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krasna:f-04-05-01

4.5.1 Verkehrsinfrastruktur

Generell kann man sagen, die Verkehrsverhältnisse in Bessarabien waren schlecht und blieben schlecht. Vor 1914 waren Reisen besonders beschwerlich. Sie waren zu Fuß, zu Pferd, auf dem Pferdewagen und im Winter auf dem Schlitten zu absolvieren. Nach 1914 hatte man dann eine Eisenbahnverbindung, aber ansonsten waren weiter Pferd und Wagen die tragenden Säulen des Verkehrs. Erst in den 1930er Jahren sah man in Krasna die ersten Fahrräder. Nach Erinnerung von Josef Erker besaß als eine der ersten die Lehrerin Luba Jonike eines. Autos gab es im Ort nicht, nur ganz selten sah man eines auf der Straße durchfahren.
Das unterentwickelte Verkehrssystem behinderte die wirtschaftliche Entwicklung der Kolonien und der ganzen Provinz Bessarabien. Dies galt auch für die Zeit der Zugehörigkeit zu Rumänien. Bessarabien war u. a. wegen der schlechten Verkehrsverbindungen nie nahtlos mit Rumänien zusammengewachsen. Einen guten Eindruck vom Fahren in der Steppe vermittelt ein Aufsatz von Wilhelm Hornung1).

Straßen

Straßen im mittel- und westeuropäischen Sinne waren Verkehrsverbindungen in Bessarabien nie. Die Wege waren im allgemeinen Naturwege (festgefahrene Feldwege). Rudolf Weiß2) schreibt: „Erst 1905 ließ das Landschaftsamt stellenweise auf der Strecke Arzis-Akkerman ein Pflaster aus groben Steinen (Katzenköpfen) legen.“

Rudnickii urteilt noch 19163): „Die Straßen der Ukraine gehören zu den schlechtesten der Welt, im Sommer sind es tiefe Staubaufschüttungen, im Frühling und Herbst, sowie bei Regenwetter überhaupt sind es Streifen bodenlosen Kotes, in dem selbst der leichte Bauernwagen bis an die Achse versinkt. Wo überhaupt Brücken sind, befinden sie sich in solch einem Zustande, daß man es oft vorzieht, daneben durchzufahren. Die beste Zeit für den Landverkehr ist der trockene Sommer (abgesehen vom Staub) und der Winter, wo der Schlitten die Schneedecke benutzt.“

Von den 8176 km Straßen Bessarabiens (1930) waren nur 716 km Kunstbauten, davon nur 166 km in gutem Zustand, 370 km waren wenigstens Erdbauten, der Rest 7089 km sogenannte Naturwege. Lastkraftwagen konnten nur bei trockenem Wetter verkehren.
Diese Wege sahen oft wie folgt aus: mehrere Spuren laufen nebeneinander; Gesamtbreite der Fahrzone 40-50 m. Diese Breite erwies sich auch insofern als notwendig, als man bei andauerndem Regen genötigt war, eine neue Spur zu benutzen, denn die alte Spur war von den tief einschneidenden Rädern bald grundlos gefahren.

Die Neigung zum weiteren Ausbau des Straßennetzes war sowohl bei den Russen als auch bei den Rumänen gering. Krasna war dabei im Vergleich zu den meisten Kolonien noch gut dran. Es lag an der Hauptverbindung Tarutino-Sarata-Akkerman. Der Abschnitt Tarutino-Krasna war Anfang der 30er Jahre einer der wenigen befestigten Straßenabschnitte in ganz Bessarabien; uns liegen Zeitungsberichte über den Ausbau aus dem Jahr 1931 vor.

  • Dakota Rundschau vom 17 .04. 1931: „Dem Schneesturm am 10 März folgte Regen. Die Wege sind gänzlich unpassierbar. Selbst ein Vier-Pferde-Gespann kommt nicht durch. Die Räder stecken bis zu den Achsen und die Pferde bis zum Bauch im Morast. Uns ist für das Frühjahr eine Asphaltstraße versprochen worden, was ein paar Millionen kosten wird…“
  • Dakota Rundschau vom 11. Juni 1931: „Ich habe bereits erwähnt, daß wir eine Straße bauen. Gestern hatten wir einen Ingenieur im Dorf, der sich die Brücke über den Kogälnik angesehen hat, die vor 55 Jahren errichtet worden ist. Er fand sie in gutem Zustand und empfahl nur eine Verstärkung durch Zement…Uns wurde versprochen, daß die neue Straße bis zum Herbst fertiggestellt wird.“

Ansonsten ist offensichtlich nicht viel getan worden. Im Siebenbürgisch-deutschen Tageblatt vom 30.01.1937 hieß es: “Wenn im Herbst der Regen beginnt, werden in Bessarabien ganze Ortschaften von der übrigen Welt abgeschnitten…Man ersieht aus der entstandenen Lage wieder einmal, welche schweren Unterlassungssünden an unserer Provinz im Laufe der Jahre begangen wurden. Die gröbste aller Sünden war die Vernachlässigung der Verkehrswege…“
Noch 1940 bei der Umsiedlungsaktion war das schlechte Straßennetz ein Problem. Über den Zustand der Straßen heißt es in einem Bericht der deutschen Umsiedlungskommission: „Nur die Verbindung zwischen Kischinew and Hancesti könnte man im eigentlichen Sinne eine Straße nennen. Auf einer Strecke von 36 km besteht sie aus einer Kies- und Asphaltschicht. Alle anderen Routen, die benutzt werden sollen sind unentwickelt und einige nur Bauernwege schlechtester Art.“

Die wichtigsten Wegeverbindungen um Krasna:

  • Akkerman-Sarata-Arzis-Paris-Krasna-Tarutino;
  • Tarutino-Alt Posttal-Wittenberg-Bolgrad-Galatz;
  • Tarutino-Beresina-Bender;
  • Tarutino-Beresina-Klöstitz-Odessa;
  • Wittenberg-Kulm-Leipzig-Kischinew.

Eisenbahn

Der Eisenbahnbau in Bessarabien folgte in erster Linie strategischen, weniger wirtschaftlichen Überlegungen. Die erste Eisenbahnverbindung verband 1871 die Landeshauptstadt Kischinew mit dem russischen Reich. 1877/1878 wurde die Linie Bender-Kainari-Reni gebaut. Sie berührte in Leipzig das Gebiet der deutschen Kolonisten in der nordöstlichen Ecke. Für den Getreideabsatz der deutschen Kolonien kam diese Strecke so gut wie gar nicht in Betracht. Die für die Deutschen wirtschaftlich wichtige Strecke von Basarabeasca (Leipzig) nach Akkerman wurde erst 1914 eröffnet, sie durchschnitt das deutsche Siedlungsgebiet diagonal.

Über den Bau dieser Strecke berichteten Korrespondenten aus Krasna in deutschsprachigen US-Zeitungen, z.B. Der Staats-Anzeiger, 25. Januar 1913: „….Die neue Eisenbahnstrecke von Leipzig nach Akkerman, die für uns alle von so grossem Vortheil sein wird ist das Tagesgespräch. Mit dem Bau soll also im Frühjahr allen Ernstes begonnen werden.“

Alle Strecken wurden in russischer Breitspur eingerichtet. Als Bessarabien 1918 von Rußland zu Rumänien wechselte, wurde das Eisenbahnnetz von der russischen Breitspur auf die mitteleuropäische Normalspur umgestellt. Dies machte die Sowjetunion nach Besetzung Bessarabiens (Juli 1940) sofort wieder rückgängig.
Sehr leistungsfähig war die Bahn nicht. Nach Ion Frunza “Bessarabien, rumänische Rechte und Leistungen“, besaßen die bessarabischen Bahnen im Jahre 1918 ganze 28 Lokomotiven. In dieser Zeit verkehrten täglich nur 11 Personenzüge. 1939 waren es immerhin 94 Personenzüge und 65 Güterzüge.

Folgende Linien bestanden 1940:

  • Galatz – Reni – Bolgrad - Romanowka - Emmental - Bender;
  • Akkerman – Sarata – Bessarabeaska/Romanowka (an dieser Strecke lag Krasna);
  • Jassy - Kischinew - Bender – Tiraspol – Odessa;
  • Teplitz – Ismail4)

Lt. Deutscher Volkskalender für Bessarabien, Tarutino, hatte die Strecke Akkerman – Sarata - Bessarabeaska/Romanowka (Leipzig), die 149 km lang war, im Jahre 1932 folgende Bahnhöfe im Bereich der deutschen Kolonien: Beresina (Tarutino), Paris (Haltestelle), Arzis, Gnadental (Haltestelle), Sarata.

Aus verschiedenen Quellen geht hervor, daß Krasna an einer Bahnanbindung des Ortes schon früh Interesse gezeigt hat:

  • Die Gemeinde Krasna hat sich bereits in einem Gemeindebeschluß aus dem Jahre 1864 für den Bau einer Eisenbahnlinie ausgesprochen5).
  • Das Gelände für die Streckenführung der Linie Basarabeasca (Leipzig) nach Akkerman hat die Gemeinde auf ihrer Gemarkung kostenlos zur Verfügung gestellt, allerdings unter der Bedingung, daß ein Bahnhof auf Krasnaer Land errichtet wird6).
  • Nach einer Zeitungsmeldung7) stellte die Gemeinde 1928 einen Antrag an die Regierung, in Krasna einen Bahnhof zu errichten. Die Regierung hat diesem Antrag unter der Bedingung zugestimmt, daß Krasna einen Beitrag zu den Baukosten in Höhe von 1.600.000 Lei aufbringt. Die Gemeinde hat diese Bedingung akzeptiert. Als Standort für den Bahnhof war das Gelände hinter der großen Steinbrücke vorgesehen, etwa 1,5 km vom Dorf entfernt. (Vermutlich wurde dort die unten erwähnte Haltestelle errichtet.)

Krasna hatte in dem 12 km entfernten Bahnhof Beresina8) einen Zugang zur Personen- und Güterbeförderung. Personen konnten auch den Haltepunkt Paris9) (5 km) nutzen. Später bekam Krasna eine Haltestelle für den Personenverkehr, genannt „Ciuleni“. Wie es zu dieser Bezeichnung kam, ist unklar; der Ort dieses Namens liegt auf der gegenüberliegenden Seite des Kogälniktales, also noch weiter weg von der Bahnlinie als Krasna.

Diese Haltestelle wurde wohl am 15. Januar 1937 in Betrieb genommen, denn Pfarrer Schumacher schreibt im Zusammenhang mit dem Bau des Pfarrheimes10) „Den 15. Januar haben wir zu einem Ruhetag erklärt, weil an diesem Tag der erste Zug in Krasna ankam. Mehrere unserer Jugendlichen begrüßten den Zug mit der Nationalflagge, und 19 Dörfler fuhren mit nach Beresina zum Preis von 25 Lei. Mit dem Nachmittagszug kehrten sie zurück.“

Häfen

Die Wasserwege lagen in beträchtlicher Entfernung von dem deutschen Siedlungsgebiet. Am nächsten (70-100 km) waren noch die Häfen Kilia an der Donau und Akkerman am DnjestrLiman. Diese Häfen spielten daher im Wirtschaftsleben der Bessarabiendeutschen eine große Rolle, da nach der Ernte das überschüssige Getreide mit Fuhren dorthin transportiert wurde. Große Getreidemengen gingen auch nach Odessa, das noch 40 km hinter Akkerman lag (und nur über eine Fähre erreichbar war).
Nach der Lostrennung Bessarabiens von Rußland fielen Akkerman und Odessa als Umschlaghäfen vollständig weg. An ihre Stelle traten nun Galatz und Konstanza sowie gegen Ende der 30er Jahre Bugas (an der Mündung des Dnjestr-Limans).

1)
Wilhelm Hornung, Eine andere Welt. Aus dem Leben der Deutschen in Bessarabien , in: Jahrbuch der Deutschen aus Bessarabien Heimatkalender 2002, S. 27 ff
2)
Weiß, Rudolf, Unsere bessarabische Vergangenheit, Geschichtlicher Rückblick
3)
Rudnickij, Stephan, Ukraine, Land und Volk. Wien 1916
4)
Diese Strecke war vor oder nach dem 1. Weltkrieg begonnen, aber in den 20er Jahren von den Rumänen nicht fertiggestellt worden
5)
Odessa State Archive Fond 6, Inventory 4, File 21892
6)
12. 12.1912 Staatsanzeiger
7)
Der Staats-Anzeiger (North Dakota), 23. März 1928
8)
Zum Bahnhofsnamen Beresina: Er erhielt zunächst den Namen „Anciocrac (das ist Tarutino). Die rumänischen Behörden begründeten das damit, daß es im Inneren Rußlands ein weiteres Beresina gäbe. Erst nach 1927 als ein Industrieller elektrischen Strom zur Beleuchtung des Bahnhofs kostenlos zur Verfügung stellte, erhielt der Bahnhof dem Wunsch der Beresiner entsprechend den Namen Beresina.
9)
Paris hatte zwei Bahnhöfe (eher Haltepunkte). Der „obere Bahnhof“ war für Paris Oberdorf und Krasna gedacht.
10)
ARCHIVAL MATERIAL FROM THE COMMUNITY OF KRASNA; MICROCOPY T81, ROLL 599, from the NATIONAL ARCHIVES II at College Park, MD, USA
krasna/f-04-05-01.txt · Zuletzt geändert: 2019/05/22 14:00 von Otto Riehl Herausgeber