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krasna:m-10-02-00

10.2 Berichte über das Leben in Krasna

Es gibt eine ganze Reihe von Berichten, Erzählungen etc über das Leben in Krasna und die Zeit danach, die im Laufe der Zeit geschrieben und veröffentlicht worden sind. Hinzu kommen solche Texte, die nicht speziell über Krasna berichten, deren Aussagen aber auf das Leben in Krasna zutreffen.
Wichtige Passagen aus diesen Berichten/Aufsätzen sind in vorangegangenen Abschnitten wörtlich unter Angabe der Fundstellen zitiert worden. Der Abdruck aller Texte in vollem Wortlaut würde den Rahmen dieser Veröffentlichung sprengen.
Hier werden drei Berichte im Wortlaut wiedergegeben, die für Krasna einen besonderen Stellenwert haben.

  1. Die Ausführungen von Pater Conrad Keller aus dem Jahre 1911 (die erste Veröffentlichung über Krasna überhaupt, abgesehen von statistischen Angaben und amtlichen Dokumenten.
  2. Ein Bericht über den Bischofsbesuch im Jahre 1921 anläßlich der Übergabe der der bessarabischen Pfarreien an das Bistum Jassy.
  3. Bericht über die Einweihung des Pfarrheims aus dem Jahre 1938

Pater Conrad Keller: Die Kolonie Kraßna (Gouvernement Bessarabien)

1) Die Kolonie Kraßna wurde im Jahre 1814 am rechten Ufer des Talflüßchens Kugelnik-Kunduk von deutschen und polnischen, größtenteils katholischen Ansiedlern gegründet. Die Kolonie Kraßna liegt 95 Werst von der Kreistadt Akkermann, 100 W. von der Gouvernementsstadt Kischinew und 140 Werst von Odessa. Hier mitten in einem bis 4 Werst breiten Tale, des ganz mit Rohr, Binsen, Dornbüschen, mannshohem Grase und Burjan bewachsen, eine Behausung von Wölfen und andern wilden Tieren war, ließen sich die von den Strapazen der langen Reise erschöpften Ansiedler nieder. Bei ihrer Ankunft waren die meisten von ihnen mittellos und gänzlich auf die Unterstützung der Regierung angewiesen. Das für die Fruchtfelder bestimmte Land ist ziemlich uneben und war größtenteils mit Dornbüschen bewachsen, was den Ansiedlern das Bearbeiten des Landes sehr erschwerte, während die wasserreiche Talebene ihnen prächtige Viehweide bot, deshalb wandten die Ansiedler ihre Aufmerksamkeit mehr der Viehzucht und dem Handel als dem Ackerbau zu.

In den ersten Jahrzehnten wurde die Entwicklung der Kolonie durch verschiedene störende Einflüsse und Ereignisse gehemmt: bald entstanden Krankheiten, die eine große Zahl der neuen Ansiedler ins Grab brachten, bald kam ein Seuche, welche die letzte Kuh, das letzte Zug – oder Handelsvieh weggraste. Auch ihre wenigen landwirtschaftlichen Produkte konnten die Ansiedler nur selten zu annehmbaren Preisen verkaufen, weil sie allzusehr von einem Absatzpunkte entfernt waren; deshalb waren sie aus Mangel an Geld mehr auf den Tauschhandel angewiesen. Man mußte eben um Getreide verkaufen zu können nach der 140 Werst entlegenen Stadt Odessa fahren, was regelmäßig eine Woche Zeit in Anspruch nahm und außerdem höchst gefährlich war, da sie befürchten mußten auf dem Rückwege von umherziehenden Zigeunern beraubt zu werden.

Da die Ansiedler teils Katholiken, teils Lutheraner waren, so konnten sie nicht lange im Frieden beisammen wohnen; bald schlich sich Unfriede, Streitsucht und Parteilichkeit in der neuen Gemeinde ein, die erst dann ihr Ende nahm, als die Gemeinde von der Westseite her Land abteilte und ein neues Dorf „Katzbach“, 8 Werst von Kraßna gelegen, bildete, wohin sich die Kolonisten lutherischer Konfession ansiedelten. Somit blieben in Kraßna ausschließlich nur noch Katholiken, was zur Folge hatte, daß der Friede in Gemeinde bald wieder hergestellt war.

Im J. 1865 wurde in Kraßna eine neue Pfarrkirche gebaut. Rechts bei der Kirche steht das Pastorat; es wurde im J. 1885 erbaut, befindet sich in einem geräumigen Höfchen, woran sich ein dazugehöriger Gemüse- u. Obstgarten anschließt; links desselben ist das Schulhaus mit den Lehrerwohnungen. Dieses ist für die gegenwärtige Schülerzahl viel zu klein; es mißt 10 Faden in der Länge, 3½ Faden in der Breite, soll aber 200 Kinder zum Unterricht in sich bergen. Doch soll auch dieses Übel recht bald beseitigt werden. Das Gemeindeland der Kolonie Kraßna beträgt 6910,2 Dessiatinen – zählt 114 Wirtschaftstellen, Landlose gibt es gegenwärtig im Dorfe 54 Familien, die Auswärtigwohnenden nicht mitgerechnet. Kaufland hat sich Kraßna bis jetzt noch ganz wenig erworben, die das Dorf verlassenen Familien begeben sich meistens nach dem Auslande, so z. B. ist in Rumänien ein ziemlich großes Dorf, Caramurat, ausschließlich von Kraßnaer Auswanderern gebildet worden. In der jüngsten Zeit übersiedelten die meisten nach Nord-Dakota und Kanada. Auch nach dem Kaukasus sind nicht wenig übersiedelt.

Gegenwärtig zählt Kraßna 1864 Seelen alle katholischer Konfession, hat eine Pfarrkirche, 1 Schule mit 2 Lehrern, - in diesem Jahre soll auch ein dritter angestellt werden, - und 225 Schulkinder, Ferner befinden sich daselbst: 14 Schmiede, 8 Stellmacher, 3 Tischler, 2 Schneider, 8 Schuster, 2 Streicher, 3 Kramläden, 3 Weinhandlungen, 1 Wind- u. 1 Dampfmühle.

Bischofsbesuch in Krasna

Der letzte Bischof von Tiraspol, Alois Josef Keßler, hatte, um den Bolschewiken zu entgehen, zunächst seinen Sitz nach Odessa verlegt. Nach deren Sieg floh er 1921 nach Krasna, das damals noch zu seiner Diözese gehörte. So kam es, daß von Januar 1920 bis Januar 1922 der letzte Bischof von Tiraspol in Krasna residierte. Am 3. Januar 1922 trat Bischof Keßler eine Spendensammelreise nach Nordamerika an. Nach dieser Reise zog er sich in das Kloster der Marienschwestern in Zinnowitz an der Ostsee zurück, wo er seine Geschichte der Tiraspoler Diözese schrieb. Hier starb er am 10. Dezember 1933. Das Bistum Tiraspol blieb während der Sowjetzeit verwaist (s. Ziff. 5.1 Kirche und Religion).

Rom reagierte auf die veränderte staatliche Zugehörigkeit Bessarabiens ab 1918 und veranlaßte im September 1921 die Lostrennung des bessarabischen Raumes von der Diözese Tiraspol und seine Einverleibung in die Diözese Jassy/Rumänien.

Der Bischof von Jassy besuchte Krasna im November 1921 anläßlich der Übergabe der bessarabischen Pfarreien an sein Bistum. Über diesen Besuch liegt uns nachstehender Zeitungsartikel vor. Hinweis. Die Ankunft der Gäste war auf dem für Krasna nächstgelegenen Bahnhof Beresina, der um 1921 Anschiokrak hieß (s. Ziff. 4.5 Verkehrsinfrastruktur, Post und Telefon).

Das Nordlicht aus North Dakota schreibt am 29. Dezember 1921, S. 2: Aus Rumänien Originalbericht Bessarabien, Balmas, den 25. November 1921

Wertes Nordlicht! Da so viele aus Kraßna, Bessarabien, ihre alte Heimat verlassen haben und ein neues Heim in der neuen Welt aufschlugen, so könnte es für solche sehr interessant sein, nachstehendes aus der alten Heimat zu hören. Höchstwahrscheinlich wird es einem jeden schon bekannt sein, daß mit Beendigung des Weltkrieges, das 45.632 Quadratkilometer große, zwischen den Flüssen Pruth und Dnjestr gelegene, an zwei Millionen Einwohner zählende Bessarabien von Rußland wieder an Großrumänien zurückgekommen ist. Verhältnismäßig erfolgte auch, daß sämtliche katholische Pfarreien Bessarabiens von der russischen Diözese Tiraspol abgetrennt und der in Großrumänien befindlichen Nachbardiözese Jassy (in der Moldau) einverleibt wurden. Infolge dieser Veränderung machte der hochwürdige Bischof von Jassy in Begleitung eines Kanonikus eine Rundreise der in die in Diözese Jassy einverleibten katholischen Pfarreien Bessarabiens Krasna, Emmental, Bendery und Kischinef. So wie der hohe Kanonikus sich erklärt, so wird diese Rundreise ihm ein langes Andenken sein, wahrscheinlich weil er vielleicht mit Kolonisten noch wenig oder gar keinen Verkehr hatte, denn der hohe Herr sagt: „Unvergesslich wird es mir bleiben, was ich auf dieser Rundreise gesehen und erlebt habe. Als ich in Gesellschaft des hochwürdigen Bischofs von Jassy Dr. Alexander Cisar, eines ausgezeichneten von wahrhaft apostolischen Geiste beseelten Kirchenfürsten nach zweistündiger Eisenbahnfahrt auf der Station Anschokrak ankamen, wie da in mittlerer Nacht alles so edel angeordnet war zu unserem Empfang. Der edle Bekennerbischof von Tiraspol Dr. Josef Keßler – der, nachdem die Bolschewisten seinen Bruder getötet, von Südrussland nach Bessarabien flüchten mußte und seit einem Jahre inmitten seiner treuen Katholiken von Kraßna weilte, - hatte es sich nicht nehmen lassen, obwohl leidend, zur 12 Werst entfernten Eisenbahnstation Anschokrak beim Dorfe Beresina zu unserem Empfange zu kommen. Von einem großen Banderium geleitet, gelangten wir um Mitternacht nach Kraßna, einer blühenden deutschen Kolonistengemeinde von etwa 3000 Seelen, lauter Katholiken.“

Nach weiterer Mitteilung ging am folgenden Vormittag eine höchst seltene Feier vor sich. Die beiden Bischöfe, in violettem kirchenfürstlichem Gewande und in der Mitte der im Kanonikalkleide einherschreitende Delegierte des Nuntius, zogen unter Glockengeläute in feierlicher Prozession in die schöne geräumige Pfarrkirche ein, deren Eingang mit päpstlichen Fahnen und Blumengewinden festlich geschmückt war. Nach diesem verlautbarte und erklärte der hohe Herr Kanonikus von der Kanzel aus der lautlos lauschenden Menge die obenerwähnte päpstliche Verordnung, worauf Bischof Dr. Keßler in einer alle zu Tränen rührenden Rede von seinen bisherigen Schäflein Abschied nahm. Der neue Oberhirte Dr. Alexander Cisar begrüßte seine nunmehrigen Gläubigen in herzergreifenden Worten und versicherte sie seiner väterlichen Liebe, hierauf erteilte er zum Schlusse den bischöflichen Segen, womit die denkwürdige Feier ihren Abschluß nahm. Im Pfarrhaus wurde sodann ein Protokoll darüber aufgenommen, welches nebst den beiden Bischöfen, der hochwürdige Ortspfarrer Bernhard Leibham und die Repräsentanten der Kirchengemeinde unterzeichneten. Es waren dies die Herren: Peter und Gottlieb Leintz, Maximilian Hein, M. Volk, S. Dirk, A. Sauterle und M. Ternes. Nach all diesem drängte den hohen Herrn Kanonikus, mit den guten Kraßnaern auch außer der Kirche in nähere Bekanntschaft zu kommen. Deshalb besuchte er in Gesellschaft einiger anderer Herren gegen Abend das gastfreundliche Haus des Herrn Friedensrichters, wo sie in gemütlichem Gedankenaustausche, bei einem Glas Wein, ein angenehmes Stündchen zubrachten. Er erzählte ihnen von ihren Banatern und gab der Hoffnung Ausdruck, daß der Schwäbische Landwirtschaftsverein sie gewiß aufsuchen werde und hörte seinerseits manches über Land und Leute, wie es in Kraßna bräuchlich ist. Landwirtschaft, Weinbau, Pferde, Vieh und Schafzucht ist die Beschäftigung der Krasnaer, besonders jedoch der Handel. Bis zum Schwarzen Meere hinunter und nach allen Seite Bessarabiens, soweit ihnen der Weg offen steht, besuchen sie die großen Märkte und tauschen Ware für Ware, kaufen und verkaufen alles, was ihnen unter die Augen kommt. Die Kraßnaer Bauern sind reich an Geld, zu sagen die reichsten Bauern im Akkermanner Kreis und besitzen dabei von 6 Hektar bis 60 Dessiatinen Land und einige auch über hundert, arbeiten mit vier bis acht Pferden, haben 20 bis 30 Schafe. Sie verfertigen wie früher so auch noch in dieser teuren Zeit das Tuch für ihre Kleider aus selbsterzeugter Schafwolle und Hanf in Hausindustrien oder tragen die Wolle in die Tuchfabriken von Tarutino. Eine Arschin Tuch, prima Qualität, kostet hier 100 Lei, zweiter Qualität 60 bis 80 Lei. Ferner haben sich die Handelsleute derart eingerichtet in ihrer Wirtschaft, daß sie alle Werkzeuge besitzen zur Verfertigung aller Holz- und Schmiedearbeiten. Außerdem sind noch viele und aller Art Handwerker im Dorf: Schmiede, Stellmacher, Schuhmacher, Tischler, Schneider, Streicher, Küfer und sonst Künstler, welche einen alten Handelswagen von 10 Jahren herausputzen, als sei er erst aus der Werkstätte geschoben worden. Die Kraßnaer sind tief religiös, lieben ihre schöne Kirche, welche neben dem Pfarrhause frei auf einem geraumen Kirchhofe steht. Die Tracht der Kraßnaer ist gleichförmig. Die Männer sind anständig und einfach gekleidet und tragen anstatt eines Hutes schwarze Schildkappen. Die Frauen sind ohne Luxus, dunkel gekleidet und tragen als Kopfbedeckung schwarze Tücher. Ein jedes Dorf hat sine besondere Eigenschaften, aber mit großem Unterschied. Wollte ich die bäuerlichen Eigenschaften der Kolonisten Balmas beschreiben, so würde das mit den Eigenschaften der Kraßnaer lange nicht klappen. Vielleicht komme ich mal in den Stand, daß ich eine kleine Ersparnis haben werde, der ich so viel zu Postmarken und Papier entreißen kann, dann will ich der Feder auch etwas zu tun geben.

Grüße herzlich meinen Sohn Zachäus Dirk und seine Frau Hermina. Auch grüße ich meine Schwiegersöhne dort in Amerika nebst ihren Frauen, meinen Töchtern Amalia und Eugenia.

Romuald Dirk

Artikel anläßlich der Einweihung des Heims in Krasna

Erschienen in Deutsche Zeitung Bessarabiens
abgedruckt in Richard Heer, Die alte und die neue Heimat der Bessarabiendeutschen, S. 631/632

Am 26. Dezember 1938 fand die Einweihung unseres Pfarrheims statt. Anschließend veranstaltete unser Herr Hochwürdiger Pfarrer Prof. Wilhelm Schumacher mit der erwachsenen Jugend einen Weihnachtsabend mit einem sehr reichhaltigen Programm. Der eigentliche Einweiheakt fand schon am Vormittag gleich nach dem Gottesdienst in Anwesenheit vieler Männer statt. Durch diesen Akt wurde der Schlußstrich in der Ausführung einer schwierigen Sache gezogen.

Hier gilt das Wort Friedrich des Großen: „Solides Aussehen beruht auf der Ausführung schwieriger Dinge. Je schwieriger sie sind, desto mehr Ehre bringen sie ein.“ Unser Herr Pfarrer hat sich gleich bei seinem Amtsantritt in Krasna als Ziel gesteckt, in Krasna eine Stätte zur Pflege des Seelen- und Geisteslebens zu schaffen. Die Schwierigkeiten dieses Planes schwebten ihm wahrscheinlich in vollem Ausmaße vor Augen, denn er sagte selbst in seiner Antrittspredigt, Krasna habe bei seiner Ernennung in ihm das Gefühl eines Kalvarienberges geweckt. Tatsächlich bereiteten ihm Neid, Mißgunst, die Gleichgültigkeit einen wahren Kalvarienberg in der Errichtung des Pfarrheims. Um die Größe dieser Leistung noch besser zu verstehen, möchte ich als Krasnaer die Lage in Krasna vor dem Bau und in einigen Strichen kennzeichnen. (Ähnliche Verhältnisse mögen wohl auch in anderen deutschen Dörfern sein.) Die Gleichgültigkeit und das jagen nach irdischen Gütern als Erbe der Zeit nach dem Weltkriege hielten die Leute stark umklammert. Dadurch sind wir auf eine schiefe Bahn geraten. Wir waren schon nicht mehr das, was unsere Väter waren. Diese hielten durch in bösen Zeiten, bettelarm waren sie bei der Ansiedlung, bauten durch den Schweiß ihrer Arbeit Kirche, Schule und Kanzlei. Das haben sie durch den festen Glauben, Gottvertrauen und Opferbereitschaft fertig gebracht. Sie waren deutsch sowohl der Sprache, als auch dem Charakter nach. Die deutschen Tugenden wie Fleiß, Einfachheit, Opferbereitschaft und Treue waren bei ihnen lebendig. Die Eigenschaften unserer Väter fingen mit der Zeit an zu schwinden. Es schlichen sich vielfach falsche Grundsätze ein, - wie zum Beispiel: Du kannst machen, was du willst. Was die Alten glaubten und hielten ist nichts. Wir sind so allmählich von unseren Zielen abgewichen. Unser Ziel blieb nur ein niederes Ziel. Das war Land und noch einmal Land. Wir vergaßen dabei unsere kulturellen Güter, unsere deutsche Seele. Der Leib war unser einziges Ziel. Zur Nebensache wurden sogar Kirche und Schule, an einen Verein gar nicht zu denken. Wir hatten das geistige und seelische Wohl unserer Kinder vergessen. Es wurde nur leidlich für sie gesorgt. Die Äußerlichkeit hatte über die Innerlichkeit gesiegt. Der Materialismus hatte den Idealismus überwunden. Diese und ähnliche Verhältnisse bei uns waren die größten Hemmnisse beim Bau unseres Heimes. Alles das hat unser Herr Pfarrer durch seinen unermüdlichen Fleiß und durch seine überzeugende Werbearbeit überwunden. Die Gleichgültigkeit und das Mißtrauen schwanden, und so ist dieses schöne Gebäude durch deutschen Fleiß und deutsche Einigkeit erstanden.

Auf unseren Weihnachtsabend zurückkommend, möchte ich berichten, daß die Bewohner unseres Dorfes, wie auch viele Gäste aus anderen Dörfern, sich so zahlreich einstellten, daß der große Saal bei weitem nicht alle fassen konnte. Ungefähr die Hälfte der Besucher mußte wegen Raummangel abgewiesen werden. Diese abgewiesenen Gäste verlangten, daß man die Darbietungen an einem anderen Abend wiederhole, was auch am ersten Januar geschah.

Vor der Abwicklung des Programms vollzog Herr Pfarrer noch einmal eine kleine religiöse Weihe, indem er den Psalm vorlas: Wo der Herr das Haus nicht bauet, arbeiten die Bauleute vergebens etc…Darauf sang man allgemein begleitet vom Krasnaer Blasorchester „Großer Gott“. Als Einleitung hielt Herr Pfarrer eine lange Ansprache. Er bringt seine Freude und seinen Dank über das vollendete Werk zum Ausdruck und schildert seinen Kampf gegen Mißverständnisse und Mißdeutungen, hebt hervor, daß der Bau aus eigener Kraft und ohne eine Unterstützung von irgendeiner Seite aufgeführt wurde. Die religiösen und christusgläubigen Menschen, die vor 130 Jahren hierher kamen, sind in allen Kämpfen ihrem Glauben treu geblieben, hatten keine Zeit und Lust, die mancherlei Wandlungen in den Weltanschauungen mitzumachen. Für die Krasnaer ist Religion nicht eine poetische Verbrämung des Lebens, kein unbekannter Schicksalsglauben, nicht Vergötzung zweitrangiger, vergänglicher Werte, sondern Erkenntnis der Vergänglichkeit alles Irdischen, Suchen und Bejahen des unendlich vollkommenen und persönlich gedachten Gottes, wie es J. Eberle einmal ausdrückt, der zwar über der Welt steht, aber doch auch als wallende Vorsehung und emporhebende Kraft. Treitschke sagt: Die Deutschen werden in einer Zeit der Geschichte plötzlich erfahren, daß ihre stärksten und klügsten Männer allesamt gläubige Christen waren. So bleiben wir in wesentlichen Gedankengängen der größten Deutschen, von denen unter anderen Ernst Moritz Arndt, der Kulturphilosoph H. St. Chamberlain herangezogen wurden. Mit einer langen Reihe führender Ärzte sehen wir in dem Bekenntnis den stärksten seelischen Halt, den Anker in den Stürmen der Zeit, wie ihn kein Philosophie, oder Form der Ethik bieten kann.

Auf dieser Grundlage steht unser völkisches und vaterländisches Arbeiten. Der Krasner fühlt sich an seine Scholle und an sein Blut gebunden. Das wirkt auch da weiter, wo die Krasner neue Kolonien in aller Welt gegründet haben. Auf religiöser Grundlage steht auch die vaterländische Arbeit. Uns scheint eine Vaterlandsliebe, die nicht in den tiefsten Regungen der Seele verankert ist, zu isoliert und nicht tief genug. Je fester der Mensch in seinem Glauben verankert ist, um so treuer steht er zu Volk und Vaterland. Darum war es keine Form, sondern Ausdruck echter vaterländischer Gesinnung, wenn an seine Majestät, den König Carl eine Huldigungsadresse einstimmig beschlossen wurde.

1. Telegramm:

S. M. König Carol II.
Gelegentlich der Einweihung des Pfarrheims der Gemeinde Krasna versichern die Einwohner dieser Gemeinde in Gemeinsamkeit des Denkens und aus eigener Initiative Ihrer Majestät ihren tiefen Respekt und ihre Aufopferung in der Arbeit für die Hebung des Vaterlandes und der Kirche.
Die Bewohner der Gemeinde
Krasna, Kreis Cet.-Alba

2. Telegramm:

Seine Exzellenz, dem römisch-kathol.
Bischof von Jassy
Gelegentlich der Einweihung des Pfarrheims unserer Gemeinde überbringen wir Ihnen unseren tiefsten Dank für Ihre edle Unterstützung und versichern Sie unserer Loyalität und unserer Ergebenheit in der Arbeit für die Hebung des Vaterlandes und der Kirche
Die Einwohner der Gemeinde
Krasna, Kreis Cet.-Alba

Darauf sangen die Sänger die Nationalhymne, die unsere Spieler gut begleiteten. Gleichzeitig wurden sowohl die Staatsfahne, wie auch die Papstfahne aufgerollt. Darauf folgte das Gedicht “Laßt die Banner wehen“, vorgetragen von Michael Schlick packend und in reinem Deutsch. Außerordentlich schön wurde jetzt das Lied „Seht die bunten Fahnen fliegen“ gesungen. Josef Koch sagte das Gedicht „Straja“ auf. Im weiteren Verlaufe der Vortragsfolge wurde mehreren Personen das Wort zur Aussprache erteilt.

Als erster sprach Herr Prätor Varadiev im Namen der Behörde. Er wies darauf hin, daß in Krasna ein Geist des Fortschritts herrsche. Davon er sich schon bei mehreren Gelegenheiten überzeugen konnte. Das habe Krasna seinen intellektuellen Kräften zu verdanken. Er wünsche Krasna ein Fortfahren in diesem Geiste. Als zweiter sprach unser Herr Primar Josef G. Volk im Namen der Gemeinde folgende Worte: Als Vorsteher dieser Gemeinde erachte ich es für meine Pflicht, bei dieser Gelegenheit dem Gefühl meiner Dorfgenossen in ein paar Worten Ausdruck zu verleihen. Zuerst möchte ich im Namen meiner Dorfgenossen den werten Gästen danken, die uns durch ihr zahlreiches Erscheinen eine besondere Ehre und Freude bereitet haben.

Wir empfinden heute Abend mehr denn jemals einen gerechten Stolz auf das Werk unserer Opfer, auf unser deutsch-katholisches Heim. Stolz sind wir auf unseren Herrn Pfarrer, der keine Müh und Arbeit scheute für das Wohl unserer Gemeinde. Im Namen der Gemeinde bringe ich ihm bei dieser Gelegenheit unseren besten Dank dar. Dieses Haus ist wieder einmal Beweis deutscher Arbeit und Einigkeit. Es ist ein Schmuck unseres Dorfes. Ich weiß, daß anfänglich viele von uns mißtrauisch waren. Dieses Mißtrauen hat heute keine Berechtigung mehr. Bringen wir weiter Opfer, um dieses Werk vollständig auszubauen, denn dieses Werk ist zum Wohle unserer Gemeinde. Also Mut, Einigkeit und Arbeit voran.

Im Namen der Baukommission sprach Präsident Isidor Leinz und Samuel Heier im Namen des Bezirkskonsistoriums. Im Namen des Herrn Arthur Fink sprach Herr Dr. Ehrhard Haase. Als letzter sprach unser Gauleiter Dr. Otto Broneske im Namen des Gaurates. Er überbrachte unserer Gemeinde die Glückwünsche des Gaurates zu diesem völkischen Werke. Er betonte, daß Krasna den Beweis liefere, daß Idealismus den Materialismus überwunden habe.

Der erste Teil des Programms endete mit dem Lied: Hymne an die Nacht von Beethoven.
Der zweite Teil war mit vielen Liedern und Gedichten ausgefüllt, die glänzend ausgeführt wurden.
Der dritte Teil war die Krone der Darbietungen. Es war ein Weihnachtsspiel von Franz Herwig in drei Bildern. Es veranschaulichte den Kampf von Frau Welt um die Menschen in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, um sie vom Glauben an das Christkind abtrünnig zu machen. Am Schluß ging der Glaube an das Christkind als den Welterlöser siegreich hervor.

Beim spannenden Inhalt dieses Stückes und bei der märchenhaft schönen Ausführung hielten die Zuschauer den Atem an. Alle verließen um 12 Uhr nachts mit voller Zufriedenheit über das stramme Auftreten der Krasnaer Jugend den Saal.

Unterzeichnet
„Ein Krasnaer“

1)
Quelle: Neuer Haus- und Landwirtschafts – Kalender für deutsche Ansiedler im Südlichen Rußland auf das Schaltjahr 1912 (366 Tage.) 44. Jahrgang, Odessa.
krasna/m-10-02-00.txt · Zuletzt geändert: 2019/05/24 10:06 von Otto Riehl Herausgeber