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krasna:e-03-05-00

3.5 Hof und Haus des Kolonisten

Die Dorf-, Grundstücks- und Hausformen der Kolonistendörfer Südrußlands ähnelten sich außerordentlich stark.
Die Hofgrundstücke waren in Krasna wie in allen bessarabischen Kolonien von der Fläche her am Anfang sehr großzügig gestaltet worden. In der Regel hatte der Hofplatz die Größe einer Desjatine (1,092 ha). Die Hofbreite (Straßenfront) betrug 30-40 m. Das Grundstück war ca. 250 Meter lang. Später wurden die Höfe der Länge nach geteilt, 1940 gab es so gut wie keinen Hof mehr in der alten Breite. Fast jeder Hof wurde im Laufe der Zeit in 2, 3, ja 4 Teile gestückelt.

Nachfolgend ist eine Hofanlage Krasnas beschrieben, wie sie sich in den Jahren um die Jahrhundertwende (1900) ungefähr darstellte. Vorher muß man sich die Gebäude hinsichtlich Größe und Zahl bescheidener vorstellen. Später war durch die Teilung der Höfe nicht mehr immer diese eindeutige Gliederung vorhanden.

Die Höfe der Bauern waren von der Straße durch eine Straßenmauer, etwa 1,5 m hoch, getrennt. Sie war verputzt und weiß getüncht. Durch ein breites Tor in der Hofmauer betrat man den Hof. Der ganze Hof bestand aus dem Vorderhof und dem Hinterhof.

Vorderhof

Gleich hinter der Straßenmauer befand sich der Blumengarten, manchmal waren dort auch ein paar Bäume. Dann folgte auf der einen Seite ein langes Gebäude bestehend aus Wohn- und Wirtschaftstrakt. Darin waren vorn die Wohnräume und die Winterküche und daran anschließend die Stallungen für Pferde und Kühe. Es folgten die Schuppen für Wagen und Ackergeräte. Auf der gegenüberliegenden Seite, stand die »Sommerküche«. Es folgten Schuppen und Ställe. In der Mitte des Vorderhofes befand sich gewöhnlich der Brunnen. Meist waren es gegrabene Brunnen, ausgemauert mit Sägesteinen (Muschelkalkstein). Als Aufsatz hatte man größtenteils Einfassungen aus Holz. Vor dem Brunnen standen Wassertröge aus Holz oder Stein für das Vieh.
Den Abschluß der Wirtschaftsräume bildete der Spreustall, auch Kaffbude genannt. Vor dem Schafstall war meistens ein eingezäunter Auslauf (Pferch, auch Harman genannt). Winters wurden die Schafe über Nacht bei größerer Kälte in den Stall gesperrt.

Hinterhof (Wirtschaftsfläche)

Im Hinterhof war der große Dreschplatz (über seine Nutzung s. unter Ziff. 4.1 Landwirtschaft), und um diesen sah man die hohen Stroh- und Heuschober, den Misthaufen sowie den Schweinestall. Bei den Strohschobern setzte man im allgemeinen auch die Maisstengel auf, die im Laufe des Winters als Viehfutter dienten.
Hinter dem bebauten Teil war noch genügend Raum für einen großen Obst- und Gemüsegarten. Dort war oft auch ein Plätzchen mit Klee oder Mais bepflanzt, als Grünfutter dem Vieh vorgeworfen, wenn es im Sommer am Abend von der Weide kam.

Warum Strohschober statt Scheunen?

Es war damals in Bessarabien technisch schwierig, genügend große Scheunen zu bauen, um die anfallenden riesigen Strohmengen unterzubringen. Außerdem wären solche Bauten sehr teuer geworden. Deshalb mußte man das Stroh draußen in großen Strohschobern aufsetzen. Das Stroh wurde so dicht wie möglich gestapelt, um das Eindringen von Regenwasser weitgehend zu vermeiden. Das Aufsetzen des Strohs erforderte eine gewisse Geschicklichkeit. Die Strohschober waren 10 Meter und mehr lang und bis etwa acht Meter hoch.

Die Gebäude hatten ihre Giebelseite zur Straße. Nur ganz wenige Häuser standen quer zur Straße. Ein weiteres charakteristisches Merkmal war, daß die Bauten fast immer auf der Nordseite des Hofes errichtet waren. Die Fenster und Türen gingen gewöhnlich nach Süden. Falls Fenster nach Norden unumgänglich waren, mußte der Nachbar sie dulden, er durfte sie nicht durch Bauwerke, Bäume oder Sträucher „zubauen“.

Abb. 34 Beispiel eines Hofplans

Hier zwei Beispiele von Krasnaer Kolonistenhöfen

Abb. 35: Hof von Maximilian Ternes
Abb. 36: Hof von Erasmus Schreiber

Das Kolonistenhaus und die Nebengebäude

Auf jedem Hof stand anfangs ein Kronshäuschen mit einem kleinen Vorraum und zwei Räumen. Der Plan für die „Kronshäuschen“ war für alle gleich (s. Ziff. 2:2.1 Die mühevollen Anfangsjahre (1815-1835)). Es gab nur sehr kleine Fenster und einfache Türen. Im Vergleich zu späteren Kolonistenhäusern waren die Kronshäuschen sehr ärmlich. Allmählich wurden die kleinen und primitiven Kronshäuschen durch solidere Häuser ersetzt. Nach Eduard Ruscheinsky wurde das letzte Haus aus der Gründungszeit im Jahre 1911 abgetragen.

Der Gemeindebericht 1848 von Alt-Elft beschreibt ein Haus in der Zeit um 1840: „Die Häuser sind einfach gebaut, indem sie nur aus zwei Zimmern, der Küche und dem Hausflur bestehen. Außer dem gut eingerichteten Pastorat, welches mit Dachpfannen gedeckt ist, sind alle Häuser mit gestoßenen Rohrdächern versehen.“ Wir können wohl davon ausgehen, daß es in Krasna ähnlich gewesen ist.

Diese Bauweise wurde in den folgenden Jahren mit zunehmendem Wohlstand durch größere und solidere Häuser abgelöst. Eduard Ruscheinsky hat das so beschrieben1): „Die zweite Generation baute sich schon bedeutend größere Häuser mit den Giebeln nach der Straße gerichtet…Die innere Ausstattung war bequemer und hygienischer, die große Stube (die gute Stube) bekam schon in vielen Häusern einen Fußboden aus Brettern. Die Fenster wurden größer und die Zimmer dadurch heller.“

In den meisten Fällen waren die Kolonistenhäuser aber weiterhin Einheitshäuser, die alle den gleichen Grundriß hatten2). Sie berücksichtigen die Notwendigkeiten des Klimas und die Eigenart der Landschaft. Das Hauptgebäude des Hofes war jetzt das langgestreckte Kolonistenhaus mit einer 8 bis 10 m breiten Giebelfront und einer Gesamtlänge von etwa 25 bis 40 m. Im vorderen Bereich zur Straße war der Wohnteil, dahinter schlossen sich unter dem gleichen Dach Stallungen und Schuppen an.

Abb. 37: Wohnteil eines Kolonistenhauses; der Ortschronik von Alt-Elft entnommen

Den Wohnteil bildeten meist 4-5 Räume. Beim Eingang traf man auf den Hausflur, von hier gelangte man in die Küche. Zu beiden Seiten kamen dann die Wohn- und Schlafzimmer, die Vorderstube („guten Stube“) und Vorderkammer (Schlafstube) sowie die Hintere Stube und die hintere Kammer. Die gute Stube wurde nur benutzt, wenn Besuch kam. Ein solches Haus galt als ein „ganzes“ Haus3). Es bot den Eltern und dem ältesten verheirateten Sohn Unterkunft. Dem Haus schloß sich meistens unmittelbar der Wirtschaftstrakt an.

Das Äußere eines Kolonistenhauses machte immer einen sauberen, gut gepflegten Eindruck. Es muß aber erwähnt werden, daß es auch Anwesen gab, wo Wohnhäuser und Wirtschaftsgebäude sehr bescheiden ausfielen. Auf Krasna traf wohl ebenfalls zu, was für den Nachbarort Katzbach galt (Chronik von Katzbach): „Man findet zwar Wohnhäuser, die recht hygienisch gebaut sind, sie sind geräumig und haben Luft und Licht. Aber sehr viele Häuser sind klein und ungesund. Gewöhnlich wohnt und schläft die ganze Familie in einem einzigen Zimmer.“

⇒ Zum Hausbau und Baumaterial s. Ziff. 3.6. Bau- und Heizmaterial.

Sommerküche

Die meisten Höfe hatten eine Winterküche im Haus und eine Sommerküche im Hof. In manchen Fällen war der Schuppen/die Scheune auch als Sommerküche eingerichtet, in der sich der Backofen befand. Hier wurde in der warmen Jahreszeit gekocht (was das Haus kühl hielt) und daneben auf dem Hof gegessen. Man kann sagen, im Sommer spielte sich das Leben in der Sommerküche ab. Die Sommerküche war eine zweckmäßige Einrichtung. Hier wurde das Essen für die größere Eßgemeinschaft im Sommer vorbereitet (neben der Familie und den Knechten/Mägden kamen Tagelöhner und andere Helfer). In der Sommerküche wurden Speisen für den Winter konserviert (s. Ziff. 5.5 Essen und Trinken). Hier wurde gewaschen, und hier wurden für das Schlachten große Mengen Wasser erhitzt. Es gab sicher noch weitere Verwendungszwecke für diesen Raum.

Keller

Ein Vorrats- und Weinkeller befand sich meistens an einer Seite des Hofraumes, manchmal unter der Sommerküche. Unterkellerte Häuser waren nur das Pfarrhaus und ein oder zwei Bauernhäuser. Die Keller, ob unter dem Haus oder im Hofraum, waren fast immer gewölbt. Dort wurde der Wein gelagert und auch das eingelegte Gemüse aufbewahrt.
⇒ s. auch Eiskeller unter Ziff. 5.5.1 Essen

Das Innere des Kolonistenhauses

Die Häuser waren sauber, jedoch einfach, sparsam aber zweckmäßig eingerichtet. Die Möbel wurden meist von den örtlichen Handwerkern angefertigt. Sie waren massiv gebaut, aber ohne Luxus. In letzter Zeit konnte man hier und da auch schon Polstermöbel in der guten Stube sehen.

Vom Tapezieren der Zimmer war man nach dem 1. Weltkrieg abgekommen. Dafür bekamen die Zimmer alljährlich einen Anstrich aus dünnflüssigem Kalk. Das Tapezieren hielt man aus gesundheitlichen Gründen nicht für optimal.

Wer sich’ s leisten konnte, besaß eine „gute Stube“, auch „vordere Stube“ genannt. Sie war besonders herausgeputzt und wurde nur benutzt, wenn Gäste kamen. Hier standen die besten Möbelstücke, die man besaß wie Kommode, Sofa, manchmal auch ein Musikinstrument.

Abb. 38: Maximilian und Katharina Ternes in ihrem Wohnzimmer in Krasna

Im Schlafzimmer wurde auf den Betten Kissen auf Kissen gelegt. Die Betten mußten hoch aufgebaut sein, das zeigte Wohlstand. Es gab noch keine Matratzen, man schlief auf Strohsäcken.

Abb. 39: Das Schlafzimmer in einem Kolonistenhaus Krasnas

Es gab in den Häusern kein Badezimmer. Gewaschen hat man sich in einer Waschschüssel, gebadet wurde in einem Waschzuber, der irgendwo aufgestellt wurde. Die Toilette befand sich außerhalb des Hauses an einer abgelegenen Stelle des Hofes. Deshalb fanden sich im Nachtschrank am Bett die heute nur noch von Abbildungen her bekannten Nachttöpfe aus Keramik oder in einfacherer Ausführung aus emailliertem Blech.

Die Küche war geräumig, sie diente gleichzeitig als Koch- und Eßraum der Familie. Obwohl in ihr die Mahlzeiten für eine große Personenzahl herzurichten waren, hatte sie weder fließendes Wasser noch Abfluß, keinen Kühlschrank, keine elektrischen Geräte.
In der Küche befanden sich der eingebaute Kochherd und oft auch ein eingebauter Heizofen für mehrere Räume. Der Backofen war gewöhnlich in einem separaten Raum oder in/neben der Sommerküche.

Die Krasnaer Wohnhäuser hatten, wenn überhaupt, erst im 20. Jahrhundert Bodenbeläge. Normalerweise waren die Böden aus gestampftem Lehm hergestellt und mit feinem Sand bestreut. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts gab es die ersten Fußböden aus Bretterdielen; in manchen Häusern hatte zunächst nur die gute Stube einen Dielenboden.

Daß es keine Heizung im Haus gab, versteht sich von selbst. Vom offenen Rauchfang ging man im Laufe der ersten Jahrzehnte zum geschlossenen Ofen über. Der Ofen war oft so eingebaut, daß er mehrere Zimmer mit Wärme beliefern konnte. Für den Bau der Heizeinrichtungen wurden kleine aus Lehm, Kieselsand und Kalk hergestellte und an der Luft getrocknete bzw. gebrannte Ziegel verwendet.
Es mußten jeden Morgen Öfen geheizt werden, natürlich nur dort, wo man sich wirklich aufhielt; ein gleichmäßig erwärmtes Haus, wie es heute selbstverständlich ist, kannte man damals nicht.
Im Winter war es nicht leicht, das Haus warm zu halten. Wenn das Feuer aus war, kühlte das Haus schnell aus. Schlafräume wurden praktisch gar nicht, Wohnzimmer nur selten geheizt. Im Schlafzimmer wurden oft vor dem Schlafengehen auf dem Ofen erhitzte Ziegelsteine in die Betten gelegt, um sie etwas anzuwärmen.

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, gab es kein elektrisches Licht. In den ersten Jahrzehnten dienten in der Küche „ein Scherben mit einem Docht aus Leinwand und einem Stück Talg“ zur Beleuchtung. In den Stuben leuchtete selbst für feinste Handarbeit nur ein Talglicht. Das „Ziehen“ von Talglichtern oder das „Gießen“ in der Blechform verstand jeder Hausvater. Streichhölzer gab es am Anfang nicht. Man benutzte Glut in der Asche des Ofens zum Anzünden von Kerzen. In den letzten Jahrzehnten hatte man Petroleum-Lampen. Wollte man im Dunkeln in ein anderes Zimmer oder auf den Hof gehen, mußte man ein Licht mitnehmen, eine Petroleumlampe oder eine Kerze.

1)
Ruscheinsky, Eduard; Kulturbilder aus unserer alten Heimat Krasna, Bessarabien, Eine Dokumentation über die Kulturleistungen unserer Väter, abgedruckt Heimatbuch 25 Jahre nach der Umsiedlung, Herbst 1965
2)
Es gab auch Häuser, die von dieser Grundnorm nach oben oder unten abwichen. Dies galt besonders in den letzten Jahren vor der Umsiedlung.
3)
Ein „halbes“ Haus hatte zwei Zimmer und eine Küche
krasna/e-03-05-00.txt · Zuletzt geändert: 2019/04/01 09:56 von Otto Riehl Herausgeber