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krasna:f-04-09-02

4.9.2 Polizei- und Sicherheitsorgane

Russische Zeit bis 1871

Die Polizei- und Sicherheitsorgane waren in alter Zeit die Amtspersonen des Ortes. Der Schulz und seine Beisitzer konnten bei strafbaren Handlungen wie Diebstahl, Schlägereien, Nichtbefolgung von Befehlen etc. polizeiliche Maßnahmen ergreifen. Sie konnten Übeltäter verhaften. Sie konnten unordentliche und faule Siedler ermahnen und mit Geldstrafen belegen. Wenn es ihnen notwendig erschien, vermochten sie die Betreffenden aber auch mit Gemeindearbeiten zu beauftragen oder sogar bei „Wasser und Brot“ zu arretieren. Brachten diese Strafen nicht den gewünschten Effekt, so war der Dorfschulze im Einverständnis mit den angesehensten Kolonisten sogar berechtigt, Körperstrafen zu verhängen (bis zu 30 Peitschenhiebe). Wenn es notwendig war, griff der Kolonialinspektor ein.

Das Dorfgefängnis

In den Dörfern gab es jeweils ein Dorfgefängnis „Ostrok“. Das Gefängnis von Krasna bestand aus einem kleinen Raum in der Kanzlei mit einer Bank zum Sitzen und einer Pritsche zum Liegen.

Eine Anekdote über das Gefängnis von Krasna findet sich bei Ruscheinsky1): „Über die richterlichen Amtsbefugnisse unserer früheren Oberschulzen zirkulierten in der Gemeinde so manche lustigen Dorfgeschichten. So zum Beispiel bekam einmal ein älterer Mann M.H. einen Arrest. Die Leute sagten einfach in unserer Krasnaer Ausdrucksweise: ‚M.H. muß sitzen’. Das Gefängnis war kein ansehnliches Gebäude. Es bestand aus einem Raum, der einfach Kämmerchen genannt wurde. Dieses Kämmerchen hatte eine einfache Zelle mit einer Bank zum Sitzen und einer Pritsche zum Liegen. Nur männliche Personen bekamen zwei Tage Haft. Die Frauen mußten für die zwei Tage Gefängnis Fronarbeiten an den Gemeindegebäuden verrichten. Meistens bestanden diese Arbeiten im Weißen der Schule und anderer Gemeindegebäude. Zum Fall M.H. möchte ich noch hinzufügen, daß der Oberschulz für den alten Mann sein zu strenges Urteil mildern wollte und den Schütz zum Kämmerchen schickte, um den alten Mann herauszulassen. M.H. weigerte sich, das Kämmerchen zu verlassen. Der Schütz sagte zu ihm: ‚Geh doch raus!’ M. H. gab zur Antwort: ‚Ich muß doch sitzen und ich will weiter sitzen’.“

Russische Zeit nach 1871

Der Aufbau des Polizei- und Sicherheitswesens war nach mehrmaligen Veränderungen etwa um 1890 wie folgt:

  • Krasna gehörte zu Kreis Akkerman. An der Kreisspitze stand ein „Kapitan-Ispravnik“, er war mit großen polizeilichen Befugnissen ausgestattet.
  • Darunter folgte der Landvogt (Zemski Natschalnik), der sich im wesentlichen mit Kontrollbefugnissen über mehrere Wolosti (= Gebiete) befaßte und auch mit Polizeiaufgaben betraut war. Er hatte seinen Sitz in Tarutino.
  • In der Wolost war die Polizei vertreten durch den Pristav (= Polizeihauptmann) und durch einen Urjadnik (= Polizeileutnant bzw. -feldwebel) und ein oder zwei Gendarmen, die vom Stanowoj Pristaw beaufsichtigt wurden.
    Der Pristav und die Urjadniki hatten mehr Überwachungsfunktionen. Im Außendienst waren auch berittene Polizisten eingesetzt, deren Anführer „Straschnik“ genannt wurde.
  • Der Schulz/Oberschulz hatte weiterhin Polizeigewalt.
  • Neu waren die Sotski und Desjaktski.
    Der Sotski als Stellvertreter des Schulzen kümmerte sich um die Einstellung der Hirten, um die Verwaltung der Gemeindeweide, um den Feuerschutz und die Stellung von Fuhren und Frönern (s. Unentgeltliche Dienste).
    Die Desjatskie (Hilfspolizisten) erfüllten gemeindepolizeiliche Aufgaben, beaufsichtigten die Jugend, schritten bei Ruhestörungen ein, teilten die Nachtwachen ein und beaufsichtigten diese.

Dorfwache/Nachtwache

Der Sicherheit der Gemeinde und ihrer Bürger dienten Wachen (Selbstschutz), die die Gemeinde organisierte und wozu sie bereits durch die Instruktionen von 1803 und später auch nach dem Gesetz von 1871 verpflichtet war. E. Ruscheinsky2): „Die Oberschulzen hatten die Aufsicht über die Ordnung im Dorfe. Ihnen zur Seite standen zwei Sotzki (Bauernkommissare) und mehrere Polizeidiener (Desjatzki). Diese Hilfsmänner halfen dem Oberschulzen bei der Kontrolle der Nachtwachen, die von der Bevölkerung sowohl im Oberdorf als auch im Unterdorf durchgeführt wurden. In Krasna gab es eine Nachtwache, einfach Dorfwache genannt, für das Oberdorf mit einem Sotzki und mehreren Desjatzkis und eine solche für das Unterdorf.“

Weitere Einzelheiten konnten für Krasna nicht ermittelt werden. Man kann aber annehmen, daß die Wache ähnlich funktionierte, wie nachfolgend für Alt-Posttal3) beschrieben: „Die Nachtwächter mußten früher den Dienst ohne Bezahlung tun. Jede Familie war verpflichtet, einen Mann oder erwachsenen Buben für die Nachtwache zu stellen. Wer selber nicht gehen konnte oder nicht wollte, durfte sich jemanden dafür dingen. Es sind gewöhnlich für jede Nacht etwa 3 oder 4 Wächter eingesetzt worden. Die Wachpiken mußten am nächsten Tag rechtzeitig in der bestimmten Reihenfolge weitergegeben werden. Früher haben der Schulz und seine Amtshelfer die Wachkontrollen durchgeführt. Die rumänische Verwaltung hat später 3 Nachtwächter eingestellt, welche ihren Monatslohn aus der Gemeindekasse bekamen…Einer von ihnen mußte teilweise in der Kanzlei (Primaria) wachen und Telephonanrufe beantworten, während die beiden anderen einer im Unter- der andere im Oberdorf patrouillierte. Mit Trillerpfeifen meldeten sie sich gegenseitig, damit jeder wußte wie weit sie voneinander entfernt sind…In rumänischer Zeit sind die Nachtwächter vom Primar mit seinen Consiliers und manchmal auch von der rumänischen Polizei aus Tarutino kontrolliert worden.“

Aus der Dakota Rundschau vom 13. Februar 1931 können wir einige Namen des Krasnaer Wachdienstes anfangs der 1930er Jahre entnehmen.

  • Sie berichtet, daß Johannes Kopp vom Oberdorf und Josef Bunikofsky vom Unterdorf als Sotzki gewählt wurden.
  • Sie vermeldet die Namen der Wächter von Anfang 1931. Es waren Alex Meer, Benedikt Tschismack, Jakob Josef Paul. Sie erhielten je 700 Lei als Monatslohn.

Rumänische Zeit

Während in russischer Zeit die Polizisten (Uriadniki) und der Staatsbeamte (Pristav) mehr Überwachungsfunktionen hatten, waren in rumänischer Zeit der chef de post und der chef de sectie mit ihren Gendarmen für Ruhe und Ordnung direkt zuständig.

Der Ortspolizeileiter mit seinen Gendarmen war die unterste Polizeibehörde, zuständig für eine oder mehrere Gemeinden. Er unterstand dem Abteilungsleiter im Bezirk. Der Polizeidirektor leitete die Polizei auf Kreisebene. In Krasna gab es eine Polizeistation.
Der Primar (Oberschulz) hatte keine polizeiliche Funktion mehr.

⇒ Zu den Nachtwachen s. oben unter Russische Zeit nach 1871

1)
Eduard Ruscheinsky: Die Gemeindeverwaltung von Krasna/Bessarabien (Heimatbuch 25 Jahre nach der Umsiedlung 1965, nachgedruckt in Erinnerungen an Bessarabien 60 Jahre nach der Umsiedlung; Herausgeber: Landsmannschaft der Bessarabiendeutschen Rheinland-Pfalz e.V.), S. 37
2)
Eduard Ruscheinsky: Die Gemeindeverwaltung von Krasna/Bessarabien, Heimatbuch 25 Jahre nach der Umsiedlung 1965, S. 39
3)
Gäckle, Herbert, Geschichte der Gemeinde Alt-Posttal (Bessarabien), Markgronigen, 1983, S. 244
krasna/f-04-09-02.txt · Zuletzt geändert: 2019/04/02 10:05 von Otto Riehl Herausgeber