Wert darauf legte, mit religiös Gleichgesinnten zusammenzuwohnen, spricht viel dafür, dass unsere Krasnaer zwischen 1843 -1846 nach Malkotsch kamen. Jedenfalls weist die ab 1847 geführte Gemeindeliste die Krasnaer Namen Hittel, Brandt, Bogolowski aus, die in dem oben aufgeführten Verzeichnis der über Galatz gezogenen Aussiedler erscheinen.

Das Gebiet der Dobrudscha heute: in Bulgarien gelb, in Rumänien orange
Bildquelle: Lamotz aus commons.Wikipedia

Traeger : „Der erste Catalogo dello stato dell’anime esistenti in Malkoc 184710), 1novembre, führt 28 Familien mit 134 Seelen an. Sie tragen folgende Namen: Heret (Ehret), Kunzler, Mak (Mach, Mack), Hittl, Baumstergk (Baumstark), Anghat (Ankert), Hek (Heck), Kres (Gres, Greß), Rifll (Riffel), Kooset (Kost), Hoffart, Klaaen (Klain, Klein). Prendel, Frank, Kiffer (Kiefer), Vaidaman (Weidemann), Drescher, Kokert (Gugert), Book, Scmit (Schmidt), Bruker (Brücker), Haispelader. Weitere Einwohnerlisten aus den folgenden Jahren finden sich nicht im Buche. Doch erkennen wir aus den übrigen Eintragungen, wie das Dorf bis 1861 allmählich durch frischen Zuzug gewachsen ist. Neben den alten Familiennamen erscheinen neue: Vahner, Screder (Schroeder), Brand, Krieger, Führer, Martin, Weiß, Sießler (Schüßler), Türk, Mehle (Melle), Keim, Geiß. Tuchserer (Tuchscheerer), Hink, Waibl u. a., auch ein polonista Bukalovski (Bobolovski).“

In den 1870er Jahren zogen weitere Krasnaer Kolonisten in die Dobrudscha. Eine Gruppe davon gründete Karamurat.

Link zu den Orten:

1)
Petri, Hans: Geschichte der deutschen Siedlungen in der Dobrudscha, Hundert Jahre deutsches Leben am Schwarzen Meer, München 1956, S. 33
2)
Nach Informationen vom Arzt Bernhard Kallmann, der sich damals um die provisorische Administration des Konsulates von Preußen in Jassy kümmerte, überquerte die Mehrheit den Grenzfluss Pruth bei Sculeni nach Jasi, wo die Familien „getrennt ankamen“.
Quelle: Vasile Docea: Deutsche Immigranten und Kolonisten in Rumänien (das 19. Jahrhundert) Kolonisationsversuche in der Moldau und in der Walachei in den Jahren 1842-1843
See discussions, stats, and author profiles for this publication at:
Deutsche Auswanderer und Kolonisten in Rumänien im 19. Jahrhundert
Conference Paper · December 2013 DOI: 10.13140/RG.2.1.4584.8404
3)
Prokopowitsch, Erich: Der Leidensweg deutsch-russischer Kolonisten im Jahr 1842/1843
Süddeutsches Archiv, IV. Band, 1961, S. 58 - 69
4)
Die Dobrudscha ist eine historische Landschaft zwischen dem Unterlauf der Donau (rechtes Ufer) und dem Schwarzen Meer.
5)
Petri, Hans: Die ersten Einwanderungen deutscher Bauern aus Bessarabien und. Südrussland in die Dobrudscha. Ein Stück deutschen Schicksals im 19. Jahrhundert
Südost-Forschungen 7, 1942 - IOS Regensburg, › SOF › SOF1942
6)
Petri hat festgestellt, dass es weitere Gruppen gab, für die aber keine Daten zu ermitteln waren.
7)
Prokopowitsch, Erich: Der Leidensweg deutsch-russischer Kolonisten im Jahr 1842/1843
Süddeutsches Archiv, IV. Band, 1961, S. 58 - 69
8)
Zu vielen dieser Orte bestanden familiäre Verbindungen aus Krasna
9)
Träger, Paul: Die Deutschen in der Dobrudscha,zugleich ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Wanderungen in Osteuropa
Original erschienen Stuttgart 1922 Ausland und Heimat Verlags-Aktiengesellschaft
Heinz-Jürgen Oertel, Halle (Saale) 2012
Der Text ist der unveränderte Nachdruck des Original Werks von Paul Traeger
Traeger S. 45: katholischen Kolonien des Gouvernements Cherson, aus Josephsthal, Mannheim, Elsaß, Landau, Katharinenthal, „im ganzen aus 10 verschiedenen Dörfern“.“
10)
In Träger Fußnote 8, S. 47
ebook/herkunft/g-00-03-40.txt · Zuletzt geändert: 2022/01/28 09:23 von Otto Riehl Herausgeber