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5.5.3 Kleidung

Nach vorliegenden Berichten sollen die Kolonisten bis in die sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts an ihren Trachten aus der Gründerzeit ihrer Kolonien festgehalten haben. Nach der Mode richtete man sich damals noch nicht.

Häufig fand man in einem Haus einen Webstuhl und überall ein oder mehrere Spinnräder. Die Frauen besorgten das Weben, und Färben der Stoffe und das Spinnen der Wolle.

So ähnlich sahen die Spinnräder in Krasna in den ersten Jahrzehnten wohl aus.

Abb. 85: Die Abbildung zeigt ein Modell aus dem Jahr 1822, das im Heimatmuseum der Deutschen aus Bessarabien zu sehen ist.

In der Anfangszeit, aber auch noch viele Jahre nachher, haben Frauen und Mädchen die meisten Kleidungsstücke selbst angefertigt. Der Stoff zur Herstellung ihrer Kleider wurde größtenteils von ihnen selbst produziert. So spannen die Frauen im Winter aus Hanf und Flachs den Faden, woraus sie auf eigenen Webstühlen ihre Leib- und Bettwäsche anfertigten. Für die Oberkleidung lieferten ihre Schafe das Material. Aus der Wolle wurde mittels Spinnrad und Webstuhl durch Handarbeit das starke Tuch fabriziert, aus dem man Anzüge und Mäntel für die Männer schneiderte.

Etwa in der dritten Generation begann man, einen Teil der Kleiderherstellung auszulagern. Jetzt tauschte man seine Wolle in den deutschen Tuchfabriken von Tarutino, Arzis und Teplitz gegen Strumpfwolle und fertiges Tuch um.
In den letzten Jahrzehnten nähten die Frauen nur noch teilweise ihre Kleider selbst. Man ließ sie von einer Näherin machen. Die Oberbekleidung der Männer fertigte meist der Schneider an; man lieferte ihm den Stoff oder er besorgte diesen selbst. Unterwäsche fertigten die Frauen oft noch selbst. Die Arbeitskleider wurden aus derbem Stoff hergestellt. Für Sonntagskleider verwendete man feinere Gewebe. Strümpfe und Socken strickten die Frauen selbst.

Das Wohnen unter anderen Volksgruppen beeinflußte die Bekleidungsgewohnheiten. So übernahmen die Männer zum Beispiel die Pelzmütze und die hohen Schaftstiefel von den Russen. Die Frauen schmückten sich mit einem schwarzseidenen Spitzenkopftuch; im Winter trugen sie statt eines Mantels oft einen großen Schal (das „Großhalstuch“).

Als Schuhwerk hatten die Männer im Winter Schaftstiefel, Frauen Halbschuhe, daheim Hausschuhe. Bei schlechtem Wetter wurden Überschuhe (Galoschen) getragen. Schuhe ließ man beim Schuster anfertigen oder man kaufte sie (im 20. Jahrhundert) beim Marktbesuch in einem Schuhgeschäft.

Früher war es durchaus üblich, daß man statt eines Hemdes, das teuer war, eine sogenannte Manischke trug (Brustbedeckung mit Kragen, der Rücken blieb frei).

Allmählich glichen sich die Trachten der umliegenden Dörfer einander an. Die ersten Trachten der Frauen waren in Krasna auffallend lang. Die Mode, besonders bei den Frauen, fing nach der Jahrhundertwende an sich zu wandeln, d. h. sie wurde kürzer und der Stoff wurde besser. Die Tracht behielt dennoch ihr ländliches Gepräge und unterschied sich von der städtischen Mode wesentlich.

Das Nordlicht aus North Dakota schreibt am 29. Dezember 1921:
„Die Krasnaer Bauern haben Geld. Sie sind die wohlhabendsten Bauern im Kreis Akkeraman.…Sie arbeiten mit vier bis acht Zugpferden, besitzen 20 bis 30 Schafe und trotzdem fertigen sie immer noch Stoff für Kleidung, selbstgesponnene Wolle und Hanf, oder sie bringen ihre Wolle zu den nahegelegenen Tuchfabriken in Tarutino.
Die Leute kleiden sich einheitlich: schwarze Mützen statt Hüte. Anspruchslose, schlichte Kleidung für die Männer, und ihre Frauen sind einfach gekleidet ohne Luxus. Ihre Kopfbedeckung besteht aus großen Schals, üblicherweise in schwarzer Farbe.“

Nach einem Zeitungsbericht aus dem Jahre 1931, der nachfolgend wiedergegeben wird, scheint das Modebewußtsein in Krasna auch zehn Jahre später nicht sonderlich ausgeprägt gewesen sein. Der Staats-Anzeiger vom 28. April 1931 kommentiert:
„ Was aber den Modeteufel in Krasna anbelangt, so muß ich sagen, daß er hier nicht so recht Fuß fassen kann. Es liegt eben in der Natur des Krasnaers, alles Überspannte zu verabscheuen. Der Modeteufel aber braucht vor allem Beifall. Wer aber in dieser Hinsicht herausspringt, erntet in Krasna nur Spott und Verachtung. Obwohl unsere Weibsleute bei weitem nicht mehr in der althergebrachten Tracht einhergehen, so muß doch zu ihrem Lob gesagt werden, daß sie ganz ruhig die umliegenden Dörfer mehrere Mal die Trachten wechseln lassen ohne nachzuahmen. So zum Beispiel haben sich in Krasna bis heute noch keine gefunden, die sich getraut hätten, ein Kleid anzulegen, das heim Gehen zu allerlei Klemmerei gekommen wäre, bis das Röckchen bis über die Knie gezogen ist und dabei die Anwesenden sich des Errötens nicht erwehren konnten. Bis heute war in der Tracht der Krasnaer Frauen noch wenig Übertreibung, ausgenommen mit den Kopftüchern, mit denen sie ganz verrückt geworden waren. Da war nichts gut und teuer genug. So wurden 800 bis 900 Lei für ein Kopftuch bezahlt und da mußten unbedingt zur Abwechslung weiße und schwarze sein. Alles Schimpfen der Väter half nichts, denn in der Modefrage sind die Frauen nicht schwach, sondern stark wie Herkules, und sie erreichen auch gewöhnlich, was sie wollen.
Die heutigen Umstände aber haben erreicht, was das Schimpfen der Väter nicht fertig bringen konnte. Das Geldborgen ist ganz abgekommen und bar kann man leider halt nichts mehr bezahlen. Der Händler mag nun seine teuren Tücher im Schatten schimmern oder in der Sonne glänzen lassen: es fangt nicht mehr. Trotzdem die Augen der Evastöchter beim Anblick dieser von ihnen so begehrten Sachen hell aufleuchten, schlagen sie aber doch sofort ein Schnippchen und sagen: ‚Ne, no, so etwas will ich nicht. Hast denn keine für 200 oder 300 Lei?’
Was die Tracht der Männer anbelangt, so hat sich seit langen Jahren nichts geändert. An Stelle des früher gebräuchlichen sogenannten “Barnoß;” ist heute der Paletot getreten, und das ist auch fast alles.“

Hier folgt ein kleiner Einblick in die Krasnaer Modewelt.
⇒ s. auch Hochzeiten unter Ziff. 5.3 Kultur, Sitten und Gebräuche:

Abb. 86: Frauen mit gestreiften Schürzen 1921
Abb. 87: Margaretha Dirk; Katharina Müller; & Rosa Riehl
Abb. 88: Theresia Kopp
Abb. 89: Das Bild zeigt Mädchen in der 1934 von Arziser Bauernschule entwickelten Tracht, die sich an die Trachten der Vorfahren anlehnte

Eine gute Beschreibung der Kleidung der Bessarabiendeutschen ist zu finden in folgendem Aufsatz, der auch Fotos zur Krasnaer Kleidung enthält: Ella Winkler-Lütze, „Von der Kleidung der Deutschen in Bessarabien“ Heimatkalender der Bessarabiendeutschen 1977, S. 42

krasna/g-05-05-03.txt · Zuletzt geändert: 2019/05/23 11:33 von Otto Riehl Herausgeber