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krasna:f-04-08-30

4.8.3 Rumänische Verwaltung 1918-1940

Mit der Eingliederung Bessarabiens in den rumänischen Staatsverband änderte sich das Verwaltungsverfahren beträchtlich. Für die Deutschen war die Umstellung auf die rumänische Verwaltung schwierig. Rumänisch war sofort als Amtssprache vorgeschrieben. Kaum einer verstand die Landessprache. Ämter und Amtspersonen erhielten neue Namen, zum großen Teil auch geänderte Kompetenzen.

Anders als in früherer russischer Zeit hat es in Rumänien von Anfang an keinerlei Sonderregelungen für die Deutschen gegeben. In einer kurzen Übergangszeit wurden noch alte Verfahren angewendet. Als erstes wurden die Semstwo-Institutionen mit Dekret vom 04.10.1918 aufgelöst.
Der rumänische Staat, der nach 1918 erheblichen Gebietszuwachs bekommen hatte, gab sich eine zentralistische Verfassung. Alle Macht lag de facto in Bukarest. Die Verwaltung war aufgebläht, Korruption weit verbreitet. Von 1919-1940 gab es 28 Regierungen. Daß in diesem instabilen Staatswesen die Verwaltung in der entfernten Provinz Bessarabien kein Muster an Effizienz sein konnte, ergibt sich von selbst.

Ein neues rumänisches Verwaltungsgesetz führte auch in Krasna den Gemeinderat ein (Consiliul comunal) und hob gleichzeitig die bestehende Dorfverwaltung aus russischer Zeit auf. Die Gebietsämter wurden 1924 aufgelöst.

Die rumänische Verwaltung war eine reine Staatsverwaltung und trat ab 1925 voll in Kraft. Die Verwaltungsstrukturen waren im wesentlichen wie folgt:

Comuna (Gemeinde)

Die unterste Verwaltungsebene war die Comuna (Gemeinde). Dies war aber nicht unbedingt das Dorf, eher den russischen Wolosten vergleichbar. Die Dorfgemeinden mit den Schulzen gab es nicht mehr. Krasna bildete eine eigene Verwaltungseinheit (Comuna).
Die Comuna wurde durch den Kommunalrat vertreten1). Der größte Teil seiner Mitglieder wurde von der stimmberechtigten Bevölkerung für je acht Jahre gewählt (zum Wahlverfahren s. unten). Daneben gab es „geborene Mitglieder“, wie z. B. Pfarrer, Schulleiter. Nach jedem Regierungswechsel wurden der Kommunalrat und seine Organe aufgelöst und durch zeitweilige Kommissionen ersetzt. Deshalb wurden die oben aufgeführten Amtszeiten fast nie eingehalten.

Das Vollzugsorgan des Kommunalrates waren der Primar (entsprach etwa dem früheren Oberschulzen) und zwei Mitglieder. Sie wurden vom Kommunalrat auf vier Jahre gewählt (nicht wie in russischer Zeit von der Gemeindeversammlung). Wählbar waren nur Mitglieder des Kommunalrates.
⇒ Kommunalratsmitglieder s. Ziff. 7.8 Funktionsträger in der Verwaltung auf staatlicher und gemeindlicher Ebene

Der Primar war der Leiter der Comuna und Chef der Polizei. Das Recht, Arrest- und Geldstrafen zu verhängen, hatte er nicht. Die frühere Kanzlei nannte man jetzt Primaria.
Neben dem Primar war der Notar die wichtigste Person in der Kommunalverwaltung. Er war Staatsbeamter und dem früheren Wolostschreiber vergleichbar. Als Gehilfe hatte er oft einen Sekretär.
Der Primar konnte nicht mehr so selbständig wirken wie früher der Oberschulz. Alle Handlungen der Verwaltung bedurften der Zustimmung des Gemeinderates (Abstimmungen erfolgten durch Handzeichen). Auch die rumänischen Behörden mischten sich sehr stark in Angelegenheiten der Gemeinde ein. Ihr Haushaltsplan bedurfte der Genehmigung durch die Prefectura (s. unten).
Die Kommunalverwaltung war verantwortlich für die Errichtung und Instandhaltung öffentlicher Bauten, für Wege und Brücken, Wasserversorgung, Sauberkeit in der Gemeinde, für Vieh- und Pferdezucht, Armen- und Waisenversorgung.
Die Primare hatten in dieser turbulenten Zeit kein leichtes Amt. Sie mußten mit viel Fingerspitzengefühl und mit Improvisationsgeschick das Schiff der Gemeinde steuern. Als erster Krasnaer Primar der rumänischen Verwaltung wurde Matthias Volk gewählt.
Wie schon weiter oben gesagt, hielten die Krasnaer sich nicht unbedingt an den Buchstaben der jeweils geltenden Gemeindeordnung. So wählten sie noch in rumänischer Zeit einen Sotzki, obwohl es dieses Amt offiziell gar nicht mehr gab. Sie nannten ihren Gemeindevorsteher weiterhin Oberschulz, obwohl er eigentlich Primar hieß. Dieser selbst tat auch noch vieles, was früher rechtens, aber unter rumänischer Herrschaft nicht vorgesehen war (z. B. hinsichtlich polizeilicher Befugnisse).

Weitere interessante Ausführungen zur Gemeindeverwaltung sind zu finden bei Eduard Ruscheinsky, Die Gemeindeverwaltung von Krasna/Bessarabien, Heimatbuch 25 Jahre nach der Umsiedlung 1965, S. 39 ff.

Plasa (Bezirk)

Die nächsthöhere Verwaltungseinheit war die Plasa (Bezirk), die von mehreren Kommunen gebildet wurde. Dies war keine Gebietskörperschaft, sondern eine reine Behörde. Das Amt hieß Pretura, geleitet von einem Staatsbeamten, dem Pretor, unterstützt durch einen Secretar. Der Pretor hatte darüber zu wachen, daß Recht und Gesetz in seinem Bezirk eingehalten wurden.

Seine Aufgaben deckten sich im wesentlichen mit denen des früheren russischen Landvogts, nur daß er nicht wie dieser richterliche Befugnisse hatte.

Krasna gehörte zur Plasa Tarutino. Sie umfaßte 31 Kommunen, darunter die deutschen Gemeinden Tarutino, Krasna, Wittenberg, Kulm, Leipzig, Alt-Posttal, Beresina, Klöstitz, Borodino und andere. Man sieht, in rumänischer Zeit gab es keine rein deutschen Verwaltungsbezirke mehr, wie das in russischer Zeit war.

Judez (Kreis)

Mehrere Bezirke (Plasas) bildeten einen Judez (Kreis). Er wurde durch den Kreisrat vertreten (auf acht Jahre gewählt). Der Kreisrat wählte aus seiner Mitte eine „permanente Delegation“ auf vier Jahre. Sie war das Vollzugsorgan. Ein Prefekt stand ihr vor, unterstützt von einem Subprefecten. Außer der Überwachung der Gemeinden und Bezirke oblag dem Kreis der Unterhalt der Berufsschulen, Kranken-, Waisen-, Armenhäuser, Depots von landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten, Baum- und Rebschulen sowie der Wegebau.
Der Bezirk Tarutino gehörte zum Kreis Cetatea Alba (Akkerman); die Kreisverwaltung (Administratia judetiana) nannte man Prefectura.

Die Provinz

Die darüberliegende Verwaltungsebene war die Provinz, an deren Spitze ein Presedent Regal (königlicher Statthalter) stand.
Der Kreis Akkerman gehörte zur Provinz Bessarabien (ab 1938 Gebiet Nistru) mit der Hauptstadt Kischinew.

Wahlen und Wahlverfahren

Wahlen erfolgten durch Kugelwahl. Wahlberechtigt waren jetzt alle Personen über 21 Jahre, die rumänische Staatsbürger waren. Benutzt wurde ein Listenwahlsystem. Es gab GemeindeKreis- und Parlamentswahlen.
⇒ Zur Verfahren der Kugelwahl s. Ziff. 4.8.2.2 Die Selbstverwaltung auf lokaler Ebene

Verwaltungsreformen

Ab 1929 hat es in den folgenden 10 Jahren mindestens drei Verwaltungsreformen gegeben, die die zuvor beschriebenen Strukturen zum Teil änderten und in einigen Fällen die Änderungen der jeweils vorangegangenen Reform wieder rückgängig machten. In den Grundzügen blieben aber die oben beschriebenen Verwaltungsebenen bis 1940 erhalten. Allerdings wurden ab 1938, nachdem der rumänische König ein autokratisches Regierungssystem eingeführt hatte, die Primare und ihre Stellvertreter nicht mehr gewählt, sondern von der Behörde ernannt. Einen Kommunalrat gab es nicht mehr.

Das stete Drängen der Deutschen zur Benutzung der eigenen Sprache hatte im Verwaltungsgesetz von 1938 zu einem gewissen Erfolg geführt, wie Artikel 41 dieses Gesetzes belegt: „ In den Gemeinden, in denen die Mehrheit der Einwohnerschaft einer völkischen Minderheit angehört, ist der Bürgermeister aus deren Reihen zu ernennen. In diesen Gemeinden können die Mitglieder des Gemeinderats in der Sitzung ihre Meinung in ihrer Muttersprache zum Ausdruck bringen. In diesem Falle ist die Rede sofort in die rumänische Sprache zu übersetzen.“

1)
Die früheren Gemeindeversammlungen aller stimmberechtigen Mitglieder einer Gemeinde entfielen.
krasna/f-04-08-30.txt · Zuletzt geändert: 2019/04/02 09:46 von Otto Riehl Herausgeber