Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


krasna:g-05-02-02

5.2.2 Der Zeitabschnitt 1871 - 1918

Nachdem die Schulsituation allmählich besser zu werden begann, kam ein anderes schwerwiegendes Problem auf die Kolonisten zu. Der Deutschunterricht wurde mehr und mehr erschwert. Aus dieser Zeit berichten die Quellen wenig über das Schulniveau, aber umsomehr über den Sprachenstreit. Rein äußerlich hatte die Reform von 1871 (s. Ziff. 2.3. Die Veränderungen ab der zweiten Hälfte des 19 . Jh. (etwa 1860-1918)) für die Schule zunächst kaum Auswirkungen, abgesehen davon, daß die Schule formal jetzt unter der Aufsicht des russischen Staates stand. Die Forderung der Erlernung der russischen Sprache bestand zwar, aber lange Jahre existierte über das Wann und Wie recht große Freiheit der einzelnen Schule. Die Schüler wurden überwiegend weiter auf Deutsch unterrichtet, deutsche Lehrbücher waren im Gebrauch1).
Bisher hatten die Pfarrer die Aufsicht über die Schulen geführt. Dies änderte sich auch nicht grundsätzlich als im Jahre 1881 die Schulen der Aufsicht des Ministeriums der Volksaufklärung unterstellt wurden (vorher war es das Ministerium der Staatsdomänen). Zwar übernahmen staatliche Schulinspektoren die Aufsicht über die deutschen Schulen. Dies hatte aber einen mehr formalen Charakter, denn die Verwaltung der Schule lag nach wie vor bei der Gemeinde, was ihr noch einen gewissen Einfluß sicherte. Die Schulen blieben im Eigentum der deutschen Gemeinde und mußten weiterhin ausschließlich auf deren Kosten ohne jegliche Unterstützung seitens des Semstwos und der Regierung unterhalten werden.

Dennoch begann mit dem Jahr 1881 der Schulkampf zwischen Deutsch und Russisch. Seit 1887 sollte der gesamte Unterricht in russischer Sprache erfolgen. Allerdings mißachteten die Lehrer vielerorts diese Vorschrift bis in die 90er Jahre.
Nach 1890 intensivierte sich der Zugriff des Staates auf die Kolonistenschulen. Die Schwierigkeiten begannen, als Russisch zur Unterrichtssprache geworden war und vom 1. Schuljahr praktiziert werden sollte (1892). Es sollten keine Lehrer angestellt werden, auch nicht für die deutsche Sprache, die nicht das russische Lehrerexamen bestanden hatten. In der Praxis wurde diese Regelung aber nicht voll wirksam.

Von der früher umfassenden Schulaufsicht des Pfarrers blieb offiziell nur noch ein Rest: er war noch für Deutsch und Religion zuständig; für diese Fächer interessierten sich die Schulinspektoren nicht. Dennoch konnten die Veränderungen für die Schulen und für die deutsche Sprache in Grenzen gehalten werden. Der deutsche Unterricht machte gerade in dieser Zeit eine bedeutsame Wandlung zum Besseren durch, indem die Lehrmethoden verbessert und gute Lehrbücher beschafft wurden. Allerdings blieb der Schulbesuch der Schüler bis zum Ende der russischen Ära eine Schwachstelle. Der unregelmäßige Schulbesuch war auch am Anfang des 20. Jahrhunderts an der Tagesordnung. In der Odessaer Zeitung Nr. 30/1906 heißt es: „Bei den Mennoniten gilt es als selbstverständlich, daß die Kinder die Schule regelmäßig besuchen. Wie steht es in diesem Punkt in Bessarabien und im Chersonischen?- Es ist ja bekannt!“

1906 im Zuge der Liberalisierung unter Ministerpräsident Stolypin kam es zu einer gewissen Entspannung. Die Schulen der Deutschen erhielten die Erlaubnis, in den beiden ersten Schuljahren Deutsch als Unterrichtssprache zu gebrauchen. Erst in den folgenden Schuljahren sollte Russisch benutzt werden.
Da die Schulleiter zumeist Deutsche waren und Inspektoren selten in die entlegenen Orte kamen, behielten die Schulen bis zum 1. Weltkrieg eine deutsche Prägung, zumal neben der Russischen Sprache Deutsch immer als Unterrichtsfach erhalten blieb.

In den letzten Jahren vor dem 1. Weltkrieg lockte der Staat mit dem Vorschlag, Volksschulen in Landschafts-(Semstwo) Schulen umzuwandeln. Dafür sollten die Gemeinden Zuschüsse zum Schulbau und die Lehrer höhere Bezüge erhalten. Krasna hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Seine 1914 fertiggestellte Knabenschule wurde vom Landschaftsamt (Semstwo) erbaut und kam auf 20.000 Rubel zu stehen, davon bezahlte die Gemeinde Krasna 8000 Rubel und leistete alle Fronfahrten.
⇒ zum Schulgebäude s. unter Ziff. 3.1 Das Dorf Krasna, seine Lage und sein Aussehen

Im 1. Weltkrieg kam es dann ganz schlimm. Aufgrund des Dekrets vom 14. 06. 1915 wurde auch die Krasnaer Schule geschlossen im Zuge der drastischen Einschränkungen für die deutschen Siedler (s Ziff. 2.3 Die Veränderungen ab der zweiten Hälfte des 19 . Jh. (etwa 1860-1918)).
Schließlich wurde sie nach dem Sturz des Zaren 1917 wieder eröffnet wie die übrigen deutschen Schulen und zwar zu Beginn des neuen Schuljahrs im September 1917. Der Unterricht sollte wieder in deutscher Sprache erteilt werden. Die Wiedereröffnung der Schulen war nur möglich, weil der Semstwo ein Drittel der Lehrergehälter übernahm.

De facto waren die deutschen Volksschulen 1917 noch Kirchengemeindeschulen, wenn auch de jure der Staat die Schulaufsicht führte und seit diesem Jahr für einen beträchtlichen Teil der Lehrerbesoldung aufkam.

1)
Über die benutzten Lehr- und Lernmittel in bessarabischen Volksschulen berichtet sehr anschaulich Erwin Heer: „Über Lehr- und Lernmittel an bessarabischen Volksschulen“ ,in: Heimatkalender 1980 der Bessarabiendeutschen, S. 109
krasna/g-05-02-02.txt · Zuletzt geändert: 2019/04/02 12:05 von Otto Riehl Herausgeber