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krasna:g-05-02-03

5.2.3 Der Zeitabschnitt 1918 -1940

Da die Bessarabiendeutschen von den russischen Behörden seit Jahrzehnten in ihrem Schulwesen zunehmend beschnitten worden waren, erhofften sie sich von der rumänischen Verwaltung gewisse Erleichterungen. Aber es kam anders, sowohl hinsichtlich des Unterrichts als auch hinsichtlich der Schulträgerschaft.

In der Tat gab es anfänglich Zugeständnisse. Durch königliches Dekret wurden die bessarabischen Lehrer zu Staatsbeamten erklärt. Die Situation schien sich weiter zu verbessern, als das Dekret vom 14. 08. 1918 den Schulen den Unterricht in allen Fächern in der Muttersprache zusicherte. Formal war dieses Dekret bis zur Verabschiedung des Volksschulgesetzes im Jahre 1924 in Kraft. Doch schon bald stellten die Deutschen fest, daß die Wirklichkeit anders aussah.

Bereits im Februar 1919 bestimmte die rumänische Regierung, daß die deutsch-bessarabischen Kirchenschulen an den rumänischen Staat überzugehen hatten. Ab dieser Zeit war auch die Krasnaer Schule eine rumänische Staatsschule. Die rumänische Regierung stützte sich bei ihrer Entscheidung auf eine im Jahre 1917 zwischen der Landschaft (Semstwo) und den deutschen Gemeinden getroffene Vereinbarung, die Kosten für den Unterhalt von 77 Lehrern zu übernehmen (s. oben). Diese Vereinbarung betrachteten die rumänischen Behörden als Beweis dafür, daß die deutschen Kirchenschulen schon in russischer Zeit den Status von Staatsschulen hatten. Die Verstaatlichung der Schulen bedeutete zunächst eine finanzielle Entlastung der Gemeinden. Sehr bald stellten sie aber fest, daß damit der Rumänisierung der deutschen Volksschulen die Tür geöffnet wurde, und sie begannen sich dagegen zu wehren.

Rumänische Stellen trieben seit Anfang der 20er Jahre die Rumänisierung der Schulen voran. Bei Protesten erreichten die Deutschen manchmal eine momentane Aufhebung von Repressalien, sie konnten aber die schleichende Verstaatlichung nicht aufhalten. Ab 1924 setzte sich dann in der rumänischen Schulpolitik ein eindeutig minderheitenfeindlicher Kurs durch (Gesetz über den staatlichen Volksschulunterricht vom 24. Juli 1924). In den nominell „deutschen” Schulen blieb dem muttersprachlichen Unterricht infolge der gesetzlich verankerten Einführung zahlreicher rumänischer Pflichtstunden vom 2. Volksschuljahr an nur relativ schmaler Raum.

Ein schleichender Aushöhlungsprozeß begann. Während 1920 praktisch nur deutsche Lehrer unterrichteten, setzten die rumänischen Behörden nach und nach immer mehr rumänische Lehrer ein. Gleichzeitig wurden deutsche Lehrer durch schikanöse Sprachprüfungen, Versetzungen etc. herausgedrängt. Seit 1934 wurden keine Absolventen der Wernerschule (s. oben) mehr als Lehrer in den Staatsdienst übernommen. Man kann sich denken, daß dadurch die Zahl der deutschen Lehrer dramatisch zurückging, auch in Krasna.

Die endgültige Rumänisierung des Unterrichts an den deutschen Schulen begann Anfang der 30er Jahre. Die Akkermaner Schulbehörde verbot am 09.03.1933 den Deutschunterricht an den bessarabischen Schulen ihres Kreises. Nun mußten alle Fächer vom ersten Schuljahr an in rumänischer Sprache unterrichtet werden. Deutsch durfte nur noch auf freiwilliger Basis von deutschen Lehrern in Überstunden gelehrt werden. Der Religionsunterricht, in deutscher Sprache gehalten, wurde auf eine Wochenstunde begrenzt und diese am Wochenende angesetzt.

Die meisten bessarabiendeutschen Kinder wurden in den 30er Jahren von nichtdeutschen Lehrern in einer fremden Sprache unterrichtet. Die rumänischen Lehrer setzten die rumänische Sprache mit dem Rohrstock durch. Es war deshalb nicht verwunderlich, daß auch in Krasna viele Kinder schwache Kenntnisse in der deutschen Sprache aufwiesen. Aber in den anderen Fächern war es für die Kinder ebenso problematisch. Wie sollten sie lernen? Der Lehrer sprach nicht deutsch und sie nicht rumänisch.

Nur durch den idealistischen Einsatz einzelner deutschsprachiger Lehrer und teilweise außerhalb der Unterrichtsstunden konnte erreicht werden, daß wenigstens noch rudimentär die deutsche Sprache unterrichtet wurde. Die Lehrer setzten sich damit der Gefahr von Schikanen und sogar der Amtsenthebung aus (s. auch Ziff. 2.4 Zugehörigkeit zu Rumänien und zur Sowjetunion (1918-1940)).

Hier einige Zeitzeugen über die Situation in Krasna:

  • Der Staats Anzeiger, 3. Februar 1931
    Wir haben eine separate Mädchenschule und zwar mit den drei Anfangsklassen. Und unter den Lehrerinnen, die in diesen Klassen vortragen, ist nur eine, die ein paar Worte deutsch versteht, die übrigen aber rein nichts. Und dennoch wird außer Religion kein Wort in deutscher Sprache vorgetragen. Ich will da die Lehrerinnen nicht beleidigen, denn sie sind fleißig und bestreben sich redlich, den Kindern etwas beizubringen. Da aber die Kinder nicht rumänisch und die Lehrerinnen nicht deutsch verstehen, kann sich ein jeder leicht vorstellen, was für eine große Plage es für beide Seiten ist und wie wenig da herauskommt. Schlimm ist es auch, daß die Kinder um ihre Muttersprache gebracht werden.
    Niemand von uns hat etwas dagegen, daß unsere Kinder die Staatssprache erlernen, denn wir begreifen, daß dieses den Kindern im Leben von großem Nutzen sein wird. Aber wie da gewirtschaftet wird, geht einem übers Bohnenlied. Die Gesetze des Landes schreiben auch vor, daß in den Anfangsklassen ausschließlich in der Muttersprache unterrichtet werden soll. Zwischen den geschriebenen Gesetzen gibt es noch ungeschriebene, auf die mehr Gewicht gelegt wird, als auf erstere. Durch unseren Kammerabgeordneten haben wir bereits an das betreffende Ministerium eine Eingabe gemacht und um Abstellung dieses Mißbrauches gebeten. Bis jetzt aber sind wir ohne jegliche Nachricht geblieben und höchstwahrscheinlich wird auch, wenigstens bis zum nächsten Schuljahre, alles beim Alten bleiben.
  • Max Riehl erinnert sich, daß Lehrer Alois Volk Deutschunterricht in Überstunden erteilt hat, bis ihm das verboten wurde. Es gibt Berichte darüber, daß deutsche Lehrer „wegen Unterrichtens in deutscher Sprache“ mit einer empfindlichen Geldstrafe belegt wurden1)“.
  • Eduard Ruscheinsky schrieb 19392) „Die Zukunft unserer Kinder macht uns Sorgen, da sie bald in ihrer Muttersprache weder lesen noch schreiben können.“

Fairerweise muß man aber feststellen, daß die Rumänen durch die Schaffung zusätzlicher Lehrerstellen die Klassenstärken reduzierten und damit tendenziell das Unterrichtsniveau anhoben. Dies wurde auch dadurch gefördert, daß Schulzwang bestand und das ganze Jahr über Unterricht war (wenn auch auf lokaler Ebene, zumindest in Krasna, zur Zeit des Maishackens über das Fehlen im Unterricht großzügig hinweggesehen wurde). Das leidige Problem des unregelmäßigen Schulbesuchs war gelöst, als die Rumänen rigoros Gebühren für Schulversäumnisse kassierten. Das füllte die Klassen, auch die in Krasna. Kinder waren jetzt vom 7. bis 14. Lebensjahr schulpflichtig.

Seit 1920 kämpften die bessarabiendeutschen Organisationen auf allen Ebenen um die Rückgewinnung der deutschen Schulen. Endlich im Herbst 1939 zeigte sich die rumänische Regierung zu Zugeständnissen in der Schulfrage bereit, weil sie keinen Ärger mit dem Deutschen Reich haben wollte. Durch Dekret vom 24. Februar 1939 wurden die deutschen Konfessionsschulen abgesichert. Ein königlicher Erlaß vom 19. 09.1939 übertrug den deutschen Gemeinden die enteigneten Schulgebäude. Dieser Kompromiß konnte allerdings kaum noch Wirkung entfalten, weil schon kurz darauf die Deutschen umgesiedelt wurden.

Wenn man über die Schule in Bessarabien berichtet, dürfen die fleißig angewandten Schulstrafen nicht unerwähnt bleiben. Körperliche und sonstige Züchtigungsmaßnahmen in der Schule gab es früher wohl auch in anderen Gegenden, aber in Bessarabien wurden sie ziemlich derb angewendet. Von der Prügelstrafe mit der Rute, von Ohrfeigen, Ohren- und Haareziehen wurde ausgiebig Gebrauch gemacht. Auch andere Maßnahmen, wie in der Ecke stehen, Nachsitzen etc. waren gängige Praxis. Besonders gemein waren Züchtigungsformen, bei denen die Kinder lange Zeitphasen knien mußten, mit erhobenen Händen oder- noch perfider- auf Maiskörnern.

1)
Albert Rüb, Schulpolitik in rumänischer Zeit, Heimatkalender 2004, S. 59
2)
Eduard Ruscheinsky, Chronik der Gemeinde Krasna, erschienen im Bauernkalender , Jahrbuch der Deutschen in Bessarabien / Kultur- und Presseamt des Deutschen Volksrates für Bessarabien 1939, S. 164-172
krasna/g-05-02-03.txt · Zuletzt geändert: 2019/04/02 12:12 von Otto Riehl Herausgeber