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ebook:herkunft:g-00-03-50

5.3.5 Zuzug von 22 Familien aus den Odessa-Kolonien um 1843

Bereits im Abschnitt “1.4 Herkunft der Krasnaer Vorfahren und ihre Wanderung nach Krasna“ wurde darauf hingewiesen, dass eine Gruppe der späteren Krasnaer Familien aus ihrer ursprünglichen Heimat Elsass und Baden zwischen 1803 und 1830 nach der Region Odessa zog. Von dieser Gruppe übersiedelten 22 Familien aus Kolonistenbezirken bei Odessa (s. Karte unten) um 1843 nach Krasna. In der Region Odessa war zu wenig Land für die Landwirte. In Krasna wurden Plätze frei, denn mindestens 16 Familien zogen um 1843 ins Ausland oder in andere Kolonien (siehe vorangegangener Abschnitt).

Aus Odessa-Kolonien um 1843 nach Krasna zugewanderte Kolonisten:
Quelle: Census für Krasna 1850; Kishinev Archive File 134-2-689

  1. Bachmeier, Annachn (1790), von Josephstal nach Krasna 1843
  2. Bauer, Mateas (1802), nach Krasna 1845
  3. Braun, Gebhard (1792) , von Mariental/Franzfeld nach Krasna 1843
  4. Drefs, Michael (1800) , von Kleinliebenthal nach Krasna 1843
  5. Götz, Christian (1798) , von Kleinliebenthal nach Krasna 1843
  6. Herrschaft, Johannes (1808), von Selz/Kutschurgan nach Krasna 1849
  7. Ihli, Joseph (1801) , von Kleinliebenthal nach Krasna 1843
  8. Ihli, Sebastian (1799) , von Baden nach Krasna 1843
  9. Keller, Georg (1809) , von Speier nach Krasna 1843
  10. Keller, Jacob (1819) , von Speier nach Krasna 1843
  11. Koch, Jakob (1808) , von Josefstal nach Krasna 1843
  12. Kreis, Florian (1806) , von Alexanderhilf nach Krasna 1816
  13. Kunz, Georg (1797) , von Sulz nach Krasna 1843
  14. Matery, Kaspar (1802) , von Franzfeld nach Krasna 1843
  15. Nagel, Elias Peter (1802) , von Baden nach Krasna 1843
  16. Nold, Joseph (1808), von Franzfeld nach Krasna 1843
  17. Schreiber, Jakob (1805) , von Landau nach Krasna 1843
  18. Spitznagel, Heinrich (1801) , von Glückstal nach Krasna 1845
  19. Steiert, Johannes (1791) , von Franzfeld nach Krasna 1843
  20. Steiert, Andreas (1794) von Kleinliebenthal 1843
  21. Volk, Klemens (1802), von Baden nach Krasna 1843
  22. Wolf, Leonhard (1791) , von Josefstal nach Krasna 1843


Wie und wann kamen die Siedler nach Odessa

Krasnaer Vorfahren-Familien aus dem Elsass und Baden wanderten zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach Südrussland aus und zwar Mitglieder u.a. der Familien

  • Bachmeier, Däschle, Ibach, Ihli, Kunz, Nagel, Nold, Steiert, Spitznagel, Volk, Wolf aus Baden,
  • Herrschaft, Keller, Matery, Schreiber, Zerr, aus dem Elsass.

Sie gehörten zu den sogenannten „Schwarzmeerdeutschen“. Das waren deutsche Auswanderer, die sich am Nordufer des Schwarzen Meeres zwischen den Flüssen Bug und Dnjester niederließen, nahe der Hafenstadt Odessa. Ihr Siedlungsgebiet befindet sich heute auf dem Staatsgebiet der Ukraine.

Russlands Zar Alexander I. suchte Menschen für seine neu eroberten Gebiete am Schwarzen Meer und warb dafür besonders in Deutschland. Er forderte in einem Erlass vom 20. 2. 1804 von den Auswanderern die Erfüllung bestimmter Bedingungen:

  1. Mindestvermögen 300 Gulden,
  2. gutes Leumundszeugnis der Heimatbehörde,
  3. Musterlandwirte mit guten landwirtschaftlichen Kenntnissen, auch im Weinbau,
  4. gut gebildete Handwerker.

Die Auswanderungswelle ins Schwarzmeergebiet begann ab 1803. Auswanderungswillige aus dem Elsass, der Pfalz und Baden konnten sich in eigens dafür eingerichteten Sammelstellen in Frankfurt, Rothenburg, Regensburg, Ulm und Lauingen an der Donau melden. Einreisewillige mussten dabei „Pässe, Zeugnisse oder andere Scheine, die von Magistraten oder Gemeinden ausgestellt, die Bescheinigung eines guten Lebenswandels des Vorzeigers enthalten sollten“, vorlegen.
Die Werbung für Neu-Russland wurde durch den Erlass des russischen Außenministers vom Februar 1820 eingestellt. Kleinere Einwanderergruppen kamen aber immer wieder mit Sondergenehmigungen in das Land. Darunter war auch die Familie von Elias Nagel, die erst 1829/1830 ausgewandert ist.


Der Reiseweg

Die Reisewege von Auswanderern waren lang, unsicher und beschwerlich.
Die Auswanderer aus dem Unteren Elsas gingen über den Rhein und sammelten sich in Plittersdorf bei Rastatt. Hinzu stießen noch Auswanderer aus der Pfalz und Baden. Die Kolonnen zogen über Land bis Ulm.

Ab Ulm und Lauingen wurden sie durch die „Russisch-Kaiserliche Colonie Transport Station“ mit Schiffen (Ulmer Schachteln) auf der Donau nach Regensburg oder Wien gebracht. Von hier gab es zwei Routen

  1. eine über Land durch die Karpaten und Galizien nach Russland (Dubosary),
  2. eine weitere auf der Donau (ab Galatz oder Ismail über Land nach Dubosary und weiter nach Odessa)

Der Weg über Land

Die Gruppe, die den Landweg wählte, musste von Regensburg oder Wien über Böhmen, Mähren, Schlesien, Galizien bis zur russischen Grenzstadt Radziwillow ziehen und weiter nach Dubossary und Odessa. Eine andere Variante des Landwegs ging von Frankfurt/a.M. über Leipzig, Dresden, Breslau, Lemberg /Lvov), Radziwillow. Wegen schlechter Wege dauerte damals die Überlandreise fast drei Monate. In Radziwillow ließen sich viele junge Leute trauen, um als Familie das Recht auf eine ganze Landwirtschaft zu erwerben. In Radziwillow wurde überwintert, dann ging es weiter über Podolien zur Dnjestrmündung.

Der Weg über die Donau

Die Auswanderung begann auf leicht gebauten, hölzernen Lastkähnen, den so genannten Ulmer Schachteln. In Wien wurden die Auswanderer auf andere Donauschiffe verteilt. Trotz Epidemien, Hitze, Kälte und Schiffsbrüchen gelangten zwischen 1803 und 1830 zahlreiche Siedler auf der Donau über Wien - Budapest und Belgrad bis zur ehemaligen türkischen Festung Ismail im Donaudelta. Von dort aus ging es weiter über Land nach Dubossary oder Odessa. Hier erfolgte die Zuweisung in die einzelnen Kolonien im Schwarzmeergebiet. Die ersten deutschen Auswanderer aus dem Südwesten (Württemberg, Baden, Elsass, Lothringen, Pfalz) trafen im Herbst 1803 ein.
Über die Strapazen und Gefahren, denen die zukünftigen Kolonisten ausgesetzt waren, gibt es Reiseberichte, die als Beschreibungen oder als Briefe vorliegen.

Bei der „Ulmer Schachtel“ handelte es sich um einen langen Lastkahn mit einem hausartigen Aufbau. Die Länge betrug insgesamt 30 m, die Höhe der Bordwand, gemessen in der Mitte des Lastkahns, 150 bis 160 Zentimeter, die größte Breite 7,5 m, die Länge des hausartigen Aufbaus 5 bis 6 m. Die Höhe des Kahns betrug insgesamt etwa 4 m. Das Fahrzeug verfügte am Bug und in der Mitte des Schiffes über 2 Ruderblätter, am Heck über 2 bis 4. Mit diesen Ruderblättern wurde auch gesteuert.

Transportlisten liegen nur teilweise und nur über die ersten Transporte in den Jahren 1803/1804 vor, nicht über die Reisen der zweiten großen Einwanderungswelle 1808-1810. In den vorhandenen Listen sind spätere Krasnaer nicht zu finden. Sie kamen entweder mit den nicht aufgelisteten Transporten oder auf eigene Faust.
Um zu demonstrieren, welche Strapazen die Auswanderer auf sich nahmen, wird hier der Verlauf des ersten Transports beschrieben: Der französische Offizier Franz Ziegler warb 1803 insgesamt 1141 Personen an und sandte sie in zehn Transporten von Ulm nach Odessa. Am 20. 06./02. 07. ging der erste Transport ab, die weiteren folgten im Abstand von jeweils 10 – 15 Tagen. Die Überfahrt von Ulm bis Galatz auf der Donau und von dort auf dem Landweg weiter nach Dubosary dauerte zwischen 82 und 88 Tagen.
Die Hälfte der Angehörigen des 1. Transportes kam schon krank in Galatz an, wo es keinen Arzt gab. Von Galatz bis zur russischen Grenzstadt Dubosary brauchte der Transport zehn Tage. Auf dieser Strecke verstarben mehrere Personen. Viele der Ankömmlinge, die am 24. August 1803 Dubosary erreichten, waren krank. 91 Personen des ersten Transports konnten die Quarantäne am 4. September verlassen. 61 von ihnen wurden nach Odessa weitergeleitet, die restlichen 30 blieben vorerst in Dubossary.
Im ersten Transport reiste Franz Däschle mit, der Schwiegervater des 1843 nach Krasna gezogenen Johann Steiert.

Die Koloniegründungen im Raum Odessa

Die ersten deutschen Auswanderer aus dem Südwesten (Württemberg, Baden, Elsass, Lothringen, Pfalz) trafen im Herbst 1803 in Odessa ein.
Für die Anlage der Siedlungen für die ankommenden Auswanderer stellte die russische Regierung Land zur Verfügung. Dieses bildete keine zusammenhängende Fläche, sondern wurde, entsprechend dem Ziel, Musterlandwirte anzusiedeln, an mehreren Stellen zugeteilt. Die darauf gegründeten Dörfer wurden zu folgenden vier Kolonistenbezirken zusammengefasst (In allen vier Bezirken wohnten zunächst spätere Krasnaer Siedler; ihre Domizile sind nachstehend rot markiert).

Abb. 31: Ehemalige deutsche Kolonistenbezirke am Schwarzen Meer
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzmeerdeutsche#/media/File:BlackSea.svg

Die geschlossenen Siedlungsgebiete im Schwarzmeergebiet.

  • Das Großliebentaler Gebiet liegt in unmittelbarer Nähe der Stadt Odessa. Der 17. Oktober 1803 gilt als Gründungstag. Zar Alexander I. kaufte an diesem Tag Land für die Kolonisten an. Die älteste Siedlung war Großliebental. In den Jahren 1804 bis 1806 entstanden weitere Kolonien, insgesamt waren es zehn; sechs waren evangelisch (Großliebental, Alexanderhilf, Neuburg, Peterstal, Freudental, Lustdorf) und 4 katholisch: Mariental,
    Kleinliebental = Drefs, Götz, Joseph Ihli, Andreas Steiert
    Josefstal = Bachmeier, Koch, Wolf
    Franzfeld = Braun, Matery, Nold, Johann Steiert
    Die evangelischen Ansiedler stammen zumeist aus Württemberg, Baden und der Pfalz; die Katholiken aus dem Elsass und der Pfalz.
  • Das Kutschurganer Gebiet – so benannt nach dem gleichnamigen Flüsschen, an dem 4 von den 6 Dörfern lagen. Die meisten der Einwanderer stammten aus dem Elsass, aus Baden und aus der Pfalz. Sie kamen 1808 in der zweiten Einreisewelle. Die sechs Kolonien des Bezirks waren katholisch:
    Baden = Sebastian Ihli, Volk, Nagel
    Selz = Herrschaft.
    Kandel, Mannheim, Elsaß, Straßburg.
    Auf Höhe der ehemaligen Kolonie Baden liegt heute die Grenze zwischen der Ukraine und Moldawien.
  • Das Beresaner Gebiet – benannt nach dem Flüsschen Beresan (gegründet 1809/1810). Es handelt sich um 4 evangelische (Johannestal, Rohrbach, Waterloo, Worms) und 7 katholische Gemeinden Karlsruhe, Katharinenstadt, München, Rastadt,
    Landau = Schreiber
    Speier = Keller,
    Sulz = Kunz.
    Die Einwohner des Beresaner Gebietes stammten zum größten Teil aus Baden, dem Elsass, Württemberg und der Pfalz.
  • Das Glückstaler Gebiet, (gegründet 1808) bestehend aus 4 evangelische Gemeinden
    Glückstal = Spitznagel,
    Bergdorf, Neudorf, Kassel. Die Herkunftsländer sind vorwiegend Württemberg, Elsass und Baden.

ebook/herkunft/g-00-03-50.txt · Zuletzt geändert: 2023/06/30 16:49 von Otto Riehl Herausgeber