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krasna:g-05-02-01

5.2.1 Der Zeitabschnitt 1814 – 1871

Die Russen ließen den Deutschen Freiheit bei der Gestaltung der Schulen. Der Aufruf des Zaren von 1813 enthielt keine Aussage zur Schule, und der Staat kümmerte sich zunächst nicht um das Schulwesen der Eingewanderten. Schon gleich in den ersten Jahren nach der Ansiedlung gab es in den Kolonien Schulunterricht, auch in Krasna. Zunächst fand er in einer Bauernstube, später im Bethaus statt. Die Schulen in den Kolonien waren Kirchenschulen. Der Pfarrer führte die Schulaufsicht1), darüber gab es keine weitere Schulbehörde. Der Schulunterricht diente anfänglich im wesentlichen dazu, den Kindern Kenntnisse aus Katechismus und Bibel beizubringen und daneben elementares Wissen im Lesen, Schreiben und Rechnen. Die Schüler wurden ausschließlich auf Deutsch unterrichtet.
Die Schulgebäude mußten von den Gemeinden aus eigenen Mitteln ohne staatlichen Zuschuß erbaut und unterhalten werden. Da die Gemeinden auch die Lehrer bezahlen mußten2), versuchten sie Geld zu sparen, indem sie billigere, aber oft wenig qualifizierte Kräfte einstellten, für die sie weniger bezahlen mußten.
Das Gehalt des Lehrers wurde jedes Jahr von Fall zu Fall und bei jeder Neuverpflichtung erneut festgesetzt. Es war keineswegs verlockend. Mutschal3) beziffert das Lehrereinkommen in Tarutino für etwa die Zeit von 1835-1840 wie folgt: 64 Rubel und 60 Kopeken Banco in bar, 18 Tschetwert Getreide und für jedes Schulkind 30 Kopeken, freie Wohnung und freies Heizmaterial. Für Krasna liegen uns Übersichten aus den Jahren 1863 und 1864 vor4). Danach wurden im Jahre 1863 75 Rubel, 1864 90 Rubel gezahlt; die übrigen Bestandteile entsprechen etwa den oben für Tarutino genannten.
Mit den ersten Ansiedlern waren wohl auch Lehrer ins Land gekommen. Aber es ist nicht bekannt, ob solche in Krasna unterrichteten. Wahrscheinlicher ist, daß es in Krasna so war, wie in manchen anderen Gemeinden. Die Schulmeister wurden in den ersten Jahren aus der Mitte der Kolonisten ausgewählt. In Betracht kamen Bauern und Handwerker, die besser als der gewöhnliche Bauer lesen und schreiben konnten. Für die Aufnahme des Lehreramtes reichten oft eine „starke Stimme und eine starke Hand“.

Der Mangel an pädagogischer Ausbildung und Leitung der Lehrer brachte es mit sich, daß die Qualität des Unterrichts sich nicht heben konnte, sondern günstigstenfalls auf dem Ausgangsniveau blieb.

  • In den Anfangsjahren bildeten die alten Lehrer im praktischen Betrieb jüngere Kräfte aus.
  • Ausgebildete Lehrer waren zunächst schwer zu bekommen, weil es noch keine Lehrerbildungsanstalten in den Kolonien gab.
  • Den wenigen gut ausgebildeten Lehrern standen außer Bibel und Gesangbuch keine Lehrmittel zur Verfügung.
  • Eine wachsende Kinderzahl bei gleichzeitigem Lehrermangel führte zu größeren Klassenstärken.
  • In Krasna kam ein weiterer Umstand hinzu: Die Pfarrer als Schulaufseher fielen quasi aus, denn sie waren in den ersten Jahren Polen, die die Sprache ihrer Pfarrkinder nicht sprachen (s. Ziff. 5.1 Kirche und Religion).

Neben dem eigentlichen Unterricht hatte ein Lehrer weitere Aufgaben in der Gemeinde zu erfüllen. Die Lehrer waren oft gleichzeitig Küster. Bei entsprechenden Fähigkeiten mußten sie auch schon mal die Orgel spielen. Neben all diesen Aufgaben übernahmen die Lehrer in der Regel auch das Amt eines Gemeindeschreibers.

Das Interesse der Kolonisten an einer soliden Schulbildung war gering. Die Kinder wurden wenig zur Schule geschickt. Zumeist beschränkte sich der Schulbesuch auf das Winterhalbjahr (Oktober-März). Im Sommer halfen die Kinder bei der Feldarbeit. Der evangelische Superintendent Feßler beschrieb um 1820 die Stellung der Dorfschulen in den Kolonien mit folgenden Worten: „In der Regel betrachtet der Kolonist den Schulmeister als eine Gemeindelast, hat für den Unterricht seiner Kinder nicht das geringste Interesse, verbraucht und verkrüppelt sie lieber in der Wirtschaft. Ein Bauernknecht oder Viehhirt im Dorf wird besser besoldet als der Schulmeister.„ Man kann davon ausgehen, daß es in Krasna keinen Deut anders war.

Andererseits gab es auch Bemühungen, die Situation zu verbessern. So wurde 1844 in Sarata die Lehrerbildungsanstalt (Wernerschule)5) gegründet. Ende der Vierziger Jahre des 19. Jh. unterrichteten in den Kolonistenschulen schon Lehrer, die aus ihr hervorgegangen sind. Diese Schule war die erste deutschsprachige Lehrerbildungsanstalt im Zarenreich.

Das Fürsorgekomitee unter Staatsrat Hahn lenkte seine Aufmerksamkeit auch auf die Schule. 1841 wurde eine Schulverordnung erlassen, die dem schlechten Schulbesuch begegnen sollte6):

  • Der Schulbesuch ist für Kinder beiderlei Geschlechts vom siebten Lebensjahr an obligatorisch7).
  • Von Anfang Oktober bis Ende März ist der Unterricht zu besuchen und sonntags an der Kinderlehre teilzunehmen.
  • Bei Nichtbeachtung der Regeln werden die Eltern mit Strafen belegt.

Dennoch blieb der Schulbesuch weiter unregelmäßig, auch festgelegte Geldstrafen für die Verletzung der Schulpflicht änderten an dieser Tatsache nichts. In der „Odessaer Zeitung“ (9. Februar 1866) schrieb Pastor Behning, „Wenn der liebe Gott nicht alle Dreschplätze mit Schnee deckte, alle Pflüge einfrieren ließe, bekämen wir die Kinder alle nimmer in die Schule. Und selbst im Winter dauern die Versäumnisse in einer furchtbaren Zahl fort und der erste Frühlingssonnenschein treibt sie alle wieder auf Nimmerwiedersehen hinaus. Der Schullehrer bittet, der Pastor ermahnt, der Schulze gibt sich die Mine, als ob er strafen wollte, der zur Hilfe gerufene Oberschulze läßt ein Papier unter Nummer und Kronssiegel an die Schulzenämter ergehen. Und es bleibt alles beim Alten.“

Auch das Fürsorgekomitee war nicht mit den Leistungen der Schulen zufrieden. Z .B. äußerte Präsident Westmacher (Amtszeit 1853–1856) einmal seine Unzufriedenheit über den Stand der Kirchenschulen. Sie seien nun schon bald 50 Jahre da und ständen noch auf einer so niedrigen Stufe.
Die Alt-Arziser Chronik berichtet, daß die dortige Schule im Jahre 1855 168 Schüler zählte, die von einem Lehrer unterrichtet wurden. Der Autor fügt an: „Das Resultat läßt sich leicht denken.“ In Krasna wird es nicht besser gewesen sein.

Religion, Lesen und Buchstabieren waren bis in die 60er Jahre die Hauptfächer der Kolonistenschule8). Mitte der 60er Jahre wurde in den deutschen Volksschulen auf Vorschrift des Fürsorgekomitees Russisch als Lehrfach eingeführt.

Trotz des unregelmäßigen Schulbesuchs erhielten die Kolonisten in Bessarabien doch wenigstens eine Elementarbildung.

1)
Im Konkordat von 1847 war ausdrücklich die Zusicherung der russischen Regierung enthalten, daß sich die bischöflichen Rechte gleichfalls auf den Schulunterricht erstreckten.
2)
In den Freijahren nach der Ansiedlung hatte der russische Staat die Lehrer bezahlt. Danach mußten die Gemeinden selbst dafür aufkommen.
3)
Mutschall, Wilhelm, Geschichte der Gemeinde Tarutino von 1814 bis 1934, S. 24
4)
Odessa State Archive Fond 6, Inventory 4, File 21239 and Fond 6, Inventory 4, File 21978
5)
benannt nach dem Stifter und Kaufmann Christian Friedrich Werner (1759-1823) aus Schorndorf, der sein Vermögen der Gemeinde vermachte.
6)
Erlaß von Staatsrat von Hahn vom 7. Dezember 1841, abgedruckt in; Konrad Keller, „Die deutschen Kolonien in Südrußland, S. 110
7)
Die Schulpflicht endete gewöhnlich mit der Konfirmation/Kommunion etwa im Alter von 14 Jahren
8)
Details zum Unterrichtsablauf können bei Hugo Häfner, Bessarabiendeutsche Schulgeschichte 1814 bis 1940, Heimatkalender 1993 der Deutschen aus Bessarabien, S. 29 nachgelesen werden.
krasna/g-05-02-01.txt · Zuletzt geändert: 2019/04/02 12:00 von Otto Riehl Herausgeber