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3.3 Der Kogälnik

Krasna liegt am rechten Ufer des Steppenflusses Kogälnik. Er ist, abgesehen von den Grenzflüssen Bessarabiens, Dnjestr und Pruth, der bedeutendste Wasserlauf im Budschak. Der Kogälnik entspringt etwa 100 km nördlich von Krasna nordwestlich Kischinews. Er ist knapp 200 km lang und mündet bei Tatarbunar in den Liman Konduk, auch Liman Sasik genannt, ein Haffsee des Schwarzen Meeres.

An diesem Fluss oder seinen Nebenflüssen liegt das Gros der bessarabischen Mutterkolonien. Am oder in der Nähe des Flusses liegen folgende Kolonien:

  • Leipzig (Ostseite) des Flusses
  • Kulm (Westseite)
  • Beresina (Ostseite)
  • Krasna (Westseite)
  • Paris (Ostseite)
  • Frere Champenoise I (Westseite)
  • Teplitz (Westseite)
  • Brienne (Westseite)
  • Arzis (Ostseite)
  • Gnadental (Ostseite).

Nebenflüsse des Kogälnik - besser Bäche - im Bereich des Budschak sind:

  • Skinosa-Bach, fließt bei Leipzig in den Kogälnik.
  • Anschiokrak-Bach, fließt bei Krasna in den Kogälnik an ihm liegt Tarutino
  • Tshaga (Schag), fließt bei Brienne in den Kogälnik (Borodino, Klöstitz, Friedenstal)
  • Dschidlair-Bach, fließt bei Gnadental in den Kogälnik (Neu-Arzis)
  • Tshiligider, fließt östlich von Gnadental in den Kogälnik (Lichtental)

Der Sarata fließt ab der Kolonie Sarata parallel zum Kogälnik und mündet auch in den Konduk-See.

Normalerweise war der Kogälnik ein kleiner Fluss mit höherem Wasserstand nur im Winter. Im Sommer, nach langer Trockenzeit, war er nur noch ein Rinnsal. Im Frühjahr zur Zeit der Schneeschmelze allerdings schwoll der Kogälnik gefährlich an. Er trat dann regelmäßig über die Ufer. Manchmal durchbrach er die von den Kolonisten angelegten Dämme und überschwemmte größere Teile der Talmulde. Aber auch im Sommer, wenn es stark geregnet hatte, stieg der Kogälnik schon mal über seine Ufer. Bei einer großen Überschwemmung am 02.09.1927 wurden die Dörfer Leipzig, Beresina und Krasna besonders schwer getroffen. Eduard Ruscheinsky berichtet darüber1). ⇒ S. Ziff. 6.1 Katastrophen, Seuchen, Missernten, tierische Schädlinge, Erdbeben

Friedrich Matthäi2): schreibt zum Kogälnik: „Bessarabien ist auch ein wasserarmes Land. Zwar fließt im Osten der herrliche Dnjestr und im Westen der Pruth, aber beide Flüsse sind so weit von den Kolonien entfernt, dass diese keinen Vortheil von ihnen ziehen können. Was aber die Flüsse anlangt, die im eigentlichen Sinne des Wortes den Kolonien zu Gute kommen, wie z.B. der Kugelnik, die Tschaga u.s.w., so verdienen sie kaum den Namen der Flüsse, denn sie sind seicht und schlammig, und mehr stehendem Gewässer ähnlich. Ihr Nutzen besteht vorzugsweise darin, dass sie da, wo sie abgedämmt sind, eine bequeme Viehtränke geben.“

Der Kogälnik gehörte zum Leben der Krasnaer. Im Winter liefen die Kinder Schlittschuh (Schleifen), im Sommer wurde in ihm gebadet, wurden die Pferde getränkt. Die Frauen wuschen darin ihre Wolle, und das Wasser wurde zum Batzenmachen (Lehmziegel) benötigt. An seinen Ufern wurde früher Schilfrohr für die Dächer geschnitten. Am Kogälnik lagen die Krautgärten, die das Wasser für die Bewässerung des Gemüses aus dem Fluss bezogen.
⇒ s. Ziff. 4.1. Die Landwirtschaft in Krasna.

Abb. 30: Kühe weiden am Kogälnik

In den Kolonien wurden Dämme angelegt zum Stauen des Wassers als Reservoir für die Trockenheit (Tränke für das Vieh, Bewässerung der Krautgärten). Auch in Krasna gab es Dämme am Kogälnik. Der Dammbau wurde von der Dorfgemeinschaft als Fronarbeit geleistet.

Max Riehl erinnert sich an den Dammbau in Krasna: „Damit der Kogälnik in den Sommermonaten nicht ganz austrocknete, baute man in den bessarabischen Dörfern Dämme, die das Wasser mindestens teilweise für die trockene Jahreszeit zurückhielten. Das zurückgehaltene Wasser wurde gebraucht als Tränke für Kühe, Schafe und ein paar Tausend Gänse. Es war auch ein Vorrat für die beiden am Fluss liegenden Gemüsegärten (Krautgärten). Daneben war es Badewasser für die Pferde. Der Jugend und den Kindern diente es zur Erfrischung in der trockenen und heißen Erntezeit.
Der Damm, mit dem man das Wasser zurückhielt, musste nach jeder Schneeschmelze im Frühjahr aufs Neue gebaut werden, da das Winterhochwasser den Damm vom Vorjahr regelmäßig wegspülte. Für das Aufschütten des neuen Dammes waren Jahr für Jahr viele Kubikmeter Gemisch aus Lehmerde, Stroh und Mist nötig. Das vorbereitete Gemisch wurde rechtzeitig an den Fluss gebracht und bereitgehalten.
Bei sinkendem Wasserstand errichtete man den Damm bis auf einen schmalen Durchfluss. Vom Bürgermeister beauftragte junge Männer sorgten Tag und Nacht dafür, dass der Damm nicht fortgespült wurde. Für das Schließen der letzten Lücke musste man den richtigen Zeitpunkt abpassen, um recht viel Wasser im Flussbett hinter dem Damm zu halten. Hielt man den richtigen Zeitpunkt für gekommen, wurde die offengelassene Lücke in einem Hau-Ruckverfahren geschlossen.
Hatte man den Damm zu früh geschlossen, bestand die Gefahr, dass der Damm vom Wasser überspült und wieder mit fortgerissen wurde. Wartete man zu lange mit dem Lückenschluss, füllte sich das vorgesehene Staubecken nicht mehr vollständig und das Wasser fehlte im Sommer. War der Wasserspeicher gefüllt und es gab im Frühjahr schwere Regenfälle, musste dafür gesorgt werden, dass das überschüssige Wasser kontrolliert über die Wiesen abfließen konnte, ohne Schäden anzurichten.“

Es gab nur wenige Brücken über den Fluss, die meisten Wege führten über Furten hindurch.
⇒ Zu den Brücken in Krasna s. Ziff. 3. Das Dorf

Die beiden Krautgärten Krasnas (s. Ziff. 4.1.4.) lagen am Kogälnik. Der eine lag dort, wo die Straße nach Beresina den Fluss kreuzt, der andere in Richtung Paris. Die Bewässerung erfolgte durch Wasser aus dem Kogälnik, mit Hilfe eines Wasserschöpfrades, das durch Pferde über einen Göpelantrieb bewegt wurde.

Abb. 31: Bewässerungsanlage eines Krautgartens

1)
Eduard Ruscheinsky, Überschwemmung in Bessarabien im Jahre 1927, (Heimatbuch der Bessarabiendeutschen 1960, S. 16
2)
Matthäi, Friedrich: Die deutschen Ansiedelungen in Russland“
krasna/e-03-03-00.txt · Zuletzt geändert: 2023/08/08 10:43 von Otto Riehl Herausgeber