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krasna:g-05-05-01

5.5.1 Essen

Die bessarabische Küche wurde von mehreren Einflüssen geprägt: Zum einen waren es die überlieferten Rezepte aus der deutschen Heimat der Vorfahren, zum anderen wurden Gerichte von anderen Nationalitäten übernommen, von Polen, Ukrainern, Moldauern. Der bäuerliche Charakter der bessarabischen Küche ergab sich naturgemäß aus den zur Verfügung stehenden Zutaten und dem dörflich geprägten Leben. In den ersten Jahrzehnten muß man sich die Kost der Kolonisten Krasnas sehr einfach vorstellen. Der Speisezettel war nicht üppig und immer der Jahreszeit angepaßt. Im Laufe der Jahrzehnte traten Veränderungen in den Eßgewohnheiten ein. Die Hauptforderung der Krasnaer beim Essen war: das Essen muß kräftig und nahrhaft sein. Vereinfacht kann man sagen: je wohlhabender die Krasnaer wurden, desto üppiger wurde ihre Kost.

Die wichtigsten Nahrungsmittel

Mehl war die Nummer 1 unter den Nahrungsmitteln der Krasnaer.

  • Brot fehlte bei keiner Mahlzeit. Es war fast immer Weizenbrot. Mischbrot aus Weizen- und Gerstenmehl ist nur in Notzeiten gegessen worden. Das Brot wurde selbst gebacken. Man sagte scherzhaft: „Wenn ein Mädchen Brot backen kann, ist die Zeit für die Hochzeit gekommen.“
  • Kuchen der verschiedensten Art wurden gern gegessen.
  • Mehlspeisen standen bei unseren Vorfahren ganz oben: Kücheln, Knödel, Pirogi (Quarkpasteten), Strudel, Nudeln und Dampfnudeln.

Zur Zubereitung dieser Dinge waren oft Sauerteig oder Hefe notwendig. Man gewann sie wie folgt:

  • Sauerteig stellt sich quasi von alleine her, wenn man Wasser mit Mehl vermischt und das Ganze ein paar Tage stehen läßt. Von dem fertigen Sauerteig nahm man vor dem Backen einen kleinen Teil ab, der beim nächsten Mal als Startkultur für backfertigen Sauerteig diente.
  • Hefe gewann man aus der Weinhefe, die beim Weinkeltern entstand. Man fügte Maismehl hinzu und trocknete das ganze. Vor dem Einsatz wurde ein Klumpen mit Wasser wieder weichgemacht und unter den Backteig gegeben.
Abb. 82: Beim Brotbacken

Fleisch aß man reichlich.

  • Schweinefleisch kam gekocht und gebraten oder als Wurst und Schinken auf den Tisch, überwiegend im Winter.
  • Rindfleisch spielte ebenfalls eine wichtige Rolle.
  • Lammfleisch wurde während der heißen Sommertage bevorzugt (Lammbraten, Borschteinlage etc.).
  • Die Krasnaer aßen gern und reichlich Hühnerfleisch sowohl in der Hühnersuppe als auch als Hühnerbraten.
  • Geräucherte Gänseschenkel und Gänsebrüste wurden als Delikatesse angesehen.

Milch und Milchprodukte waren auch ein wichtiger Bestandteil der Krasnaer Küche. Ohne Milch, Butter und Käse war der Küchenzettel nicht denkbar. Butter stellte man zu Hause her. Der von der Milch abgeschöpfte Rahm wurde in ein Butterfaß gegeben. Das Butterfaß war eine Tonne aus Holz, in der von Hand ein Stößer auf und ab bewegt wurde bis aus dem Rahm Butter enstanden war. Ab Mitte der 1920er Jahre stellten auch Molkereien Butter her.

Schafskäse war bis in die letzten Jahre beliebt. Er wurde vom Melkschäfer hergestellt und konnte, eingesalzen in Tontöpfen, eine zeitlang aufbewahrt werden.
Ein solcher Melkschäfer, ein Bulgare, hatte hinter dem Gartengraben von Georg Steiert seine Melkstelle (Strunga). Die Strunga war mit einem Gehege (Okol) verbunden, in dem er 250 Melkschafe in der Nacht eingesperrt hielt. Die Strunga war aus vier Baumstämmen und einer Überdachung hergerichtet.

Eier wurden neben der Verwendung beim Backen in verschiedener Zubereitung bei den Mahlzeiten gegessen.

Gemüse und Obst

  • Gemüsearten, die heute weit verbreitet sind, wie Rosenkohl, Spinat, Wirsing, Blumenkohl etc. und auch grüner Salat standen nicht sehr hoch im Kurs. Von Nährwert, Vitaminen, Kohlehydraten und ähnlichem wußten unsere Vorfahren noch nichts. Aber Paprika (roh und gebraten), Tomaten, Auberginen und Gurken (auch als Gurkensalat mit Sahne angemacht), standen oft auf dem Tisch. Alle diese Sorten wurden auch sauer eingelegt. Kohl war in Form von Sauerkraut beliebt.
  • Mahlzeiten ohne Melonen (Arbusen) waren im Sommer nicht vorstellbar. Die Melone wurde in Krasna sehr geschätzt (Wasser- und Zuckermelonen). Sie war neben der Weintraube beim Maisabblatten abends das Standardessen. Auf den Tisch kamen meistens die schmackhaftesten Exemplare. Was nicht so gut war, diente den Haustieren zur Nahrung.
  • Weintrauben gab es etwa ab Anfang September. Man aß regelmäßig Weintrauben, oft zusammen mit Schafskäse, eine interessante Abwechslung zu Melonen.
  • Eßkürbisse benutzte man für die Herrichtung von Mahlzeiten (z.B. Kerbsäkichlä).
  • Oliven, Maslinne genannt, (sie wurden als eins der wenigen Nahrungsmittel eingeführt, nicht selbst gezogen)
  • Äpfel, auch getrocknet, wurden gern gegessen.

Die Mahlzeiten

  • Das Frühstück bestand in den Anfangszeiten und bis zur Jahrhundertwende aus verschiedenen Suppen, wie Riwwelsuppe, gebrannte Mehlsuppe und andere; auch Grütze kam häufig auf den Frühstückstisch, meistens war es Maisgrütze. Erst nach der Jahrhundertwende verdrängten Tee und Kaffee die Suppen und Grützen am Morgen. Zum Tee und Kaffee gab es Wurst und Schafskäse sowie Butter, Honig, Sirup, Marmelade, Schinkenspeck.
  • Mittags wurden Mehlspeisen vielfach dem Gemüse vorgezogen. Es gab Strudel, Dampfnudel, Brat- und Pellkartoffel, Verdinschtes und reichlich Fleisch, im Winter Schwein, Rind, im Sommer Hähnchen, Hühner, Enten, Lamm. Schweinefleisch mit Sauerkraut und Stampfkartoffeln (Stambes) galt im Winter als gutes kräftiges Mittagessen.
  • Abendbrot bestand meistens aus einer geschmälzten oder sauren Suppe, Wurst, Speck, Eier, Brot und Tee. Im Sommer verlagerte sich die Hauptmahlzeit auf den Abend, weil alle Familienangehörigen, auch die Kinder, soweit sie schon arbeiten konnten, über Tag auf dem Feld helfen mußten. Im Sommer gab es abends oft Mehlspeisen.

Bei den Mittags- und Abendmahlzeiten kam auch Gemüse und Obst auf den Tisch. Im Winter aß man sauer eingelegtes Gemüse wie Gurken, Paprika, Tomaten und Arbusen (s. unter Haltbarmachen).

Die aufgetragenen Speisen waren sehr von der Jahreszeit abhängig, das hatte auch etwas damit zu tun, daß man Speisen nur begrenzt haltbar machen konnte. Man aß, was in der jeweiligen Jahreszeit vorhanden war. Im Winter gab es oft die ganze Woche Schwein, im Frühjahr Lamm, im Sommer Hühner und im Herbst Weintrauben mit Schafskäse.

Essen auf dem Feld

Weil die Äcker weit vom Dorf entfernt lagen, nahmen unsere Eltern im Sommer die Verpflegung für Mittagessen und Vesper in der Feldkiste (Steppenkasten) verpackt mit aufs Feld. Auch Trinkwasser mußte in einem Wasserfaß auf dem Wagen mitgenommen werden.
Vielfach gab es auch Brot, Speck, Käse, Oliven, Dauerwurst, Milch, auch Buttermilch, Butter.
Eingebratenes wurde während der Feldarbeiten gern als Vesperspeise verzehrt. Bei weit entlegenen Feldern auf der Steppe wurde dort gekocht.

Abb. 83: Essen auf dem Feld

Hier einige in Krasna beliebte Gerichte

Mehlspeisen
Dammnudele (Dampfnudeln),
Strudele (z. B. mit Hähnchen oder als Käsestrudeln),
Knedele (Knödel) in verschiedenen Ausführungen, z.B. Krautknedele,
Kücheln verschiedener Art, wie Käskichlä, Ritzkichlä, Kerbsäkichlä (Kärbseplatischnie = mit gesüßtem Kürbis gefüllt). gegangenä Kichlä,
Stierum (ähnlich wie Kaiserschmarren, aber meist ohne Rosinen) Kartoffeln, Gemüse
Sauerkraut und Stampfkartoffeln,
Verdinschtes (Kartoffeln mit Hähnchen- oder Schweinefleisch, z.B. Rippchen gegart).
Suppen
vor allem Hühnersuppen mit Nudeln und Makkaroni,
Sehr beliebt war Bortscht (russisches Eintopfgericht mit Kohl, Rote Beete. Möhren).
Geschmelzdi Riwwelsupp (geschmälzte Mehlklümpchen in Fettbrühe).

Rezepte anderer Nationalitäten, die in den Speiseplan aufgenommen wurden. (Man erkennt sie schon an den Bezeichnungen).

Hier einige Beispiele:
Piroggi (Mehlspeise) mit Füllung aus Quark oder Pflaumen,
Galrei, eine Art Sülze aus Schweinefleisch, Zutaten: Füße, Ohren, und andere Teile,
Bastram: im Backofen getrocknetes Rindfleisch, auch Gänse- und Entenschenkel.
Ikri: aus Tomaten, manchmal auch Auberginen (in Bessarabien Eierfrüchte genannt) und Paprika hergestellt (zunächst im Backofen geschmort, dann feingehackt und miteinander vermischt).
Halubzi: Als Sauerkraut eingelegte Krautwickel gefüllt mit Schweinefleischstückchen, Kartoffeln und Reis
Mamelik: festgekochter Brei aus Maismehl.

Sowohl die Namen der Speisen als auch die Rezepte selbst waren manchmal von Familie zu Familie leicht unterschiedlich.
Im einzelnen wird auf einschlägige Bücher mit Rezepten aus der bessarabischen und der Krasnaer Küche verwiesen1), z. B.

  • Helene Krüger-Häcker: Dampfnudeln und Pfeffersoß,
  • G.Knopp-Rüb / LM: Bessarabische Spezialitäten,
  • Nelly Däs: Kochbuch der Deutschen aus Rußland.

Naschzeug

  • Sonnenblumenkerne: Kerneknacksen war ein sehr beliebter Zeitvertreib bei Alt und Jung, besonders an Sonn- und Feiertagen und an den langen Winterabenden.
  • Halva im wesentlichen aus Sonnenblumenkernen und Öl hergestellt. Es hat einen ganz eigenen Geschmack. (Es ist rund um das Schwarze Meer in unterschiedlicher Form und Zubereitung bekannt)
  • Süßholzwurzeln (vom wildwachsenden Süßholzstrauch),
  • Nüsse,
  • Kürbiskerne (geröstet),
  • Maiskörner in Fett gebacken (popcorn).

Für Naschzeug zu Weihnachten (Nüsse, Äpfel, Apfelsinen, Lebkuchen, Johannesbrot, genannt Buchshörner) benutzte man den Sammelbegriff „Saches“.

Haltbarmachen von Lebensmitteln

Es gab keine Kühlschränke, keine Tiefkühlkost, keine Konservendosen.
Lebensmittel, die länger haltbar gemacht werden sollten, mußten mit den damals bekannten konventionellen Konservierungsmethoden behandelt werden.

  • Räuchern: Wurst, Schinken, Speck, Gänsebrust und –keulen. Das Räuchergut wurde nach alten Hausrezepten vorbereitet (mit Salz, Gewürzen). Das Räuchern war ein tagelanger Prozeß. Geräuchert wurde in einer Räucherkammer, die sich oft im Dachgeschoß befand.
    Geräuchertes Fleisch konnte man in der abgekühlten Rauchkammer lange aufbewahren.
  • Pökeln: Fleisch wird lagenweise geschichtet und mit Pökelsalz eingerieben oder bedeckt, dann im Steintopf aufbewahrt.
  • Einbraten: gewürztes Frischfleisch wurde im Backofen gar gebraten und dann zusammen mit geräucherter Wurst in „Schmalzkannen“ (Blechgefäße oder Keramiktöpfe) mit heißem flüssigem Schmalz übergossen und so luftdicht eingeschlossen und konserviert. Es konnte bis zum Sommer des nächsten Jahres aufbewahrt werden.
  • Sauereinlegen: Durch Einlegen in eine saure Lauge, und zwar salzsauer und nicht essigsauer, konnte man Gemüse über längere Zeit konservieren. Das machte man mit Paprika, Tomaten (reife und grüne), ebenso Gurken und halbreifen sowie grünen Wassermelonen. Aus Kraut (Kohl) wurde Sauerkraut gemacht.
  • Zur Haltbarmachung von Gemüse wurden auch Zubindegläser benutzt, in letzter Zeit auch schon Weckgläser.
  • Eine weitere Möglichkeit der Vorratshaltung bot Trockenobst, das vorwiegend aus Apfelscheiben, Birnen und Pflaumen hergestellt wurde.
  • Um Lebensmittel längere Zeit aufzubewahren, hatte man im 20. Jahrhundert praktisch in jedem deutschen Dorf einen Eiskeller. Der Eiskeller war tief in die Erde eingelassen, mit mehreren Stroh- und Erdschichten so gut es ging isoliert.
    Zum Kühlen benutzte man übereinandergeschichtet eine Lage Stroh, eine Lage Eis, eine Lage Stroh, eine Lage Eis usw. In die Mitte stellte man Fässer, Krüge, Kannen mit Kühlgut. Die Gefäße waren gut abgedeckt und das Kühlgut oft mit einem Fettguß (Schmalz erhitzt und über die obere Fleischlage gegossen) luftdicht abgeschlossen. Das Eis wurde gegen Ende des Winters im Kogälnik geschnitten. Die Kühlung funktionierte ungefähr bis Mai/Juni, dann war das Eis geschmolzen.
Abb. 84: In Krasna befand sich ein solcher Eiskeller nahe bei der Lafke
(s. Ziff 3.1 Das Dorf)

Schlachten

Im Herbst wurde das erste Schwein geschlachtet. Ihm folgte vor Eintritt der großen Kälte das zweite oder gar dritte (je nach Größe der Familie). Wer viel Wurst haben wollte, schlachtete gleichzeitig mit dem Schwein auch noch eine Kuh, ein Rind oder ein Kalb. Das gab dann reichlich Wurst und auch genügend Suppenfleisch. Neben dem Preßmagen (einer je Schwein), der niemals fehlen durfte, gab es Leberwurst (soviel man in kurzer Zeit essen konnte, sie war nicht lange haltbar). Andere Wurst (als Dauerwurst, keine Blutwurst), Schinken, Rippenstücke wurden geräuchert oder „eingebraten“ (s. Haltbarmachen von Lebensmitteln).

Es gab in jedem Familienclan bzw. in jeder Nachbarschaft Hausschlachter, die das Schlachten unentgeltlich oder gegen Naturalien besorgten. Schlachttage waren immer kleine Familienfeste. Die Chronik von Alt-Posttal2) beschreibt das Schlachten und das Schlachtfest sehr anschaulich. Hieraus stammt der nachfolgende Auszug: „…Das Schweinestechen geschah ohne vorherige Betäubung und das Blut ließ man wegfließen, weil keine Blutwurst gemacht wurde.…Gewöhnlich ist das saubergeschabte Schwein draußen an einer aufgestellten Leiter, nur bei schlechtem Wetter in einem Raum, an den Hinterbeinen aufgehängt, gut abgewaschen, ausgenommen und gründlich ausgewaschen worden. Während alles was zur Zubereitung von Leberwurst und Preßmagen (Preßwurst) nötig war, auf dem Hof im großen Schlachtkessel kochte, hat der Schlachter mit einem Helfer Därme, Magen und Blase gereinigt…“

1)
Zu beziehen über Bessarabiendeutscher Verein e.V., Florianstraße 17, 70188 Stuttgart
2)
Gäckle, Herbert. Geschichte der Gemeinde Alt-Posttal (Bessarabien), Markgronigen/Wuerttemberg, 1983, S. 106/107
krasna/g-05-05-01.txt · Zuletzt geändert: 2019/05/23 11:24 von Otto Riehl Herausgeber